Baden [2]

Baden [2]

Baden, Großherzogthum (Geschichte). I. Älteste Geschichte. Das jetzige Baden wurde nach der Völkerwanderung von Alemannen bewohnt, welche in der letzten Hälfte des 4. Jahrh. n.Chr. die Römer aus den von denselben gegründeten Colonien vertrieben u. deren Herrschaft am Oberrhein ein Ende machten. Gegen Ende des 5. Jahrh. in einen Krieg mit den Franken verwickelt, mußten sie sich nach der Schlacht bei Zülpich i. I. 496 dem Könige Chlodwig unterwerfen u. nahmen die Christliche Religion an. Verschiedene Versuche, sich der fränkischen Herrschaft zu entziehen, so namentlich der von Herzog Gottfried unternommene, schlugen fehl, bis Pipin der Kleine im I. 748, um die Oberhoheit leichter behaupten zu können, das Herzogthum Alemannien (s.d.) auflöste. Als Nachkommen Gottfrieds werden die Landgrafen in der Baar genannt; von diesen wieder sollen die Grafen im Breisgau u. unter ihnen der Stammvater des gegenwärtigen Regentenhauses in B., der Herzog Berthold, abstammen. Letzterer erbaute das Schloß Zähringen im Breisgau u. mit ihm beginnt in ununterbrochener Folge die Reihe der nach jenem Schlosse benannten Grafen u. Herzöge von Zähringen.

II. B. unter den Zähringern bis aus die Theilung, 1070 bis 1190. Als erster Markgraf von B. wird Hermann I., zweiter Sohn des Grafen Berthold I. von Zähringen, genannt, doch ist es ungewiß, welchen Theil er an den Zähringschen Besitzungen hatte; er ging 1073 in das Kloster Clugny u. st. hier 1074 noch vor seinem Vater. Sein Sohn Hermann II. kam 1077 nach dem Tode seines Großvaters Berthold in den Besitz der Grafschaft Hochberg u. einiger anderer Landstriche u. nannte sich Markgraf von B. Ein treuer Anhänger der Kaiser Heinrich IV. u. Heinrich V. leistete er diesen in ihren Kriegen Beistand u. st. hochbejahrt 1130; Hermann III., der Große, sein einziger Sohn, durch treue Anhänglichkeit an das Haus der Hohenstaufen u. durch Tapferkeit bekannt, begleitete 1140 den Kaiser Konrad III. auf seinem Zuge gegen Weinsberg, ging mit ihm 1147 nach Palästina u. 1154 u. 1158 mit Kaiser Friedrich I. nach Italien. Dieser belehnte ihn mit der Markgrafschaft Verona, welche schon Berthold I. eine Zeitlang besessen hatte; Hermann III. st. 1160. Sein einziger Sohn, Hermann IV., schloß 1164 mit Berthold IV. von Zähringen u. dem Herzog Welf von Baiern ein Bündniß gegen den Pfalzgrafen Hugo von Tübingen, u. es entstand ein verheerender Krieg, der aber durch Vermittelung des Kaisers Friedrich I. 1083 durch den Frieden von Kostnitz beendigt wurde, u. wobei Hermann die Markgrafschaft Verona verloren haben soll. Der Markgraf begleitete hierauf 1190 den Kaiser auf seinem Kreuzzuge, zeichnete sich hier bes. gegen den Sultan von Iconium aus, st. aber 1190 in Cilicien u. wurde in Antiochien begraben. Er hinterließ drei Söhne; von diesen st. Friedrich auf einem Kreuzzug 1216 im Gelobten Lande; die beiden andern, Hermann u. Heinrich, theilten die väterlichen Lande u. wurden die Gründer der beiden Linien Baden u. Hochberg.

III. Baden nach der ersten Theilung 1190 bis 1527. A) Grafschaft u. Markgrafschaft Baden-Baden. Hermann V., der Streitbare od. der Fromme führte auch den Titel als Markgraf von Verona fort, er war umsichtig u. tapfer u. unterstützte den Kaiser Friedrich II. gegen dessen Sohn Heinrich. 1227 starb Hermanns V. Schwiegervater, Herzog Heinrich von [143] Sachsen u. Pfalzgraf am Rhein, wodurch wegen dessen Tochter Irmgard, seiner Gemahlin, dem Markgrafen Hermann V. ein Theil von Braunschweig zufiel. Diesen vertauschte er an den Kaiser Friedrich II. gegen Durlach, das er als Allodium, u. gegen Ettlingen, das er als Reichslehn erhielt; außerdem erhielt er Deidesheim u. Pforzheim u. brachte noch die Städte Laufen, Sinsheim u. Eppingen pfandweise an sich. Nach seinem Tode 1243 folgte ihm sein Sohn Hermann VI.; diesem fielen 1248 als dem Gemahl der Gertrude, Enkelin Leopolds VI. von Österreich u. Steiermark, welche er in demselben Jahre geheirathet hatte, nach dem Erlöschen des österreichischen Mannsstammes die Markgrafschaften Österreich u. Steiermark zu. Hermann VI. st. schon 1250; sein einziger Sohn Friedrich I., welcher ihm unter der Vormundschaft seiner Mutter Gertrude folgte, ward von Ottokar von Böhmen aus der Erbschaft in Österreich verdrängt u. ging mit Konradin von Schwaben nach Neapel, wo er 1268 mit enthauptet wurde; mit ihm erlosch die ältere Linie von B. Rudolf I., sein Oheim, zweiter Sohn Hermanns V., setzte die Linie B. fort. Er hielt sich nach einander zu den Gegenkönigen Heinrich Raspe u. Richard von Cornwall, erklärte sich aber gegen Rudolf von Habsburg, weil dieser nicht dulden wollte, daß sich der Markgraf nach Aussterben des Hauses Hohenstaufen einiger Besitzungen desselben in Schwaben bemächtigte. Es kam zwischen dem Kaiser u. dem Markgrafen zum Kriege, der 1274 durch einen Frieden, aber nur auf kurze Zeit, unterbrochen wurde. 1275 eroberte der Kaiser Durlach, Mühlberg u. das Schloß Grezingen, verheerte B. u. zwang den Markgrafen sich zu unterwerfen. Nachdem Rudolf mit dem Kaiser unter billigen Bedingungen im Winter 1275 auf 1276 Frieden geschlossen hatte, ward er im folgenden Jahre schon wieder in einen Krieg mit dem Erzbischof von Straßburg erwickelt, der bis 1281 währte. Der obwohl glücklich geführte Krieg brachte seinem Lande keinen Zuwachs u. erschöpfte dessen Kräfte u. Hülfsquellen. Dagegen vermehrte der Markgraf durch seine Verheirathung mit Adelgunde von Eberstein seine Besitzungen 1283 um einen Theil der Herrschaft Eberstein. Er st. 1288. Seine 4 Söhne, Hermann VII., Rudolf II, Hesso u. Rudolf III., von denen jeder einige Schlösser für sich erhielt, regierten gemeinschaftlich. Der älteste, Markgraf Hermann VII., vererbte die in mehreren Fehden vergrößerten badischen Lande, da zwei seiner Brüder kinderlos u. die Söhne des dritten ohne männliche Nachkommen starben, 1291 auf seine drei Söhne, Friedrich II., Rudolf IV. u. Hermann VIII. Der 3. st. schon 1300, worauf die beiden andern seinen Landesantheil theilten. Friedrich II. residirte zu Eberstein. Beide Brüder kämpften in dem Kriege der Gegenkaiser erst für Friedrich von Österreich, traten jedoch später auf die Seite Ludwigs des Baiern, zu dessen Partei auch ihr Oheim Rudolf III. zählte. Jeder erweiterte sein Land. Friedrich II. st. 1333, sein Sohn Hermann IX. mußte, mit dem Grafen von Württemberg in Krieg verwickelt, Weinsberg verpfänden u. st. 1353, ohne Söhne zu hinterlassen. Sein Gebiet fiel nun an Rudolfs IV. Söhne, Friedrich III. u. Rudolf V., zurück, welche 1348, nach ihres Vaters Tode, die Regierung angetreten hatten. Friedrich residirte zu Baden, Rudolf zu Pforzheim. Der erstere st. 1353 u. hinterließ einen Sohn, Rudolf VI.; der andere st. 1361 kinderlos. Auf diese Weise fiel 1361 alles badische Land, bis auf Hochberg, an Einen Fürsten zurück. Rudolf VI. der Lange, in der kaiserlichen Belehnung zum ersten Male Fürst genannt, war ein Günstling des Kaisers Karl IV. u. vergrößerte sein Land durch Ankauf, Eine Fehde, die er mit Württemberg führte, wurde 1370 vom Kaiser beigelegt. Die Herzöge von Österreich ernannten ihn zum Landvoigt von Breisgau. Nach seinem Tode 1372 folgten ihm unter der Obervormundschaft des Pfalzgrafen Ruprecht seine minderjährigen Söhne, Bernhard I. u. Rudolf VII., die nach erlangter Volljährigkeit 1380 das Land unter sich theilten. Bernhard nahm Durlach, Pforzheim u. die nördlichen, Rudolf die Stadt Baden u. die südlichen Lande. In einem zu Heidelberg abgeschlossenen Hausvertrag führten sie das Erstgeburtsrecht ein u. bestimmten, daß B. stets nur in 2 Theile getheilt werden dürfe. Rudolf VII., welcher dem Grafen Eberhard von Württemberg in dem Städtekriege beistand, starb kinderlos schon 1391, worauf sein Gebiet an Bernhard zurückfiel. Bernhard regierte 59 Jahre u. erwarb sich die Liebe seiner Unterthanen u. allgemeine Achtung in ganz Deutschland. Sehr oft wurde er als Schiedsrichter zwischen Reichsständen aufgerufen, wobei er stets große Friedensliebe an den Tag legte. Nie fehlte es ihm an Geld, u. oft streckte er dem Kaiser od. auch den andern Reichsständen beträchtliche Summen vor. Außer mehreren kleineren Fehden, welche er zu bestehen hatte, mußte er 1401–1403 einen Krieg mit dem Kaiser Ruprecht führen, weil dieser ihm die Rheinzölle, welche der Kaiser Wenzel an B. verliehen hatte, wieder nehmen wollte. Durch diesen Krieg litt B. sehr viel; viele Schlösser wurden zerstört u. das flache Land verwüstet. Durch Vermittelung des Erzbischofs von Köln u. einiger anderer Fürsten kam 1403 ein Vertrag zu Stande, in welchem B. die Rheinzölle auch ferner zugestanden u. die Erbfolge im Lande auf die weibliche Linie ausgedehnt wurde. Da dieser Friede dem Markgrafen nicht genug Sicherheit zu bieten schien, so schloß er 1405 mit Straßburg, mehreren schwäbischen Städten, dem Erzbischof von Mainz u. dem Grafen von Württemberg ein Schutzbündniß zu Marbach auf 5 Jahre, angeblich blos zur Erhaltung der Ruhe u. unter dem ausdrücklichen Vorbehalt des Gehorsams gegen den Kaiser. Dennoch bemühte sich dieser, das Bündniß aufzulösen, was ihm indeß nicht gelang. Mit Hülfe seiner Bundesgenossen bekriegte Bernhard 1408 den Herzog Friedrich von Österreich, eroberte dessen Schlösser in der Markgrafschaft Burgau u. nöthigte ihn, sie bei dem Frieden von 1410 wieder auszulösen. 1412 stand er dem Herzog von Lothringen gegen die Herzöge von Berg u. Jülich u. die Grafen von Nassau bei; 1415 ging er zur Kirchenversammlung nach Kostnitz, unterstützte den Kaiser Siegmund mit Geld, wurde Landvogt von Breisgau u. kaufte die Grafschaft Hochberg. Die Landvogtei Breisgau mußte er später an den früheren Besitzer, Herzog Friedrich von Österreich-Tyrol, zurückgeben. Da die Stadt Freiburg eine Anzahl seiner Unterthanen als Bürger aufgenommen hatte, so legte Bernhard mehrere Zölle an, die ihr vielen [144] Schaden brachten, so wie auch der Rheinzoll dieser u. andern Städten höchst lästig fiel. Nach mehreren Versuchen, diese Streitigkeiten friedlich beizulegen, überzogen endlich der Kurfürst von der Pfalz, der Herzog von Württemberg u. der Bischof von Speier Bernhard mit Krieg, verheerten sein Land u. belagerten ihn endlich in Mühlberg. In Folge des durch die Vermittelung des Kaisers Siegmund zu Stande gekommenen Friedens wurden die streitigen Zollstätten aufgehoben u. den Städten die Aufnahme badischer Unterthanen als Bürger verboten. Eine spätere Fehde mit der Pfalz wurde 1.129 durch den Kurfürsten von Mainz beigelegt. Bernhard st. 1431. Er hatte durch Verbesserung der Rechtspflege u. Lehnsverhältnisse, so wie durch Entgegenarbeiten der Zerstückelung der Gerichtsbarkeit, viel Gutes gestiftet. Sein Nachfolger war Jakob, sein Sohn, ein gleich guter u. gelehrter Regent. Seit 1425 schon hatte ihm sein Vater die Regierung der Herrschaft Hochberg übertragen. Mit Katharina von Lothringen vermählt, stand er 1429 seinem Schwiegervater, dem Herzog von Lothringen, gegen die Stadt Metz bei; schloß 1430 ein Bündniß mit Freiburg u. vereinigte die Grafschaft Sponheim, nachdem das dortige Regentenhaus erloschen war, mit B. Obgleich er sich über den Besitz derselben mit Kurpfalz u. dem Grafen von Veldenz verglichen hatte, gerieth er dennoch mit Kurpfalz in Streitigkeiten, die betreffenden Streitfragen dauerten bis in die Mitte des 18. Jahrh. fort u. lebten in neuerer Zeit sogar wieder auf. Die Herrschaften Lahr u. Mahlberg brachte Jakob 1442 pfandweise an sich u. 1446 wurde er mit den Reichsbesitzungen in denselben von dem Kaiser belehnt. Zu derselben Zeit trat er einem Bündniß mehrerer Reichsfürsten gegen die Schweiz bei, vermittelte aber kurz darauf den Frieden; 1448 unterstützte er den Markgrafen Albrecht von Brandenburg gegen Nürnberg u. 1449 den Grafen Ulrich von Württemberg gegen Eßlingen. Jakob st. 1453, u. ihm folgten seine drei ältesten Söhne Karl, Bernhard II. u. Georg, die das Land unter sich theilten. Karl erhielt die Stadt Baden, Hochberg u. Höhingen, Bernhard Pforzheim u. Georg Durlach. Nachdem Georg 1454 sich dem geistlichen Stande gewidmet u. Bernhard 1458 in Italien gestorben war, erhielt Karl I. die Alleinherrschaft in B., da auch die beiden jüngern Söhne Jakobs, Johann u. Marcus, schon früher in den geistlichen Stand getreten waren. Mit einer Schwester des Kaisers Friedrich III. vermählt, hatte Karl schon als Prinz an mehreren Kriegen tapfer Theil genommen; zum Alleinbesitz des Landes gekommen, wurde er für den schwachen Kaiser noch öfters in Kriege verwickelt, bes. mit Kurfürst Friedrich dem Siegreichen von der Pfalz wegen der Wiederbesetzung des Erzbisthums von Mainz (s.d., Gesch.), wo Karl mit dem Kaiser Anfangs für Diether von Isenburg, später aber, als sich der Papst gegen diesen erklärte, für Adolf von Nassau war. Gerade umgekehrt handelte der Kurfürst von der Pfalz. Karl fiel 1462 in der Pfalz ein, aber der Kurfürst schlug den 30. Juni 1462 bei Seckenheim die vereinigten Badener u. Württemberger vollständig u. nahm alle Anführer, den Markgrafen von B., den Grafen von Württemberg u. mehrere andere Grafen u. Herren gefangen. Nur nach langen Unterhandlungen, gegen 20000 Fl. Lösegeld u. gegen Verpfändung der Grafschaft Sponheim, Kreuznachs, zweier Städte u. mehrerer Dörfer, erhielt Karl seine Freiheit wieder. Dazu trat er das Einlösungsrecht auf Heidelsheim u. Eppingen ab mußte dem Bündniß mit Württemberg entsagen u. die Stadt Pforzheim von der Pfalz zur Lehn nehmen. Unter ihm wurde zu Pforzheim die erste Druckerei in B. angelegt. Ein entschiedener Gegner der Fehmgerichte, schloß er zu ihrer Aufhebung ein Bündniß mit Österreich, Kurpfalz u. anderen Fürsten, erreichte jedoch sein Ziel nicht. Besonderes Verdienst erwarb er sich um die Aufrechthaltung des Landfriedens u. die Sicherheit der Straßen. Karl st. 1475. Sein Sohn Christoph I. regierte Anfangs im Verein mit seinem Bruder Albrecht, der sich aber 1476 mit der Grafschaft Hochberg begnügte. Albrecht blieb 1488 bei der Belagerung von Damm, ohne Kinder zu hinterlassen, u. Hochberg fiel daher zurück. In dem Krieg des deutschen Kaisers gegen Burgund 1475 that sich Christoph hervor, eroberte in dem Kriege gegen Frankreich 1479 Luxemburg u. trug dann bei der Empörung der Niederländer gegen Maximilian I. 1488 viel zu dessen Befreiung aus Brügge bei, weßhalb er von diesem zum Statthalter von Luxemburg u. Chiney ernannt u. mit mehreren niederländischen Herrschaften, welche der Dynast Gerhard von Rodemachern verwirkt hatte, belohnt wurde. Diese Besitzungen blieben dem Hause B. bis zum Ende des 18. Jahrh. In dem Streit mit dem Landgrafen von Hessen wegen der Grafschaft Katzenellnbogen zeigte sich Christoph uneigennützig, auch nahm er an dem Kriege des Kaisers Maximilian 1505 gegen die Pfalz keinen Theil, obgleich er durch ihn zu Allem wieder hätte gelangen können, was sein Vater an Kurpfalz verloren hatte. Dagegen vereinigte er Hochberg-Sausenberg mit B., als der letzte Markgraf dieser Seitenlinie 1503 st. Er traf für das Innere mehrere polizeiliche Anstalten, hielt den Landfrieden aufrecht, gab Städten u. Dörfern Gemeindeordnungen, ließ die Gesetze sammeln u. ordnen, hob die Fehmgerichte auf, vermehrte die Schulen u. setzte eine Erbordnung fest. Im Jahre 1511 machte er ein Testament, in welchem er die Theilung des Landes unter seine drei Söhne verordnete, u. 1515 errichtete er eine gesetzliche Bestimmung (Pragmatische Sanction von Baden), in welcher er den Landesantheil jedes seiner Söhne bestimmte, die Aussteuer der Prinzessinnen ordnete, den Verkauf von Landes. heilen verbot u. die Verpfändung derselben erschwerte. Kurz darauf verfiel er in eine Geisteskrankheit, in deren Folge seine Söhne die Regentschaft führten, u. st. 1527.

B) Baden Hochberg. Nach Hermanns IV. Tode 1190 (s. oben A.) kam die Grafschaft Hochberg an Hermanns zweiten Sohn Heinrich I. Dieser regierte bis 1231, u. ihm folgte dann sein tapferer u. frommer Enkel Heinrich II. Dieser war ein treuer Anhänger des Kaisers Rudolf I., der ihm hauptsächlich den Sieg über König Ottokar verdankte. Heinrich II. schenkte das Dorf Heitersheim dem Johanniterorden u. trat 1290 selbst in denselben, nachdem er die Regierung seinen Söhnen Heinrich III. u. Rudolf übergeben hatte. Diese regierten bis 1300 gemeinschaftlich, dann theilten sie das Land so, daß Heinrich III. Hochberg u. Rudolf Sausenberg nahm. a) Baden Hochberg-Hochberg. Heinrich III. starb 1330. Sein Sohn[145] war Heinrich IV., der einen Theil des Stifts Andlau kaufte u. 1352 mit der Niedern Herrschaft Usenberg belehnt wurde. Über diese kam er mit dem Herzog Rudolf von Österreich in Händel, dem 1365 ein Schiedsgericht die Herrschaft zusprach. Da Heinrich IV. dennoch nicht nachgab, wurde die Reichsacht über ihn verhängt, in welcher er 1369 starb. Sein Sohn Otto I. vermehrte das Land durch Ankäufe; er fand 1386 in der Schlacht von Sempach den Tod u. hinterließ das Land seinen Söhnen Johann u. Hesso, die es nochmals theilten. Hesso erbte 1400 die Usenbergischen Allodialgüter, erhielt vom Kaiser den Rheinzoll zu Weißweil u. vereinigte, da sein Bruder 1408 ohne Kinder starb, dessen Landesantheil mit dem seinigen. Dennoch hinterließ er bei seinem Tode 1410 seinem Sohne Otto II. eine so große Schuldenlast, daß dieser sich genöthigt sah, 1415 sein Land für 80,000 Fl. an den Markgrafen von B. zu verkaufen. Mit Otto II. erlosch 1418 die Linie B.-Hochberg-Hochberg. b) Baden Hochberg-Sausenberg. Rudolf I., Stifter dieser Linie 1300, erbte 1301 einen Theil der Herrschaft Röteln u. st. 1314. Er hinterließ 3 Söhne, Heinrich, Rudolf II. u. Otto, die gemeinschaftlich regierten. Heinrich st. schon 1326 kinderlos, auch Otto (st. 1384) hinterließ keine Erben u. Rudolf II. pflanzte die Linie fort. 1315 fiel auch der übrige Theil von Röteln an Sausenberg. Rudolf II. st. 1352. Sein Sohn Rudolf III. regierte Anfangs unter der Vormundschaft seines Oheims Otto, von 1364 an mit ihm gemeinschaftlich u. von 1384 an allein. Er st. 1428. Sein Sohn war Wilhelm, der als Landvogt von Elsaß mit in den Krieg zwischen Österreich u. der Schweiz verwickelt u. dadurch in so große Schulden gestürzt wurde, daß er einen Theil seines Gebiets verpfänden mußte. Dies bewog ihn wahrscheinlich, die Regierung des größten Theils seiner Länder an seine Söhne abzutreten u. sich an den kaiserlichen Hof zu begeben, wo er 1473 st. Rudolf IV. u. Hugo, Wilhelms Söhne, regierten von 1441 an selbständig u. zwar gemeinschaftlich, doch st. Hugo bald darauf. Rudolf IV. vergrößerte sein Gebiet durch die Grafschaft Neuenburg (Neufchatel) in der Schweiz, die er 1457 von dem Grafen Johann von Freiburg erbte, sowie auch durch Ankäufe u. Wiedereinlösung verpfändeter Districte. Sein Sohn Philipp, welcher ihm 1.187 folgte, hatte früher im Heere Karls des Kühnen von Burgund gefochten, sich aber dann auf die Seite der Franzosen gewendet; er schloß 1490 den Rötelnschen Erbvergleich mit Baden-Baden, weil er keine Söhne hatte, u. st. 1503, worauf Sausenberg an B. zurückfiel. Seine Tochter Johanna vermählte sich 1504 mit dem Herzog Ludwig von Longueville, dem sie die Grafschaft Neuenburg u. die Herrschaften St. Georg u. St. Croix als Heirathsgut zubrachte.

IV. Baden nach der zweiten Theilung in Baden-Baden u. Baden-Durlach bis zur Wiedervereinigung, 1529–1771. Die Wiedervereinigung sämmtlicher badischer Lande nach dem Tode des Markgrafen Philipp 1503, dauerte nur bis zum Tode Christophs I. 1527. Seine Söhne theilten sich in das väterliche Erbe in der Art, daß Bernhard III. einen Theil von Sponheim u. die Luxemburgischen Herrschaften, Philipp den größten Theil von B. u. Ernst die Lande Hochberg u. Sausenberg mit Pforzheim u. Durlach erhielt. Als Philipp 1533 ohne Erben st., wurde das Land von Neuem getheilt. Diese Theilung verursachte einen Streit zwischen beiden Brüdern, der durch den Kurfürsten von der Pfalz geschlichtet wurde, Bernhard erhielt die Obere Grafschaft im STheile, Baden-Baden mit der Hauptstadt Baden; Ernst bekam die Uniere Grafschaft im NTheile des Landes, Baden-Durlach, mit der Hauptstadt Durlach. Von dem Letzteren stammt das jetzt regierende Großherzogliche Haus ab. A) Baden-Baden. Bernhard III., der zweite Sohn Christophs, unterstützte den Protestantismus u. bekannte sich öffentlich zur Evangelischen Lehre. Er starb 1536, einen einzigen. Sohn, den einjährigen Philibert, hinterlassend; nach seinem Tode wurde noch Prinz Christoph geboren. Philibert stand bis zum 19. Jahre unter der Vormundschaft des Herzogs Wilhelm von, Baiern u. des Pfalzgrafen von Simmern; 1555 mündig geworden, trat er an seinen Bruder die Luxemburgischen Herrschaften Rodemachern, Hörspringen, Uffeldingen u.a. ab. a) Baden-Baden. Der kriegerische Philibert führte 1566 die Reichsvölker nach Ungarn gegen die Türken. Als Protestant wollte er in Frankreich für die Hugenotten kämpfen, aber Kaiser Maximilian II. u. König Karl IX. von Frankreich wußten ihn umzustimmen, so daß er, dem es mehr um den Krieg, als um die Sache zu thun war, sich gegen seine Glaubensgenossen wandte. Bei der Schlacht von Moncontour, die am 3. Octbr. 1569 durch ihn gewonnen wurde, erhielt er eine Verwundung, die den Tod zur Folge hatte. Sein 10jähriger Sohn Philipp II. stand unter der Vormundschaft des Herzogs Albrecht V. von Baiern, seiner Großmutter Jakoba von Baiern u. des Grafen von Hohenzollern-Sigmaringen. Gegen diese Vormundschaft erklärte sich der Markgraf Karl II. von Baden-Durlach, u. um den Streit zu endigen, erklärte der Kaiser schon 1571 den noch nicht 13jährigen Philipp für mündig. Markgraf Philipp II., von seinen Vormündern in der Katholischen Religion erzogen, führte diese in seinem Lande wieder ein u. entließ alle Beamten, welche sich diesem Wechsel widersetzten. Durch Abschaffung vieler Mißbräuche im Jagd u. Forstwesen, Annahme des verbesserten Kalenders u. Pflege der Wissenschaften machte er sich um sein Land verdient. Sein großer Aufwand, besonders auf Reisen, stürzten ihn aber tief in Schulden. Da er 1588 unvermählt starb, fiel das Land an die Linie Rodemachern. b) Baden-Rodemachern Christoph II., Bernhards III. zweiter Sohn, Philiberts Bruder, trat, als er 1556 mündig geworden war, die Regierung an seinen Bruder Philibert gegen ein Jahrgeld von 4000 Gulden ab u. begab sich auf Reisen. Von 1557 war er in den Niederlanden u. wohnte den Feldzügen der spanischen Armee bei, bis er 1561 nach Schweden ging, wo er sich 1564 mit einer Schwester des Königs Erich XIV. von Schweden vermählte. Hierauf kehrte er nach Rodemachern zurück, baute ein Schloß u. machte großen Aufwand; 1565 reiste er nach London, wo ihn die Königin Elisabeth ehrenvoll aufnahm, häufte dort Schulden auf Schulden u. konnte 1566 das Land nicht eher verlassen, als bis die Königin für ihn Bürgschaft geleistet hatte. 1566 erbte er die Herrschaften Useldingen, Pittingen u.[146] Roußzy, aber da er seinen Aufwand nicht einschränkte u. durch die Religionsunruhen auch sein Land litt, so kam er immer tiefer in Schulden u. ging endlich nach Schweden, wo ihm sein Schwager, König Johann III., die Insel Ösel zu Lehn gab. Erst nach mehreren Jahren kehrte er nach Deutschland zurück u. st. 1575. Sein Sohn Eduard Fortunat folgte ihm unmündig, u. als ihm 1588 Baden-Baden zufiel, übernahm er dieses (von ihm wird weiter unten die Rede sein), u. trat B-Rodemachern seinen Brüdern, besonders Philipp III., ab. Dieser wollte 1600 nach Eduards Tode dessen Lande, die in den Händen B-Durlachs waren, erobern, ward aber gefangen u. st. 1615 zu Hochberg in Haft. Ihm folgte Eduard Fortunats zweiter Sohn Hermann Fortunat; dieser hinterließ mehrere Söhne, welche aber sämmtlich kinderlos starben. Mit einem derselben, Karl Wilhelm Eugen, erlosch 1666 die Linie Baden-Rodemachern u. die Luxemburgischen Herrschaften fielen nun an Baden-Baden zurück. – Baden-Baden ward unterdessen von Eduard Fortunat (s. oben) regiert. Dieser war, 10 Jahre alt, unter der Vormundschaft des Herzogs Albert IV. von Baiern zur Regierung über Rodemachern gekommen, u. von ihm in der Katholischen Religion erzogen worden, weshalb er dann dieselbe in Baden-Baden bestehen ließ; er hatte 1587 den zum Könige von Polen erwählten Prinzen Siegmund von Schweden nach Polen begleitet, dort den Anfall von Baden-Baden durch seines Oheims Tod erfahren u. sogleich Rodemachern an seine Brüder abgetreten. Er ging nun auf Reisen, vermählte sich in den Niederlanden mit Maria von Eicken, der Tochter des Hofmarschalls des Prinzen von Oranien, u. kehrte erst nach langer Abwesenheit in sein Land zurück. Dann bewirkte er, trotz der Unebenbürtigkeit seiner Gemahlin, die Anerkennung der Erbfähigkeit seiner Söhne u. erklärte laut Testament von 1594 den ältesten Prinzen Wilhelm zu seinem Nachfolger. Seine Verschwendung nahm immer zu, u. als aller Credit erschöpft war, ließ er sogar falsche Münzen prägen. Seine Gläubiger brachten es endlich bei dem Kaiser Rudolf II. dahin, daß dieser durch die Herzöge von Baiern u. Lothringen das Land besetzen u. sequestriren ließ. Der Markgraf Ernst Friedrich von Baden-Durlach bemächtigte sich jetzt der Oberen Markgrafschaft, damit diese seinem Stamme nicht entrissen werde. Eduard Fortunat aber trat in die Dienste des Erzherzogs Albrecht von Österreich, focht erst gegen die Niederländer, dann 1598 gegen die Polen u. st. endlich 1600 im Schlosse Kastelmar auf dem Hundsrück in Folge eines unglücklichen Falles. Sein Sohn Wilhelm, damals 7 Jahr alt, der an dem Hofe des Erzherzogs Albrecht erzogen wurde, hätte nun in der Regierung folgen sollen, aber der Markgraf von Baden-Durlach bestritt sein Recht, wegen Unebenbürtigkeit, u. behielt die Obere Markgrafschaft besetzt. Wilhelms Oheim, Philipp, versuchte sich des Landes zu bemächtigen, wurde aber gefangen u. st. nach 15jähriger Hast auf Hochberg. Wilhelm lebte nun in Brüssel ohne Aussicht, das Erbe seines Vaters wieder zu erhalten, bis der Markgraf von B-Durlach, der sich gegen den Kaiser erklärt hatte, 1622 bei Wimpfen gänzlich geschlagen worden war. Er mußte nun Wilhelm nicht nur Baden-Baden zurückgeben, sondern sollte ihm auch alle bisher daraus gezogenen Renten ersetzen. Da dieses unmöglich war, so verglichen sich die Fürsten dahin, daß Durlach einige Ämter pfandweise an Baden-Baden abtrat. Eine Hauptbedingung, unter welcher Markgraf Wilhelm seine Erbstaaten vom Kaiser wieder erhalten hatte, war die, daß er die Katholische Religion wieder in demselben einführen sollte, da nach der Besitznahme des Landes durch Durlach die Evangelische Confession dort wieder herrschend geworden war. Er erfüllte sein Versprechen gewissenhaft, vertrieb die protestantischen Geistlichen u. errichtete zu Baden u. Ettlingen Jesuitencollegien. Im 30jährigen Kriege diente er als General in dem kaiserlichen Heere, wurde von den Schweden unter Horn 1632 bei Schlettstädt geschlagen u. verlor sein Land, welches mit Baden-Durlach vereinigt wurde. Der Markgraf ging nun nach Innsbruck, wo er bis nach der Nördlinger Schlacht (1634) blieb. Durch diese kam er wieder in Besitz der Obern Markgrafschaft u. erhielt nun auch noch die Durlachschen Lande, in deren Besitz er bis zum Westfälischen Frieden blieb. 1641 schloß er einen Vertrag mit Frankreich, der ihm zwar den Besitz des Landes, dieses aber nicht vor Verheerungen sicherte. Durch Ordnung, Gesetzlichkeit u. strenge Sparsamkeit suchte Wilhelm nach dem Westfälischen Frieden, in Folge dessen Durlach wieder mit seinen Ländern vereinigt ward, dem bedrängten Volke wiederaufzuhelfen. 1661 sendete er dem Kaiser Hülfsvölkergegen die Türken zu, welche sein 2. Sohn Leopold Wilhelm anführte. Er st. 1677, am Schlusse des 2. Kriegs Ludwigs XIV. gegen den Kaiser (1673–78), in welchem Baden besonders viel zu leiden hatte. Da Wilhelms letzter Sohn, Ferdinand Maximilian, 1669 gestorben war, so folgte dessen Sohn Ludwig Wilhelm seinem Großvater, ein väterlicher Regent. Durch den Nymweger Frieden 1678 verlor Baden-Baden Gräfenstein, Sponheim, die Luxemburgischen Herrschaften u. mehrere Städte, welche von den Reunionskammern für Frankreich in Beschlag genommen worden waren. Als kaiserlicher Feldmarschalllieutenant focht Ludwig vor u. in Wien 1683 u. in Ungarn, erhielt 1689 den Oberbefehl in Ungarn gegen die Türken u. leistete mit geringen Kräften sehr viel. Nach den Siegen bei Nissa u. Szalankemen wurde er zum Feldzeugmeister ernannt. 1693 erhielt er das Commando der Reichsarmee am Oberrhein, wo er aber gegen die Franzosen wenig auszurichten vermochte u. sich hinter verschanzten Linien in der Defensive hielt. Sein Land ward währenddem von den Franzosen verwüstet, das Schloß in Baden 1688 verbrannt, u. Jahre gehörten dazu, die Spuren dieses Raubzuges zu verwischen. Im Ryswicker Frieden 1697 erhielt zwar Baden-Baden die ihm durch den Frieden von Nymwegen entrissenen Lande wieder, aber von einer andern Entschädigung war nicht die Rede; doch wurden 1699 Kehl, die Herrschaft Lahr u. die Markgrafschaft Burgau dem Markgrafen zugesprochen u. ihm auch die Landvogtei Ortenau auf Lebenszeit überlassen. Ludwig Wilhelm, dem um diese Zeit eine Bewerbung um die polnische Königskrone fehlschlug, verlegte nun seine Residenz nach Rastadt, wo er ein Schloß erbaute. Der Spanische Erbfolgekrieg rief den Markgrafen wieder unter die Waffen. Er that an der Spitze der Reichsvölker sein Möglichstes, war aber stets durch[147] den langsamen Geschäftsgang der deutschen Stände u. das späte Eintreffen ihrer Contingente gehemmt; dabei vertrug er sich nicht ganz mit Eugen u. Marlborough u. fühlte sich durch den Undank des Kaisers oft gekränkt. Der Krieg führte für sein Land selbst nur Noth u. Leiden mit sich. Er st. 1707 u. hinterließ von Auguste von Sachsen-Lauenburg drei Söhne, Wilhelm Georg (st. schon das folgende Jahr), August Georg u. Ludwig Georg, welcher Letztere unter der Vormundschaft seiner Mutter u. des Herzogs von Lothringen seinem Vater in der Regierung folgte. Bis zum Rastadter Frieden 1714 hatte das Land noch viel zu leiden, es wurde öfters von den Franzosen überschwemmt u. hart mitgenommen. Nach dem Frieden, durch welchen Baden seine Niederländischen Besitzungen, aber als französische Lehen, wieder erhielt, befleißigte sich die Markgräfin vorzüglich der Ordnung, Sparsamkeit u. Bezahlung der Schulden u. ließ die Schlösser Rastadt u. Favorite erbauen. Erst 1727 trat Ludwig Georg die Regierung selbst an. Obgleich er gut erzogen, hochgebildet u. vom besten Geiste beseelt war, vermochte er doch seine große Jagdleidenschaft, die dem Landmann eine drückende Last auferlegte, nicht zu mäßigen; doch hielt er strenge Ordnung in den Finanzen u. löste die Herrschaft Heerspringen wieder ein. Während des Polnischen Thronfolgekrieges 1783 wurde B. wieder von den Franzosen besetzt, u. der Markgraf flüchtete auf seine Böhmischen Güter, wo er bis zum Frieden blieb. Er stiftete nach seiner Rückkehr mehrere Piaristenklöster u. st. 1761. Da seine zwei Söhne gestorben waren, so folgte ihm sein jüngerer Bruder August Georg, damals schon 55 Jahr alt, der früher für den geistlichen Stand bestimmt, später in niederländische, darnach in österreichische Dienste getreten u. 1758 kaiserlicher Generalfeldmarschall geworden war. Er sorgte für Verbesserung der Schulen, gründete eine Feuerversicherungsanstalt u. eine Beamtenwittwenkasse; 1765 schloß er mit Baden-Durlach eine Erbvereinigung, die gegenseitig freie Religionsübung versprach. Er st. 1771, zwar vermählt, aber kinderlos, u. so fiel Baden-Baden an Baden-Durlach.

B) Baden-Durlach 1527–1771. Der Markgraf Ernst, der siebente Sohn Christophs I., erhielt in der ersten Theilung 1515 die Markgrafschaften Hochberg u. Sausenberg mit mehreren Städten, u. 1533 nach seines Bruders Philipp Tode die Untere Markgrafschaft, die nach der Residenz des Fürsten erst Baden-Pforzheim genannt wurde. Sein Antheil war beträchtlicher, als der seines Bruders Bernhard, des Markgrafen von Baden-Baden, u. um dieses auszugleichen, mußte Durlach an B. jährlich ein Quantum von Wein u. Getreide abgeben. Ernst erhielt durch gute Polizeianstalten Ruhe, that viel für Schulen, u. wenn auch der Bauernaufstand in seinem Lande, wie im übrigen SDeutschland, ausbrach, so stillte er ihn doch durch Milde früher als dies anderswo der Fall war. Er neigte sich auf die Seite der Protestanten, wünschte aber eine offene Trennung von der Katholischen Kirche zu vermeiden. Auf den Reichstagen zu Worms u. Augsburg that er deshalb sein Mögliches, die Parteien zu versöhnen. Als aber seine Hoffnungen wegen einer Kirchenversammlung nicht in Erfüllung gingen, beförderte er im Stillen die Ausbreitung der Evangelischen Lehre. So ließ er in Pforzheim eine deutsche Bibel nach Luthers Übersetzung drucken u. ausbreiten u. verwarf den Cölibat, nahm aber an dem Schmalkaldischen Bunde keinen Antheil. Er st. 1553. Seine beiden ältesten Söhne von Ursula v. Rosenfeld, Albrecht u. Bernhard, waren vor ihm gestorben. Der dritte, Karl, erbte daher allein das Land, bekannte sich offen zum Protestantismus, führte ihn in seinem Lande ein u. hob alle Klöster auf, deren Einkünfte zu Gemeinzwecken verwendet wurden. 1565 verließ er Pforzheim, seine bisherige Residenz, weil die Bürger sich weigerten, die Jagdfrohnen zu leisten, u. zog nach Durlach. Hier nahm er den Namen Baden-Durlach an u. baute die Karlsburg. Bei aller Anhänglichkeit an die Reformation schickte Karl doch dem König Karl IX. von Frankreich Hülfstruppen gegen die Hugenotten, theils weil er sie als Empörer betrachtete, theils weil er den Calvinisten sehr abgeneigt war, u. focht selbst 1566 in der Schlacht von Moncontour mit. Mit dem Herzog von Longueville wurde er wegen des Allodiums. von dessen Großmutter in einen Proceß vor dem Reichkammergericht vermittelt. 1568 erhielt er die Mitvormundschaft über Ludwig von Württemberg, dagegen entzog ihm der Kaiser 1571 die Ansprüche auf die Vormundschaft über seinen Neffen Philipp von Baden-Baden durch Mündigerklärung desselben im 13. Jahre. Er st. 1577 u. hinterließ drei unmündige Söhne, Ernst Friedrich, Jakob u. Georg Friedrich, welche das Land, seiner Verordnung nach nicht theilen, sondern gemeinschaftlich regieren sollten; sie standen bis 1584 unter Vormundschaft ihrer Mutter, des Kurfürsten von der Pfalz, des Pfalzgrafen von Neuburg u. des Herzogs von Württemberg, während welcher Zeit der Proceß mit dem Herzog von Longueville verglichen wurde. Mündig geworden, theilten die Brüder, ungeachtet des Verbotes ihres Vaters, das Land, u. zwar erhielt Ernst Friedrich die Untere Markgrafschaft mit den Herrschaften Besigheim, Altensteig u. Mündelheim, Jakob Hochberg u. Sulzburg, Georg Friedrich aber Röteln, Sausenberg u. Badenweiler. a) Jakob, Markgraf von Baden-Hochberg, der sich unter Alexander von Parma als Feldherr auszeichnete, ging zur Katholischen Religion über; st. 1590 u. wenige Monate später sein einziger Sohn. b) Ernst Friedrich, Markgraf von Baden-Durlach, wußte durch Muth u. Energie die Mängel auszugleichen, welche in Folge einer unverständigen Erziehung an ihm hafteten. Er mischte sich in den Bischofsstreit zu Straßburg u. unterstützte den evangelischen Bewerber Georg von Brandenburg gegen den katholischen Karl von Lothringen, wodurch er die an B. verpfändete Herrschaft Bitsch in Lothringen verlor. 1594 besetzte er Baden-Baden, da es für die Gläubiger des Markgrafen Eduard Fortunat sequestrirt werden sollte (s. oben), u. behielt es später für sich. 1588 stiftete er das Gymnasium zu Durlach u. 1588 den Orden von der Blauen Binde. Von seiner Absicht, zum Reformirten Glauben überzutreten u. denselben in seinem Gebiete einzuführen, stand er, da es darüber zu Unruhen kam, ab. Da er 1604 ohne männliche Nachkommen st., so fiel das Land wieder an seinen jüngsten Bruder c) Georg Friedrich von Baden-Sausenberg, einen tapferen u. wohlunterrichteten Fürsten. Als Georg Friedrich nach seines Bruders Tode das ganze Land B. unter seinem Scepter vereinigte, erhob der Markgraf [148] Philipp von Baden-Rodemachern Ansprüche auf Baden-Baden u. suchte es selbst mit Waffengewalt für seinen Neffen Wilhelm an sich zu bringen. Georg Friedrich nahm ihn 1600 gefangen u. erhielt nun vom Kaiser die Belehnung mit Baden-Baden, unter der Bedingung, nichts in dem Religionswesen zu ändern. Die Spannung zwischen beiden Religionsparteien hatte bei seinem Regierungsantritt die höchste Stufe erreicht; die Stände jeder Partei schlossen Bündnisse, u. auch B. trat 1608 der Evangelischen Union (s.d.) zu Ahausen u. 1610 dem Schwäbischen Bunde bei, dessen Zweck es war, die Herzogthümer Jülich u. Kleve ihren Erben zu erhalten, denen sie der Kaiser entziehen wollte (s. Klevesche Erbschaft). Nach dem Tode des Kaisers Rudolf II. versuchte Kaiser Matthias den Markgrafen zu einem Vergleiche mit dem Sohne Eduard Fortunat's zu bewegen, indem er die Luxemburgischen Herrschaften abtreten u. dagegen Baden-Baden behalten sollte, aber Georg Friedrich schlug 1618, auf einen 1617 geschlossenen Vertrag mit Friedrich V. von der Pfalz gestützt, diesen Vertrag aus u. behielt sein für die Union geworbenes Heer von 15,000 M. Die Union unterstützte aber Friedrich V. von der Pfalz in Böhmen nicht, sondern mußte auf Befehl des Oberfeldherrn derselben, des Kurfürsten von Brandenburg, sich an den Rhein erst gegen Spinola, dann gegen den Erzherzog Leopoldwenden, während welcher Zeit Böhmens Schicksal entschieden wurde. Nach Friedrichs V. Fall suchten die Mitglieder der Union sich mit dem Kaiser einzeln zu vertragen, aber Georg Friedrich blieb fest bei der pfälzischen Sache, verstärkte seine Armee bis auf 18,000 M. u. beschloß den Kampf fortzusetzen. Um indeß seinem Lande, falls er unterläge, alle Verantwortung zu ersparen, trat er den 12. April 1622 die Regierung an seinen ältesten Sohn Friedrich ab u. begann hierauf den Feldzug. Der Markgraf Friedrich V. erklärte sogleich nach Antritt der Regierung sein Land für neutral, während sein Vater durch die Pfalz gegen Heilbronn vorrückte; bei seinem Heere befanden sich die Prinzen Wilhelm u. Bernhard von Sachsen-Weimar u. Magnus von Württemberg. Am 7. Mai kam es bei Wimpfen zwischen Tilly u. dem Markgrafen zur Schlacht, Letzter wurde gänzlich geschlagen u. würde, ohne die heldenmüthige Aufopferung der 400 Bürger von Pforzheim, die unter dem Bürgermeister Deimling bis auf den letzten Mann fielen, selbst in feindliche Hände gefallen sein. Einige Zeit lang setzte der Markgraf den Krieg noch fort, dann zog er sich auf das Schloß Hochberg zurück, wo er blieb, bis 1627 der König Christian IV. von Dänemark für die Protestanten das Schwert ergriff. Georg Friedrich zog ihm mit einem schnell geworbenen Heere zu Hülfe, wurde aber von Schlick im Holsteinischen geschlagen u. ging nun erst nach Genf, dann nach Straßburg, wo er 1638 st. 1615 hatte er ein badisches Hausgesetz gegeben, alle Landestheilung verboten u. das Recht der Erstgeburt festgesetzt. Die Niederlage bei Wimpfen hatte traurige Folgen für B. gehabt, die der Markgraf Friedrich V. durch seine Neutralitätserklärung nicht abwenden konnte. Er mußte die Markgrafschaft Baden-Baden an den Sohn Eduard Fortunat's wieder herausgeben u. sich zu einer Entschädigung für die Nutznießung des Landes verstehen (s. oben). Dazu verheerten die Kaiserlichen das Land, Friedrich V. mußte selbst flüchtig werden, u. das Restitutionsedict vermehrte die Verwirrung. Erst als Gustav Adolf von Schweden 1631 vordrang, erklärte sich Friedrich sogleich für ihn u. verband die Obere Markgrafschaft wieder mit Durlach, aber nach der Schlacht bei Nördlingen 1634 fiel ganz B. abermals an Baden-Baden, die Katholische Religion wurde wieder eingeführt, u. der Markgraf flüchtete nach Straßburg, wo er bis zum Westfälischen Frieden 1648, in welchem er B.-Durlach wieder erhielt, verblieb. Friedrich V. that Alles, was in seinen Kräften stand, um die Wunden seines durch den Krieg verwüsteten Landes zu heilen. Wegen der Allodialbesitzungen seiner Gemahlin, Anna Maria von Hohengeroldseck, kam er mit Österreich, Nassau u. Württemberg mehrfach in Weiterungen. Er st. 1659, u. sein ältester Sohn Friedrich VI., der sich schon unter Herzog Bernhard von Weimar u. Karl Gustav von Schweden in Deutschland u. Polen einen großen Feldherrnruhm erworben hatte, folgte ihm in der Regierung, die er mit treuer Erfüllung seiner Regentenpflichten führte. 1633 zog er mit einem Reichsheere nach Ungarn gegen die Türken u. in dem Kriege, der 1674 gegen Frankreich ausbrach, wurde er Reichsfeldmarschall. Er sorgte für Vermehrung der Reichsarmee, eroberte 1676 Philippsburg, st. aber mitten unter großen Zurüstungen für den nächsten Feldzug, vornehmlich für die Einnahme von Breisach im Januar 1677. Das Land fiel an seinen ältesten Sohn Friedrich VII. den Großen. Die ersten Jahre seiner Regierung verflossen unter Krieg, der 1679 durch den Frieden von Nymwegen geendigt wurde. Kaum war das erschöpfte Land durch die weisen Regierungsmaßregeln des Markgrafen in etwas wieder zu Kräften gekommen, als der Krieg von 1688 ausbrach, in welchem die Franzosen unter Melac Baden abermals verheerten. Die Städte Ettlingen, Pforzheim, Steinbach, Durlach, selbst das fürstliche Schloß nicht ausgenommen, wurden ausgeplündert u. niedergebrannt. 1697 nach dem Frieden von Ryswick war die Bevölkerung um ein Viertel vermindert, der Wohlstand vernichtet u. es blieb dem Markgrafen, als er nach dem Frieden von Basel, wo er während des Krieges residirt hatte, nach Durlach zurückkam, kein einziges Schloß zur Wohnung übrig. Unermüdet suchte Friedrich diesen Übeln abzuhelfen, aber der Spanische Erbfolgekrieg (1702) hinderte ihn, seine wohlthätigen Pläne zur Reise zu bringen. Er floh nochmals nach Basel u. st. dort 1709. Karl Wilhelm folgte dem Vater, ein erfahrener Fürst, durch Studien u. Reisen gebildet u. im Felde versucht. Er stellte nach dem Frieden von Baden 1714 die Ordnung in den Finanzen wieder her, hob den Ackerbau durch Einführung des Krapps, Waids u. Türkischen Weizens, stellte mehrere Mißbräuche der Zünfte ab, wodurch die Gewerbe zu neuem Flor kamen, gründete Wohlthätigkeitsanstalten, hielt scharf auf schnelle u. genaue Rechtspflege u. zahlte außerdem noch einen großen Theil der Landesschulden ab. 1715 begann er den Bau des Karlsruher Schlosses, welches Anfangs zu einem Jagdschloß bestimmt war. Seine Unzufriedenheit mit den Bürgern Durlachs bewog ihn, die Gründung einer Stadt, die er Karlsruhe nannte, zu begünstigen; hierher verlegte er die Residenz u. die Landescollegien; die Markgräfin aber blieb in Durlach. Als 1733 im Kriege wegen der Polnischen Thronfolge[149] die Franzosen abermals B. überschwemmten, ging Markgraf Karl nach Basel; die Franzosen hielten diesmal, da er die Neutralitätserklärung erlangt hatte, bessere Mannszucht. Von ihm ward der Orden der Treue gestiftet. Er st. 1738, u. da 1732 auch sein Sohn Friedrich gestorben war, so folgte ihm sein 10jähriger Enkel Karl Friedrich unter der Vormundschaft seines Oheims Christoph u. seiner Großmutter. Beide verwalteten das Land vortrefflich; viele Schulden wurden abgetragen, Kassen u. Magazine gefüllt, Kunststraßen angelegt, öffentliche Bauten ausgeführt u. der lange Streit mit Österreich wegen Sausenberg, Röteln u. Badenweiler zu Gunsten B-s geschlichtet. 1746 trat Karl Friedrich die Regierung an. Unterstützt von dem Rathe zweier vortrefflicher Minister, von Hahn u. von Edelsheim, förderte er Ackerbau, Gewerbe u. Handel, ermäßigte den Land- u. Wasserzoll auf die Hälfte, zog. geschickte Künstler u. Handwerker ins Land, verbesserte die Forstverwaltung durchgreifend, mehrte die Kunststraßen u. stellte durch strenge Polizei die Sicherheit im Lande dauernd her. Auch die Rechtspflege wurde der Zeit anpassender gemacht, indem 1767 die Tortur abgeschafft, eine neue Proceßordnung eingeführt u. die Todesstrafen vermindert wurden. Land- u. Gewerbschulen wurden theils verbessert, theils neu gegründet; ein Schullehrerseminar eingerichtet, eben so eine Schullehrerwittwenkasse, u. der Gehalt der Schullehrer verbessert. Vortreffliche Gesetze steuerten dem Müssiggang, dem Wucher, dem Betrug u. der Bettelei. Karlsruhe u. dessen Schloß wurden weiter ausgebaut, in allen Städten öffentliche Gebäude aufgeführt u. so für das Nützliche u. Schöne zugleich gesorgt.

V. Baden nach der Wiedervereinigung (1771) bis auf die neueste Zeit. A) Die vereinigte Markgrafschaft Baden bis zur Errichtung des Rheinbundes u. Erhebung B-s zum Großherzogthum 1771–1806. Durch den Tod des Markgrafen August Georg von Baden-Baden 1771 fiel diese Hälfte des Landes an Karl Friedrich; er nahm das Land desselben ruhig in Besitz, bis auf die Ortenau u. die Böhmischen Herrschaften, die als erledigte Lehen an Österreich zurückfielen. Die vereinigte Markgrafschaft B. zählte jetzt auf etwa 64 QM. 190,000 Ew. Die Verwaltungsformen, die in Durlach sich so segensreich erwiesen hatten, wurden nun auch schonend nach u. nach in Baden-Baden eingeführt. Mit weiser Toleranz gegen die katholischen Einwohner wurden die Schulen vermehrt u. verbessert, die Jesuiten verbannt u. 1783 die Leibeigenschaft, der Leibschilling, der Todfall u. alle Umzugsabgaben in ganz B. aufgehoben, ferner die Frohnen erleichtert, Sporteln u. Taxen herabgesetzt, die Geldstrafen beschränkt u. Freiheit des Handels u. Gewerbes in den Städten befördert. Die ersten Jahre des Revolutionskrieges berührten B. nur in so weit, als es sein Reichscontingent stellte; am 21. Juni 1796 jedoch ging Moreau bei Kehl über den Rhein, u. nun wurde B. Schauplatz des Krieges. Karlsruhe selbst wurde von den Franzosen besetzt, u. Karl, Friedrich schloß am 25. Juli zu Stuttgart einen Waffenstillstand mit ihnen, auf welchen der Friede zu Paris am 25. August 1796 folgte. B. mußte seine überrheinischen Besitzthümer u. die Festung Kehl (l4 QM. u. 38,000 Ew.) abtreten, 2 Millionen Franken Contribution zahlen u. ungeheuere Lieferungen leisten. Dagegen wurde ihm im allgemeinen Frieden Entschädigung in einem geheimen Artikel zugesichert. B. hielt. den Frieden auch bei der durch den Luneviller Frieden geendigten zweiten Coalition. Durch den Reichsdeputationshauptabschluß vom 25. Juli 1803 erhielt B. als Entschädigung für seine Abtretungen: die Bisthümer Constanz u. Speier, die Abteien Reichenau u. Öhningen, Petershausen, Schwarzach etc., die Ämter Ettenheim, Oberkirch, Bretten, Ladenburg u. Heidelberg mit Heidelberg u. Manheim u. mehrere Reichsstädte, zusammen 60 QM. mit 240,000 Ew. u. zugleich die Kurwürde. Auch Kehl wurde wieder an B. abgetreten u. der Thalweg des Rheins zur Grenze zwischen B. u. Frankreich bestimmt. Das neue Kurfürstenthum B. umfaßte 131 QM. mit 438,000 Ew. u. ward durch Tauschvertrag mit Hessen-Darmstadt noch mehr abgerundet. Es wurde in 3 Provinzen abgetheilt u. überall die badische Verwaltung eingeführt, auch die Universität Heidelberg erhielt eine neue Organisation. 1804 mußte Karl Friedrich die Verletzung des Völkerrechts durch die Verhaftung des Herzogs von Enghien auf seinem Gebiete dulden, u. beim Ausbruch des Krieges von 1805 sah er sich genöthigt, auf französische Seite zu treten. Da der Krieg schnell geendigt wurde, so stießen diesmal noch keine badischen Truppen zur französischen Armee, aber dennoch erhielt der Kurfürst im Frieden von Preßburg den größten Theil des Breisgaues u. der Ortenau, die Stadt Constanz, die Komthurei Meinau, die Herrschaften Ebringen u. Norsingen (46 QM. mit 160,000 Ew.). Am 5. Mai 1806 erklärte sich der Kurfürst als unumschränkter Souverän des Landes, indem er die ständische Verfassung des Breisgaus aufhob, die in dem Alt-Badischen längst erloschen war. Der Kurprinz Karl, Enkel des Kurfürsten, hatte sich im April 1806 mit der Prinzessin Stephanie de la Tascher-Pagerie, einer Adoptivtochter Napoleons, vermählt, u. am 12. Juli d.i. trat der Kurfürst dem Rheinbunde bei, indem er sich verbindlich machte, für denselben ein Contingent von 8000 M. zu stellen. Gleich darauf erhielt er die Grafschaft Bondorf, die Städte Bräunlingen, Villingen u. Tuttlingen, die Komthureien Heitersheim, Beuggen u. Freiburg u. einen Theil der Lande der mediatisirten Fürsten u. Grafen von Leiningen, Löwenstein-Wertheim, Salm u. Auersperg, im Ganzen 100 QM. mit 380,000 Ew. So bestand B. jetzt aus etwa 270 QM. mit einer Bevölkerung von mehr als 800,000 Seelen. Im August 1806 legte der Kurfürst nach Auflösung des Deutschen Reiches seine Kurwürde nieder u. nahm den Titel eines Großherzogs an.

B) Das Großherzogthum Baden bis zu Revolution, 1806–1848. An dem Kriege gegen Preußen u. Rußland (1806–1807) nahm das badische Contingent Theil; eine Brigade ging 1808 nach Spanien u. der Überrest desselben focht 1809 gegen Österreich. Durch diese Kriege wuchsen die Schulden. Der Gebietszuwachs, welchen B. 1809 durch die Besitzungen des aufgehobenen Deutschen Ordens bekam, war nur eine schwache Entschädigung. 1808 übertrug Karl Friedrich einen Theil der Regierung seinem Enkel, dem Erbgroßherzog, u. unter dessen Mitwirkung entstand 1808 die Pragmatische Sanction über Staatsschulden u. Staatsveräußerungen u. 1810 die Verordnung wegen Urbarmachung u. Vertheilung[150] der Gemeindegüter. In demselben Jahre wurde auch der Code Napoléon, aber mit mehreren Veränderungen, in B. eingeführt. Karl Friedrich st. im Juni 1811 im 65. Jahre seiner Regierung, geliebt u. geehrt von seinen Unterthanen, hochgeachtet von allen Zeitgenossen. Nach seinem Tode ging die Regierung an seinen Enkel Karl Ludwig über, dessen Vater, Karl Ludwig, der älteste Sohn des Großherzogs aus erster Ehe, schon 1807 gestorben war. Das Land befand sich damals in einer hart bedrängten Lage, denn ein Theil des Contingents focht in Spanien u. der Rest marschirte 1812 nach Rußland. Viele fanden dort ihren Tod, u. 1813 mußten die Truppen ganz neu organisirt werden, um aufs Neue für Frankreich zu kämpfen. Nach der Schlacht bei Leipzig löste sich der Rheinbund auf, u. nun trat der Großherzog Karl Ludwig, nachdem ihm der Besitz seiner sämmtlichen Staaten garantirt worden war, dem Bunde gegen Frankreich bei. Sein Contingent focht 1814 u. 1815 mit gegen Napoleon. Nach dem zweiten Frieden von Paris wurde das Großherzogthum B. ein Glied des Deutschen Bundes. Es bildete einen zusammenhängenden Staat von 272 QM., mit mehr als 1 Million Ew., aber die Schulden des Landes waren mehr u. mehr angewachsen u. die Abgaben daher sehr hoch. Der allgemeine Mißwachs 1816 drückte doppelt schwer u. bewog Viele zur Auswanderung nach Amerika. Das Verlangen nach einer repräsentativen Verfassung erfüllte Karl Ludwig erst, als Baiern, das sich für die Abtretung, die es nach dem Pariser Frieden an Österreich machen mußte, nicht hinlänglich entschädigt glaubte, auf einen Theil des badischen Gebietes Ansprüche machte. Die Verfassung erklärte nämlich das Land für untheilbar. Der Großherzog Karl Ludwig erlebte die Eröffnung der ersten Zusammenkunft der Landstände nicht, sondern st. schon im December 1818, ohne Söhne zu hinterlassen. Ihm folgte sein Oheim, der 3. Sohn Karl Friedrichs aus erster Ehe, der Großherzog Ludwig August Wilhelm. Dieser theilte das Land am 3. Mai 1819 in 6 Kreise u. schloß den 10. Juli d.i. einen Vertrag mit Rußland, Österreich, England u. Preußen ab, in welchem das Großherzogthum nicht nur in seinem ganzen Besitzstand gewährleistet, sondern auch das Erbfolgerecht der Markgrafen von Hochberg, der Söhne seines Vaters aus dessen zweiter Ehe mit der Freiin Luise Geyer von Geyersberg, die schon durch ein Familiengesetz von 1806 für ebenbürtig erklärt worden waren, anerkannt wurde. Am 22. April 1819 wurde in Karlsruhe die erste repräsentative Ständeversammlung eröffnet, aber es kam zwischen den Mitgliedern der beiden Kammern zu solchen Reibungen, daß der Großherzog für gut fand, die Kammern am 28. Juli d.i. wieder aufzulösen. Auf dem 2. Landtage, welcher im Juli 1820 zusammentrat, wurden die. letzten Überbleibsel der Leibeigenschaft vertilgt, die Communalverwaltung geordnet u. die Verantwortlichkeit der Minister entschieden. Am 5 Sept. 1820 wurde der Landtag geschlossen. Im Juli 1821 erfolgte die Vereinigung der beiden protestantischen Kirchen in B. (s. Union). Auf dem 3. Landtage von 1822 wurden nach einander ein Gesetz über die Militärpflicht angenommen, Bestimmungen über Gewerbefreiheit getroffen, die Justiz von der Verwaltung getrennt u. noch manche zweckmäßige Einrichtungen eingeführt. Leider zeigte sich bei diesem Landtage wieder eine große Spaltung zwischen beiden Kammern, bes. bei den Verhandlungen über die Gemeindeordnung u. über Abschaffung der Straßenfrohnen. Bei der Berathung des Budgets gerieth die 2. Kammer auch noch mit der Staatsregierung in Zwiespalt, u. als sie das verlangte Militärbudget beharrlich verweigerte, löste der Großherzog am 31. Januar 1823 die Kammer auf. Günstigeren Erfolg erlangte man von dem am 24. Februar 1825 eröffneten 4. Landtage, denn der Großherzog hatte 1824 den sehr beliebten Staatsrath Winter zum Dirigenten des Ministeriums ernannt. Die Anträge der Regierung wurden angenommen, u. der Landtag konnte schon am 14. Mai wieder geschlossen werden. Während dieser ganzen Zeit wurden die Finanzen geordnet, die meisten Schulden bezahlt, Karlsruhe verschönert u. viele Schlösser wieder hergestellt; Gewerbe u. Handel wurden begünstigt, bes. durch die 1826 mit Hessen-Darmstadt u. der Schweiz wegen Erleichterung des Verkehrs u. des Handels geschlossenen Verträge. Mit Württemberg dagegen konnte man zu keinem günstigen Resultate gelangen, u. da die württembergische Regierung den Eingangszoll auf badische Erzeugnisse erhöhte, so sah sich 1827 die badensche Regierung genöthigt, Repressalien zu ergreifen. Dabei wurde die Verwaltung immer mehrgeordnet, gleiches Maß u. Gewicht eingeführt u. durchgreifende Maßregeln hinsichtlich der Straßen, Brücken u. Salinen getroffen. Der 5. Landtag von 1828, vom 28. Februar bis 14. Mai, war so friedlich als der vorige, auch kam auf ihm ein gemäßigter Transitzoll für B. zu Stande. Den 30. März 1830 st. der Großherzog Ludwig, u. ihm folgte sein Halbbruder Leopold (s. Baden, Geneal.). Trotz der Garantie der Großmächte suchte Baiern seine alten Ansprüche, bes. auf die Grafschaft Sponheim hervor, u. eine Zeit lang glaubte man wirklich, es würde endlich zu einer Entscheidung durch Waffengewalt kommen. Von badischer Seite ergriff man militärische Vorsichtsmaßregeln. Der Streit wurde indeß bald, besonders durch die Vermittelung Österreichs, friedlich u. zu Gunsten B-s, geschlichtet. Der Großherzog Leopold minderte den Preis des Salzes, hob das 1820 gegebene Straßengeldgesetz auf, befahl die Verminderung des Wildstandes, erließ alle Steuerrückstände der Weinbauern u. verringerte die Strafen für Forstfrevel. Die Julirevolution in Frankreich schien auch in B. Unruhen anregen zu wollen, doch kam es nur in Manheim u. Karlsruhe zu unbedeutenden, gegen die Juden gerichteten Excessen. Den 17. März l831 wurde der erste Landtag unter der neuen Regierung eröffnet, der bei der allgemeinen Aufgeregtheit ziemlich stürmisch war. Schon am 11. April kam es über die Verantwortlichkeit der Minister zu heftigen Debatten, u. es wurde beschlossen, die Verantwortlichkeit auch auf den Bundestagsgesandten auszudehnen. Die Gemeindeordnung über Frohn- u. Zehntablösung gab Veranlassung zu heftigen Kämpfen mit den mediatisirten Herren u. wurde von der 1. Kammer verworfen. Für Verbesserung der Schulen wurde thätig gesorgt. Am 21. October legte die Regierung den Kammern ein Preßgesetz vor, welches von ihnen angenommen wurde. Ein anderes Gesetz hob die Militär-, Straßen- u. Gerichtsfrohnen auf. Am[151] 31. December 1331 wurde der Landtag geschlossen. 1832 wurde das Land von der Regierung in 4 Kreise, statt der bisherigen 6, getheilt; die General Adjutantur als verfassungswidrig aufgehoben u. ihre Geschäfte dem verantwortlichen Kriegsministerium übertragen. Alle diese Schritte der väterlichen Regierung richteten indeß gegen die allgemeine Mißstimmung, die sich bes. durch Adressen der Gemeinden an den Großherzog kund gab, nichts aus. Große Aufregung verursachte das Verbot aller öffentlichen Versammlungen, Nachtmusiken, Aufzüge etc. u. die den Bundesbeschlüssen vom Juni gemäß im Juli angeordnete Außerkraftsetzung des Preßgesetzes von 1831. Da sich die Universität Freiburg bes. der letzteren Maßregel widersetzte, so wurde sie im September d.i. reorganisirt u. die Professoren v. Rotteck u. Welker entlassen, ja die Wahl des Ersteren zum Bürgermeister von Freiburg von der Regierung verworfen. Auf der anderen Seite trug das Ministerium Sorge, die Lage der Unterthanen zu erleichtern u. die Wünsche ihrer Vertreter zu erfüllen. Alle populären Maßregeln, die Aufhebung des Fiscalats, die Milderung des Executivverfahrens u. die Sicherstellung der Steuerpflichtigen gegen willkürliche Vexationen der Beamten konnten dem Mißbehagen kein Ende machen, welches um so gefahrdrohender wurde, als von der Schweiz aus, wo sich viel politischer Brennstoff gesammelt hatte, fortwährend Aufregungen gegen B. erfolgten. In Folge dessen sah sich endlich die Regierung genöthigt, Truppenabtheilungen nach der Schweizergrenze zu entsenden. Auf dem Landtag vom 20. Mai bis 13. November 1833 war die 1. Kammer, welcher Markgraf Wilhelm, der Bruder des Großherzogs, präsidirte, wieder dem Beharrungs-, die 2., deren Präsident Mittermeier war, dem Fortschreitungsprincip geneigt; es wurden bes. Klagen über die Aufhebung des Preßgesetzes u. die supponirte Intention des Bundestags, die Verfassungen zu beschränken, laut u. beide Kammern beschäftigten sich mit Ablösung des Zehnten u. mit einem neuen Forstgesetz. Am 1. Jan. 1834 trat der Anschluß an den Deutschen Zollverein in Wirksamkeit, dem B. kurz zuvor beigetreten war. Auf dem Landtag vom 28. Mai bis 28. August 1835 gewann der Geist der 1. Kammer schon mehr Terrain, indem Spaltungen in der 2. Kammer entstanden. Die Verhandlungen bezogen sich bes. auf Ergänzungen des Grundgesetzes, auf Preßangelegenheiten, auf das Recht der Regierung, Staatsdienern den Urlaub zum Eintritt in die Kammern zu verweigern, auf Verbesserungen der Schulen u. Lehrer, auf die unentgeltliche Aufhebung der ärarischen Bannrechte, auf ein Expropriationsgesetz hinsichtlich einer Eisenbahn, auf den bereits erfolgten Beitritt zum Deutschen Zollverein, u. einige Strafgesetze. Verschiedene Entwürfe zu einer Abänderung im Municipalwesen veranlaßten einige Mediatisirte über dieselbe beim Bundestag Beschwerde zu sühnen, was zur Folge hatte, daß die Regierung das Gemeindegesetz über die Umlagen u. Bestreitungsmittel der Gemeindebedürfnisse änderte. Bei diesem Landtage wurden zum erstenmal nicht alle Verhandlungen desselben dem Druck übergeben. Auf dem Landtag vom 9. Mai bis 1. August 1837 zeigte sich die aristokratische Partei noch mächtiger, so daß es den Anschein hatte, als werde die 1. Kammer die Oberhand über die 2. gewinnen; doch war die Regierung selbst gegen einen dahinzielenden Antrag, die Kammern in ihren Rechten bezüglich der Finanzgesetzgebung gleichstellen zu wollen. Die Opposition wegen der Presse u. dgl. war schwächer als sonst, u. man beschäftigte sich bes. mit Änderungen in der Gemeindeordnung. mit Zollangelegenheiten, mit Anordnungen über Recurse in Criminalsachen u. über Erleichterung der Entrichtung der Klassensteuer. Das Wichtigste war der Antrag, der diesseitige Gesandte möge beim Bundestage dahin wirken, daß die Hannöversche Verfassung in Gemäßheit des 13. Artikels der Bundesacte u. des Artikels 65 der Wiener Schlußacte aufrecht erhalten werde, welchem Antrag die 2. Kammer einstimmig beitrat. Vom 10. Febr. bis 26. März 1838 versammelte sich ein außerordentlicher Landtag u. beschloß eine auf Staatskosten zu bauende Eisenbahn vorläufig von Manheim nach Heidelberg u. ferner über Karlsruhe, Rastadt, Offenburg, Freiburg, bis zur Baseler Grenze. Am Tage nach dem Landtagsschluß starb Winter, seit 1831 Minister des Innern, welcher sich im höchsten Grade des Vertrauens des Großherzogs u. der Liebe des Volkes erfreut u. dem Lande eine Reihe wichtiger Reformen gegeben hatte. Nach seinem Tode trat v. Blittersdorf, seit 1835 Minister des Auswärtigen, mit größerem Einfluß auf die inneren Angelegenheiten hervor, weshalb Winters Nachfolger, Nebenius, bereits im October 1839 sein Portefeuille an Freiherr Rüdt v. Collenberg abgab. Der ordentliche Landtag von 1839, eröffnet am 6. April, beschäftigte sich mit der Discussion eines Appanagegesetzes u. hauptsächlich eines neuen Strafgesetzbuches für B. Dabei kam die Hannöversche Frage wieder zur Sprache, u. es ward beschlossen, den vorigen Antrag wieder in Anregung zu bringen. Die Kammern wurden am 22. Juli vertagt, u. eine Commission trat zusammen, um das neue Gesetzbuch zu berathen. Beschwerden über zu strenge Presse waren zwar in der Kammer ohne Erfolg geblieben, doch erfolgte Anfangs Januar 1840 eine Verordnung, um die Schriftsteller gegen Willkür der Censoren zu sichern u. überhaupt den Instanzenzug bei der Censur möglichst zu erleichtern. Der Landtag trat den 6. Mai 1840 wieder zusammen u. tagte bis zum 18. Juli, ohne seine Hauptaufgabe, Berathung des Strafgesetzbuches, vollendet zu haben. Am Ende des Jahres gerieth das Land durch die Besorgnisse eines Krieges mit Frankreich in große Aufregung. In Karlsruhe fanden häufige diplomatisch-militärische Conferenzen statt, deren Ergebniß die für 1841 beschlossene außerordentliche Aushebung von 4500 Mann u. die beantragte Befestigung von Rastadt, Ulm u. den Schwarzwaldpässen war. Nach der am 17. April durch den Großherzog erfolgten Eröffnung der Kammern von 1841 entspann sich sehr bald der dann lange fortgeführte Streit über das von der Regierung beanspruchte, seit 21 Jahren zum ersten Male geübte Recht der Urlaubsverweigerung für die in die Kammer gewählten Beamten. Die 2. Kammer sprach der Regierung dies Recht ab, u. da diese nicht nachgab, so wandte sich erstere endlich mit einer Adresse vom 22. Mai an den Großherzog; da jedoch die 1. Kammer der Beschwerde nicht beitrat, so war damit die Angelegenheit als beseitigt anzusehen. Anfang August wurden die Stände beurlaubt. Im Januar 1842 trat der Landtag wieder zusammen; nachdem sich die 2. [152] Kammer vorzugsweise mit dem Budget, dem katholischen Kirchenwesen u. der Auswanderungesfrage beschäftigt hatte, wurde sie, in Folge einer Erneuerung der Urlaubsfrage, am 19. Februar aufgelöst. Auf dem vom 25. Mai bis 9. Septbr. versammelten Landtag wurde von Seiten der Opposition auf's Neue auf bessere Preßverhältnisse, auf Einführung einer Criminalproceßordnung mit Öffentlichkeit, Mündlichkeit u. Anklageproceß, auf Aufhebung der Ausnahmemaßregeln des Deutschen Bundes gedrungen. 1843 schied v. Blittersdorf aus dem Ministerium u. ging im November als Gesandter nach Frankfurt zurück; an seine Stelle trat v. Dusch ins Ministerium. Reformen umfassender Art waren die Gesetzentwürfe über Gerichtsverfassung (Trennung der Justiz von der Verwaltung bis in die untersten Instanzen), Strafrecht u. Strafproceß (Einführung des öffentlichen u. mündlichen, Verfahrens), die dem am 23. November eröffneten Landtage am Schlusse des Jahres vorgelegt wurden. Die Kammern hatten die früheren Präsidenten (Markgraf Wilhelm u. Bekk), aber auch daß frühere Parteiverhältniß. Am 4. Mai 1844 nahm die 2. Kammer den Strafproceßentwurf an. In demselben Jahre trat Freiherr Rüdt v. Collenberg aus dem Ministerium; Böckh wurde Ministerpräsident, an Rudts Stelle Eichrodt Minister des Innern, starb jedoch schon nach wenigen Monaten, das Portefeuille desselben erhielt Regierungsdirector Rettig, im März 1845 Nebenius. Die auftauchende Deutschkatholische Bewegung gewann sich erst Sympathien im Lande durch die Beschränkung u. versuchte Unterdrückung derselben, wodurch sie auf die politische Tagesordnung kam u. von Bedeutung für den nächsten Landtag wurde, welcher am 24. November 1845 eröffnet ward. Der hier am 15. December gestellte Antrag auf Religionsfreiheit (Recht der freien kirchlichen Association u. der freien öffentlichen Ausübung des Cultus für alle Landeseinwohner, sofern ihre ausgesprochenen religiösen Grundsätze mit den allgemeinen Bürgerpflichten nicht im Widerspruche stehen) wurde für die streng-katholische Partei der Stände das Signal zur heftigsten Agitation im ganzen Lande. Protestationen über Protestationen liefen bei der Kammer überallher aus dem Lande ein, in denen auch Auflösung des Landtags gefordert wurde. Dies geschah auch wirklich am 9. Februar 1846. Aber es entstand jetzt eine neue Aufregung im Lande, genährt durch zahllose Flugschriften, u. selbst in dem katholischen Oberlande machte sich wieder ein Umschlag in der Stimmung bemerkbar. Alles trug dazu bei, bei den Neuwahlen der Opposition wieder eine entschiedene Majorität zu geben, daß jetzt selbst v. Blittersdorf (von Frankfurt aus) zu einem liberalen Ministerium riech. Die neue Kammer trat am 4. Mai zusammen; die Majorität, der 2. Kammer, in welcher Mittermeier Präsident geworden war, bewies eine gemäßigte Haltung; das Ministerium, in welches Bett eingetreten war, bewahrte einen milderen, entgegenkommenden Ton, u. obgleich die gemachten Concessionen nicht genügten, die Klagen über die Preßverhältnisse, polizeilichen Übergriffe, Beschränkung des Petitionsrechtes die alten blieben, so herrschte doch ein freundlicher Ton zwischen Kammer u. Ministerium. Besonders beschäftigte sich die Kammer mit Einführung einer (schon 1844 beantragten) Capitalsteuer, mit der Ausweisung Heckers u. v. Itzsteins aus Preußen, mit dem Antrag auf Abhülfe der Beschwerden der Deutschkatholiken, mit den Vorlagen von Geschwornengerichten. Von durchgreifender Bedeutung wurde erst die Abstimmung über das Budget, indem dadurch eine offene Spaltung der liberalen u. der radicalen Opposition herbeigeführt wurde. Die liberale Partei ging von da an entschiedener mit der in milder Form auftretenden Regierung, war aber deshalb nun auch den maßlosen Angriffen der radicalen Presse (bes. durch Struve) ausgesetzt. Eine, freilich nur momentane Heilung des Risses zwischen beiden Parteien bewirkte ein Congreß zu Durlach im November 1846. an welchem alle Fractionen der einstigen Opposition Theil nahmen u. wo die Deutsche Zeitung gegründet wurde. Im December 1846 trat eine Veränderung im Ministerium ein; Nebenius gab das Ministerium des Innern an Bekk ab, blieb jedoch Präsident des Staatsrathes; Anhänger des früheren Regime wurden entfernt. So schien sich Alles zur Versöhnung anzulassen. Vorübergehendes Aufsehen machte ein heftiger Streit der Regierung mit dem Erzbischof von Freiburg, Vicari, über das Verhalten bei gemischten Ehen; die Appellation des Erzbischofs an den Papst blieb in Folge weiterer Zeitereignisse ohne Resultat. Seit Bekks Eintritt in das Ministerium hatte sich das Unbequeme des bureaukratischen Systems allmälig verloren, die Censur u. Polizeigewalt gemäßigt, die Regierung war jeder Weise zugänglicher, Vorabeiten zu einer volksthümlicheren Verwaltung waren bereits vollendet, u. so näherte sich die liberale Partei dem Ministerium mit größeren Vertrauen immer mehr. Um so augenscheinlicher wurde aber auch die, schon bis ins Privatleben fühlbare Spaltung zwischen ihr u. der von Hecker u. Struve geführten radicalen Partei. Bereits bei den Ergänzungswahlen im Herbst 1847 traten sich beide Parteien als Gegner zum ersten Male entgegen, der liberale Mittelstand verstärke durch seine Wahl die Partei des Ministeriums. Am 12. September hielten die Radicalen, sich jedoch noch als entschiedene Verfassungsfreunde ankündigend, eine Versammlung in Offenburg ab. Die als Forderungen des Volkes aufgestellten Punkte (zumeist die Forderungen von 1848) liehen den demokratischen Socialismus nur hier u. da (Ausgleichung des Mißverhältnisses zwischen Capital u. Arbeit, Abschaffung aller Vorrechte etc.) durchklingen, doch bestanden wohl schon jetzt, wo die Dinge in Italien, Frankreich u. des Schweiz auch eine Krisis Deutschland erwarten ließen. Verbindungen zwischen den badischen u. auswärtigen Radicalen. Die Eröffnung der Ständekammer von 1847–48 geschah am 9. December persönlich durch den Großherzog. Unter den angekündigten neuen Gesetzentwürfen war der zu einer Repressivgesetzgebung für die Presse. Durch die nähere Verbindung der Altliberalen mit Thron u. Ministerium entstanden nun ein Centrum, der Kern der neuen ministeriellen Majorität, während die radicale Opposition sich auf wenige, sich übrigens mäßig verhaltende Stimmen beschränke. Außerhalb der Kammer ward der Bruch durch die Presse indessen beständig vergrößert; innerhalb derselben führte bes. die Fabrikfrage (ob der Staat durch seine Bürgschaft bestimmte industrielle Unternehmungen unterstützen solle od. nicht?) allmälig auch wieder eine weitere Spaltung herbei. Bedeutungsvoll für die nahende Zeit war Bassermanns Antrag vom[153] 12. Februar 1848 auf Volksvertretung bei dem Bundestage, welcher großes Aufsehen durch ganz Deutschland machte. Unterdessen war die Zeit der neuen Bewegung schon angebrochen. Sie fand in B. das constitutionelle Leben bereits erschüttert, den Gegensatz zwischen Liberal u. Radical stark ausgeprägt u. die neue Regierung zwar voll guten Willens, aber dem Strom der Ereignisse gegenüber kaum stark genug.

C) Die Badensche Revolution 1848 u. 1849. a) Die Erhebung des Volkes. Auf die Nachricht von der Proclamirung der Republik in Frankreich war B. das erste Land, wo sich die Wünsche des deutschen Volkes öffentlich aussprachen. Eine Bürgerversammlung zu Manheimam 27. Febr. 1848, in welcher die Altliberalen noch mit den Radicalen zusammenstanden, forderte in einer, bald für ganz Deutschland maßgebenden Adresse an die versammelten Stände als die zunächst für Deutschland unbedingt nothwendigen Maßregeln: Volksbewaffnung mit freier Wahl der Offiziere, unbedingte Preßfreiheit, Schwurgerichte nach dem Vorbilde Englands u. sofortige Herstellung eines deutschen Parlamentes. Gleiche Versammlungen in Karlsruhe, Heidelberg, Freiburg etc. stellten die gleichen Forderungen. Die Regierung, anfangs ungewiß u. zaudernd, gab am 29. Febr. in der 2. Kammer endlich die Zusage über schleunige Errichtung von Bürgerwehren, Verkündigung eines provisorischen Preßgesetzes u. der Einführung von Schwurgerichten. Da diese Zugeständnisse nicht genügten, so sollten am 1. März Deputationen aus dem ganzen Lande die Adressen persönlich nach Karlsruhe bringen, um den Forderungen Nachdruck zu geben, eine Demonstration, der man mit Besorgniß entgegensah, da. sich allenthalben Züge von Proletariern zur Begleitung der Deputationen rüsteten. Hatte doch schon am 28. Febr. ein Haufen unbekannten Volkes unter Anführung des Literaten Blind in Karlsruhe Krawall versucht u. die Republik leben lassen. Am 1. März kamen die Deputationen, meist aus angesehenen Männern von patriotischer Gesinnung bestehend, in Karlsruhe an, wurden aber von der Bürgerschaft mit Mißtrauen empfangen, da die Führer der radicalen Partei die Gelegenheit zu Massendemonstrationen benutzen zu wollen schienen. Die Sitzung der 2. Kammer, deren Galerien meist mit revolutionären Gestalten überfüllt u. deren Zugänge durch Tausende von Menschen belagert waren, war merkwürdig genug: Bekks Verkündigung der Preßfreiheit wurde mit Jubel vernommen; Hecker u. Brentano aber stellten nun weitere Forderungen u. drängten auf sofortige Bewilligung derselben. Solcher Überrumpelung in der Kammer trat aber diese mit ruhiger Festigkeit entgegen, u. den krawalllustigen Massen vor dem Ständehause die entschlossene Haltung des Militärs u. der Bürgerwehr. Karlsruhe blieb auch in den nächsten Tagen in bedenklicher Aufregung, welche bes. ein den verschiedensten Muthmaßungen raumgebender Brand im Palais des Ministeriums des Auswärtigen, während der Nacht vom 2. März, nährte. Unterdessen waren Heckers Anträge vom 1. März in gehöriger Form vor die Kammer gebracht, sogar noch erweitert u. in 12 Wünsche zusammengefaßt, von derselben fast einstimmig angenommen worden (u.a. Verantwortlichkeit der Minister, Reinigung des Ministeriums u. der Bundestagsgesandtenstelle von den mißliebigen Elementen, Unabhängigkeit des Richterstandes), worauf am. 4. März die Regierung eine zusagende Antwort gab. Am 9. traten an Trefurt's u. Regenauer's Stelle Bauer u. Hoffmann in das Ministerium. Die Bitte um allgemeine Amnestie wurde sofort gewährt, bei der Bundesversammlung der Antrag auf Volksvertretung am Bundestage gestellt, v. Blittersdorf von Frankfurt abgerufen, Welcker an seiner Stelle zum Bundestagsgesandten u. Bassermann zum Vertrauensmann ernannt. Während mit diesen Concessionen der Regierung ein friedlicher Entwickelungsproceß der staatlichen Verhältnisse in Aussicht gestellt war u. die allgemeinen Zustände auch wirklich in ein ruhiges Stadium traten: machte sich die einmal ins Volk gedrungene Gährung doch noch hier u. da, wenn auch nur vorübergehend, Luft durch Verfolgung der Juden u. in ausgedehnterer Weise durch Aufstände der Bauern im Odenwalde u. in den fränkischen Gegenden gegen ihre Herren, wobei in vereinzelten Fällen Plünderungen u. Gewaltthätigkeiten gegen mißliebige Persönlichkeiten vorfielen. In einer auf den 19. März ausgeschriebenen Volksversammlung zu Offenburg, auf welcher sich die beiden Fractionen der Linken zum letzten Male zusammenfanden, lag dem überallher zusammengeströmten Volke der Gedanke an eine gewaltsame Umgestaltung der Staatsform noch fern; selbst die Häupter der radicalen Partei hielten die Zeit noch nicht für reif, mit bestimmten Aufforderungen hierzu hervorzutreten. Die Beschlüsse der Versammlung enthielten ein Mißtrauensvotum gegen den Kriegsminister u. gegen den Markgrafen Wilhelm, ferner das Verlangen nach Umgestaltung der 1. Kammer u. Reinigung der 2. Kammer, nach Verschmelzung der Bürgerwehr mit dem stehenden Heere, nach Einführung einer progressiven Vermögens- u. Einkommensteuer, nach wohlfeilerer Regierung, Trennung der Schule von der Kirche etc. Der bedeutungsvollste Beschluß war aber jedenfalls der über Bildung von politischen Clubs, die durch ganz Baden sorgfältig organisirt, unter einem leitenden Ausschuß stehen sollten; als dessen Mitglieder wurden 16 Männer der äußersten Linken, als deren Obmann Hecker, ernannt. Die Wenigsten übersahen die Tragweite dieses, allerdings mit jeder constitutionellen Praxis unvereinbaren Beschlusses. Nachdem unterdessen selbst in Wien u. Berlin den Forderungen des Volkes nachgegeben u. die Wirksamkeit der revolutionären Propaganda in Frankreich u. der Schweiz auf Deutschland danach neu belebt u. bereits öffentlich der Einfall bewaffneter Arbeitercolonnen aus Frankreich nach Deutschland angezeigt worden war: trat auch in B. die revolutionäre Partei, deren Führern jene Projecte nicht fremd waren, offener mit ihren Plänen hervor u. suchten Sympathien für die unter den glänzendsten Bildern materiellen Wohlseins in Aussicht gestellte Republik. Sie fanden sie am Bodensee, unter Ficklers Agitation, im Seekreis, wo der Abgeordnete Peter zum Regierungsdirector ernannt worden war, auf dem Schwarzwalde u. in den übrigen Landestheilen durch zahlreiche Volksversammlungen, von deren Leitung sich die gemäßigteren Führer bereits zurückgezogen hatten. In Freiburg erreichte Struve schon das Votum der Versammlung für eine deutsche Föderativrepublik, während ihm in Heidelberg derselbe Versuch gänzlich[154] fehlschlug. Auch das Heer wurde schon nicht erfolglos bearbeitet, u. während die Republikanisirung des Landvolkes, bei dessen zäher Natur, auf vielfache Hindernisse stieß, erwarb man in dem städtischen Proletariat u. unter dem niederen Handwerksstande um so bereitwilligere Werkzeuge für den Umsturz. Daneben tauchten allenthalben fremde abenteuerliche Gestalten in Menge auf, über deren Bestrebungen u. Absichten kein Zweifel herrschen konnte. Von Seiten der Regierung waren gegen die drohende Arbeiterinvasion mit Bewilligung der Stände militärische Vorsichtsmaßregeln angeordnet u. den. Forderungen der Offenburger Versammlung so weit als möglich entsprochen worden, namentlich waren der Kriegsminister u. Markgraf Wilhelm beseitigt. So war das Ende des März herbeigekommen, u. mit ihm die Eröffnung des Vorparlamentes zu Frankfurt, auf welches die Radicalen die bestimmteste Hoffnung gesetzt hatten. Doch schon in der 1. Sitzung desselben (31. März) wurde Struves Antrag, Deutschland zur Republik zu erklären, zurückgewiesen. Dies entschied für die blutige Weiterentwickelung der Zustände in B. Die Führer der republikanischen Partei, von Frankfurt doppelt verbittert zurückgekehrt, forderten nun in Versammlungen u. durch die Presse fast offen zum bewaffneten Aufstande auf; fast ebenso offen waren die mit Frankreich u. der Schweiz wegen des von dorther erwarteten Freischaareneinfalles angeknüpften Verbindungen. Unterdessen hatte jedoch die Regierung für schleunige Mobilmachung des 8. Armeecorps gesorgt, u. das Einrücken der ersten Bundestruppen, Anfangs April, gegen welche im ganzen Lande heftig agitirt wurde, wurde am 7. April in der 2. Kammer mit großer Majorität gebilligt. Gewaltigen Eindruck machte unterdessen die durch Mathy am 8. April zu Karlsruhe bewirkte Verhaftung Ficklers, der von einer Zusammenkunft der Führer in Manheim eben wieder in den von ihm nun hinlänglich vorbereiteten Seekreis eilen wollte. Diese That verwirrte theils den Plan der Verschworenen u. drängte sie zu einem frühzeitigen Losbruch; theils schlug, nachdem Mathy in Manheim vor der gegen ihn wüthenden Volksmenge seinen Schritt durch Nachweis der landesverrätherischen Verbindungen des Verhafteten gerechtfertigt hatte, die Volksstimmung daselbst zum Nachtheil der republikanischen Partei um.

b) Der Aprilaufstand. Hecker, nach Ficklers Verhaftung für seine eigene Sicherheit besorgt, eilte am lt. April nach dem Seekreis hinauf; Struve war bereits dort, u. Beide erließen, obschon die allgemeine Stimmung nicht eben günstig für ihre Sache war, doch am 12. April aus Constanzeinen Aufruf an die waffenfähigen Männer der benachbarten Ämter, sich am 14. April bewaffnet in Donaueschingen einzufinden. Der Erfolg war sehr gering; mit nicht 50 Mann zog Hecker am 13. April von Constanz aus; nirgends fand er mehr Begeisterung, bei Engen betrug seine Mannschaft kaum erst 400 Mann, u. in Donaueschingen war gleichfalls nur eine geringe, schlechtbewaffnete Schaar zusammengekommen. Am Tage der Ankunft Heckers daselbst (15. April) erschien auch württembergisches Militär vor der Stadt, mit welchem Struve eine Capitulation abschloß, zufolge deren die republikanische Mannschaft ungehindert abzog, welche nun Hecker über den Schwarzwald der Rheinebene zuführte. Den Abgesandten des Fünfzigerausschusses, Venedey u. Spatz, welche ihm gegen Niederlegung der Waffen volle Amnestie zusicherten, antwortete er mit Spott. Unterdessen hatten sich allerdings Constanz u. Offenburg für die Republik erklärt; doch flüchtete dort der am 17. April auf Heckers Befehl zum Statthalter des Seekreises eingesetzte Peter alsbald vor den einrückenden Baiern in die Schweiz, u. in Offenburg machte die militärische Besetzung der am 18. dort auftauchenden Bewegung schnell ein Ende. Dagegen sammelte sich, namentlich aus der Constanzer Gegend, eine Masse Freischaaren, welche unter Anführung des früheren badenschen Lieutenants Sigel u. des Wirthes Weishaar, sich mit Heckers Schaar verbinden wollten. Hecker war inzwischen am 19. April bereits in Kandern angekommen u. daselbst für die nächste Zukunft geblieben, obschon die Gegend ungünstig gestimmt war u. Truppen in der Nähe standen. Mit denselben, Hessen u. Württembergern unter dem General Friedr. v. Gagern, entspann sich nun auch am 20. April das Gefecht bei Kandern, welches damit begann, daß der General v. Gagern, nachdem er in einer Unterredung mit Hecker demselben von seinem Vorhaben abzumahnen gesucht hatte, vor seiner Fronte verrätherischerweise durch Freischärler niedergeschossen wurde. Erbittert darüber griffen die Truppen rasch an u. trieben die Freischaaren bald in die Flucht. Hecker entkam selbst nur mit Mühe in die Schweiz u. blieb für jetzt daselbst. Struves u. Weishaars Schaar zerstreute sich bei Annäherung der Truppen, u. der größte Theil derselben verlief sich in die Schweiz. Auch die meisten Führer gingen über den Rhein, u. Struve, von Bürgern verhaftet, aber durch die eingeschüchterten Behörden von Säckingen am 21. April wieder freigelassen, folgte ihnen dahin. Dagegen erhob sich nun der Aufstand aufs Neue in u. um Freiburg; hier hatte der Rest einer am 22. April abgehaltenen bewaffneten Volksversammlung völlig die Oberhand gewonnen, so daß am 23. die Stadt verbarrikadirt u. gegen die heranrückenden Truppen in ziemlichen Vertheidigungszustand gesetzt wurde; zur Besatzung eilten Sigel u. Mögling mit ihren Schaaren herbei. Mit Ankunft der Sigelschen Vorhut unter Struve begann nun bei Freiburg ein Gefecht, in welchem die Freischaaren überall im Nachtheil waren, um so mehr, da auch die badensche Infanterie gegen die Verlockungen Struves zum Übertritt fest stand. Am 24. April wurde Freiburg selbst durch badensches, hessisches u. naussanisches Militär nach kurzem, aber heftigem Kampfe genommen. Die Freischaaren zerstreuten sich wieder, die Führer entwichen in die Schweiz. Auch im Unterlande, bes. in Manheim, wo die völlige Anarchie am 26. April ihren Höhepunkt erreichte, trat gegen Ende des Monats wieder Ruhe ein; die Stadt wurde von Baiern u. Hessen besetzt. Die von den Aufständischen in Baden längst erwartete demokratische Legion aus Paris, ein bunter Haufen brodloser Arbeiter u. Abenteurer aus allen Nationen, war unter Herwegh in Straßburg Mitte April angekommen, verlor aber schon da eine Anzahl Enttäuschter, ging, etwa noch 1000 Mann stark, in der Nacht vom 23. bei Kems über den Rhein, zog gegen Kandern, wandte sich aber bald auf die Nachricht von den jüngsten ungünstigen Ereignissen in schnellem Rückzuge der Schweizergrenze[155] zu, gerieth noch in der Nähe derselben am 27. April bei Dossenbach mit württembergischem Militär in ein unbedeutendes Gefecht, in welchem der republikanische Hauptmann Schimmelpenninck fiel u. Bornstedt mit vielen Anderen gefangen wurde, u. löste sich dann auf. Herwegh entkam in die Schweiz.

c) Der Septemberaufstand. War auch der Aprilaufstand gänzlich mißglückt, so waren doch die Hoffnungen der republikanischen Partei dadurch nicht herabgestimmt, vielmehr erhob dieselbe in der Presse u. in den Clubs das Haupt bald kühner als zuvor, u. auch die Zügellosigkeit des Proletariats war noch gewachsen. Die Maßregeln der Regierung, namentlich wider die Volksausschüsse u. die demokratischen Vereine, waren ohne Erfolg. Vergebens bereiteten Regierung u. Kammer in dieser Zeit die freisinnigsten Reformen vor (Capital- u. Einkommensteuer, Schwurgerichte, Volkswahlen etc.), vergebens verzichtete der Großherzog auf einen Theil seiner Civilliste für das laufende Jahr, vergebens wurde eine umfassende Amnestie erlassen; während man es dadurch mit den Strengconservativen verdarb, genügte man auch der radicalen Partei nicht. Revolutionäre Emissäre u. Flugschriften bearbeiteten das Land, das Clubwesen nahm einen neuen Aufschwung, u. in den Zusammenkünften der Führer an der Schweizer Grenze wurden längst wieder Pläne für einen neuen Aufstand geschmiedet, u. während Hecker, zerfallen mit den meisten seiner Verbündeten, von Southampton nach Amerika abreiste (20. Sept.), rüstete man sich auch wirklich an der Schweizer Grenze zu einem wiederholten Einfall in Baden. Am 21. Sept. ging Struve, in der Erwartung, Deutschland in Folge der Anerkennung des Malmöer Waffenstillstandes durch die Nationalversammlung für seine Pläne nun völlig zugänglich zu finden, von Basel über die Grenze u. rückte gegen Abend mit etwa 30 Mann in Lörrach ein, proclamirte daselbst vom Rathhause herab die Republik, ordnete unter Androhung des Standrechtes für die Widersetzlichen die Aushebung der waffenfähigen Mannschaft an. u. begann die Regierung mit einer Reihe von Proclamationen, worin. u.a. die Aufhebung aller Abgaben, mit einstweiliger Ausnahme der Zölle, die Abschaffung aller Grundlasten ohne Entschädigung, die Verhaftung aller Personen von der conservativen Partei sammt Confiscation ihres Vermögens angeordnet wurden; ferner sollte alles Grundeigenthum des Staates, der Kirche u. der Conservativen provisorisch an die betreffenden Gemeinden übergehen, unter Vorbehalt späterer Ausgleichung. Verschiedene Beamten wurden eingezogen, die Posten angehalten, die Staatsgelder confiscirt, selbst verdächtige Gesinnung genügte zur Verhaftung, aber freilich auch Geldzahlung zur Freilassung. So ging es in Lörrach, Mühlheim, Kandern u.a. O. Schwer hielt es aber mit der Organisation des Revolutionsheeres; der Zuzug kam nur schwach an u. bestand meist aus Gezwungenen, u. der sogenannte General Löwenfels hatte bei seinem Vorrücken mit dem steten Widerstande seiner Truppen zu kämpfen. Die Regierung war diesmal besser gerüstet als früher; denn kaum waren die etwa 800 Mann starken Freischaaren am 24. Sept. in Staufen eingerückt u. hatten die öffentlichen Kassen in Beschlag genommen, als bereits das badische Militär (2 Bataillone Infanterie, 2 Schwadronen u. 4 Geschütze) unter General Hoffmann vor dem Städtchen anlangte. Die eben noch mit den fabelhaftesten Siegesnachrichten unterhaltene Volksmenge lief auseinander, ein Rest der Freischaaren verbarrikadirte die Stadt, wehrte sich gegen die Truppen hier u. da lebhaft, mußte aber schon nach 2 Stunden den Ort mit ziemlichem Verlust räumen u. zerstreute sich dann; Struve floh über das Gebirge der Schweiz zu, entkam schon in Todtenau nur mit Mühe einigen gegen ihn erbitterten Freischärlern, wurde aber in Wehr am 25. von einer Anzahl Bürger festgenommen u. von Schopfheimer Bürgerwehr nach Schliengen u. von da aus von badenschem Militär noch Freiburg gebracht. Gegen Struve zeigte sich im Volke allenthalben große Erbitterung; statt an das Kriegsgericht ward derselbe dort, in Folge der Milde der Regierung, an die ordentlichen Gerichte überwiesen. Die noch hier u. da im Gebirge zerstreuten u. übel hausenden Freischaaren wurden von den Truppen theils aufgerieben, theils zersprengt. Mit dem traurigen Ausgange des Struveschen Unternehmens hatte die Sache der Republik für jetzt bei dem Volke allen Boden verloren, während die Regierung an Macht gewonnen hatte.

d) Zustände bis zum Mai 1849. Die Regierung verschmähte es ihren Sieg gegen die Feinde des Vaterlandes zu benutzen u. von den Ausnahmsgesetzen Gebrauch zu machen, dagegen gab sie in milder, vertrauensvoller Weise auch den liberalen Forderungen ihrer Freunde nach Kräften nach, setzte gemeinschaftlich mit der Kammer die friedliche Organisation des Staates fort, promulgirte die Grundrechte des deutschen Volkes u. suchte dieselben durch Ausführungsgesetze möglichst schnell zur Geltung im Lande zu bringen. Diese Milde machte der revolutionären Partei, deren Haupt jetzt Lor. Brentano (s.d.) war, in Kurzem wieder Muth u. ließ sie aufs Neue ihre Pläne thätig u. rücksichtslos verfolgen. Zunächst schlug der Ton der radicalen Presse wieder in die ungemessenste Zügellosigkeit um. Bald begannen auch die Volksvereine, von Manheim aus durch den Landesausschuß geleitet, ihre destructive Wirksamkeit wieder; ihr nächstes Ziel war die Auflösung der Kammer geworden; dieselbe wurde nach allen Seiten verdächtigt u. mit Petitionen zur Selbstauflösung aufgefordert, um einer constituirenden Versammlung aus allgemeinen Volkswahlen Platz zu machen. In der Kammersitzung vom 10. Februar 1849 sprach sich der Ausschußbericht gegen eine sofortige Auflösung aus, wollte aber eine solche nach Erledigung der wichtigsten Vorlagen, darunter eines neuen Wahlgesetzes, verfügt wissen. Die radicale Partei dagegen kämpfte wider die Aufnahme der Wahlordnung unter die Arbeiten der jetzigen Kammer; u. als sie darin überstimmt wurden, legten 17 Abgeordnete, Brentano an der Spitze, ihr Mandat nieder. Gegen ihre Berechnung blieb die Kammer, trotzdem daß die Vollziehung der angeordneten Ersatzwahlen größtentheils hintertrieben wurde, dennoch beschlußfähig u. setzte ihre Arbeiten fort. Daneben nahmen die Volksvereine (ihre Zahl betrug gegen 400 mit mehr als 60,000 Mitgliedern) immer mehr das Recht der wahren Volksvertretung in Anspruch, der Landesausschuß betrachtete sich als eigentliche Regierung, der Arbeiterstand war durch communistische Vorspiegelungen völlig für die Partei gewonnen u. die revolutionäre Presse predigte jetzt geradezu eine[156] rothe Republik mit Todtschlag u. Galgen, u. erlaubte sich die wüthendsten Ausfälle gegen die Gerichte, das Ministerium, die Kammer, den Großherzog mit seiner Familie, sowie gegen die Kirche. Unter solchen Verhältnissen war auch der Ausgang der am 20. März in Freiburg gegen Struve u. Blind eröffneten Assisensitzung nur zu erklärlich; nach den wüstesten Verhandlungen sprachen die bearbeiteten u. eingeschüchterten Geschwornen ihr Urtheil dahin aus, daß Struves Antheil am Aprilaufstand verneint, die Unternehmung im September aber als ohne Vorbedacht mit mildernden Umständen bezeichnet ward; wonach der Staatsanwalt seinen Antrag nur auf 8 Jahre Zuchthaus stellen konnte. Somit hatte die revolutionäre Partei nun alle Factoren der politischen Bewegung in Händen, außer der Presse u. dem Clubwesen auch die Justiz als Parteiwaffe. Das waren die Zustände B-s, als der April 1849 kam, u. mit ihm die Vernichtung der letzten Hoffnung der liberalen Partei. Der König von Preußen lehnte die Kaiserwürde ab; die Frankfurter Verfassung vom 28. März ward von den Regierungen verworfen u. dadurch mit der Nationalversammlung völlig gebrochen. Die radicale Partei in Deutschland nahm bei der allgemeinen Aufregung die günstige Gelegenheit wahr; unter dem Vorwande eines Kampfes für die Reichsverfassung erhob sich der Aufstand in der Pfalz, in Sachsen u. am Rhein. Dieser Vorwand war der Partei in B. freilich abgeschnitten, denn die Regierung hatte die Verfassung anerkannt, dieselbe am 10. Mai publicirt, die Beeidigung des Heeres u. der Bürgerwehr auf dieselbe für den 13. Mai bestimmt. Man mußte einen andern Titel für die Revolution suchen.

e) Die Revolution im Mai u. Juni 1849. Schon im April war von Kreiscongressen der Volksvereine beschlossen worden, durch allenthalben abzuhaltende Volksversammlungen das Volk auf einen entscheidenden Schlag vorzubereiten; u. als die Führer der republikanischen Partei das Volk in jenen Versammlungen für reif dazu befunden hatten, so schrieb der Landesausschuß auf den 12. Mai einen allgemeinen Landescongreß aller Volksvereine, auf den 13. Mai eine große Volksversammlung nach Offenburg aus. In dem Landescongreß behielten die Besonneneren von der radicalen Partei noch die Oberhand; man war gegen sofortigen Losbruch, es sollte noch ein Versuch der Güte stattfinden. Die vom Congreß an die Regierung gestellten Forderungen waren: Rücktritt des Ministeriums, Auflösung der Kammer, Annullirung aller seit Januar von derselben gefaßten Beschlüsse, Berufung einer constituirenden Versammlung nach allgemeinem Stimmrecht, allgemeine Amnestie. Der mit diesen Forderungen an den Minister Bekk gesandten Deputation gab derselbe am 13. Mai eine ruhige, im Ganzen aber abweisende Antwort, in welcher schließlich für den Fall, daß auch der Umsturz gelänge, auf die unausbleibliche Besetzung des Landes durch fremde Truppen hingewiesen wurde. Die Deputation schied unter Drohungen. Der Bescheid, den sie nach Offenburg zurückbrachte, trat jedoch in seiner Wirkung weit zurück hinter die Wirkung eines andern Ereignisses, von welchem die Kunde unterdessen eingelaufen war u. welches der Versammlung auch den letzten Rest der Mäßigung raubte. Dies war die durch unermüdlich fortgesetzte Bearbeitung des Heeres hervorgerufene u. am 11. Mai ausgebrochene Militärempörung in Rastadt, Schon seit dem 9. Mai hatten Soldaten in Rastadt in revolutionären Versammlungen aufreizende Reden gehalten; ihre Aufregung ward von den Bürgern sorgsam genährt. Am 11. Mai wurde ein verhafteter Soldat durch Erstürmung der Kaserne befreit, mehrere Offiziere, darunter der Festungscommandant, thätlich angegriffen u. gemißhandelt, das Haus eines Obersten gestürmt u. die Fahne aus seiner Wohnung geraubt. Der am 12. Mai mit Dragonern u. Geschütz angekommene Kriegsminister, General Hoffmann, mußte sich, nachdem er vergebens mit den trunkenen Soldaten verhandelt u. dabei die Beschickung der Offenburger Versammlung durch die Besatzung bewilligt hatte, zuletzt unter Lebensgefahr mit einem geringen Rest seiner Truppe aus der Festung retten. Kaum hatte man noch Struve u. Blind nach Bruchsal abführen können. Die Empörung war völlig, die Offiziere machtlos u. in steter Lebensgefahr, die Festung in der Gewalt eines sofort gewählten Vertheidigungsausschusses. In Folge der Nachricht von diesem Stande der Dinge in Rastadt siegte in der großen Volksversammlung zu Offenburg am 13. Mai die Partei der offenen Revolution. Die Beschlüsse dieser Versammlung lauteten dem Hauptinhalte nach nun: die Regierung muß die Durchführung der Reichsverfassung auch mit der ganzen bewaffneten Macht, zunächst in der Pfalz, unterstützen; das gegenwärtige Ministerium ist sofort zu entlassen, ein neues durch Brentano u. Peter zu bilden; die Ständekammern sind alsbald aufzulösen, eine verfassunggebende Versammlung durch allgemeine Wahlen aber einzuberufen, welche die gesammte Rechts- u. Machtvollkommenheit des badischen Volkes in sich vereinigt; Volksbewaffnung ist ohne Verzug auf Staatskosten ins Leben zu rufen, das erste Aufgebot derselben sofort mobil zu machen; allgemeine Amnestie; Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit; bei dem Heere freie Wahl der Offiziere; alsbaldige Verschmelzung des stehenden Heeres mit der Volkswehr; unentgeltliche Aufhebung aller Grundlasten; die Gemeinden sind hinsichtlich der Verwaltung des. Gemeindevermögens wie der Wahl der Gemeindevertreter für unbedingt selbständig zu erklären; Annullirung sämmtlicher von den sogenannten Kammern seit dem 17. Januar gefaßten Beschlüsse, namentlich des sogenannten Wahlgesetzes; augenblickliche Einführung der Geschwornengerichte; Errichtung einer Nationalbank für Gewerbe, Handel u. Ackerbau: Einführung einer progressiven Einkommensteuer statt des alten Steuerwesens; Errichtung eines großen Landespensionsfonds an Stelle des besonderen Pensionsfonds für Staatsdiener. Der Landesausschuß (Brentano, H. Hoff, Richter, Goegg, Werner, Rehmann), ward beauftragt, die nöthigen Anordnungen zu Durchführung dieser Beschlüsse mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu treffen u. von dem Ergebniß der Versammlung die Landesausschüsse der Nachbarstaaten, namentlich den der Pfalz, in Kenntniß zu setzen. Der somit permanent gewordene Landesausschuß begab sich nach Rastadt. Unterdessen war auch in Lörrach eine Militäremente mit Erfolg losgebrochen; in Freiburg u. Bruchsal blieb es nur bei den Versuchen. Gefahrdrohender wurden aber nun die Zustände in Karlsruhe selbst; die Regierung forderte vergebens Truppen von der Reichsgewalt,[157] Da brach in der Nacht vom 13. zum 14. Mai unter der, schon seit einiger Zeit ebenfalls aufsässig gewordenen Garnison der Hauptstadt, auch der offene Tumult aus. Unterstützt vom Pöbel, demolirten die trunkenen Soldaten die Kaserne u. rüsteten sich dann zu einem Sturme auf das Zeughaus, welcher jedoch durch die dort aufgestellte Bürgerwehr abgeschlagen ward. Doch blieb dies Beispiel eines kräftigen Widerstandes nur ein vereinzeltes; die Behörden u. der Großherzog verließen Karlsruhe, u. Letzter ging unter dem Geleite des Generals Hoffmann mit einer schwachen Bedeckung treugebliebener Dragoner über Germersheim nach Hagenau im Elsaß; nach ihm verließ auch das Ministerium die Stadt. Hier ging es inzwischen so toll her, daß dem Gemeinderath kein anderer Ausweg blieb, als den Landesausschuß von Rastadt nach Karlsruhe einzuladen, der auch bereits am 14. Abends seinen Einzug hielt. Brentano versicherte öffentlich, die ganze Bewegung gelte nur der Durchführung der Reichsverfassung; der Landesausschuß wolle nur an der Stelle des geflohenen Großherzogs durch seine Auctoritat für die öffentliche Sicherheit sorgen. Die nächste Maßregel war jetzt die Ernennung einer Executivcommission: Brentano für das Innere, Peter für die Justiz, Goegg für die Finanzen, Eichfeld für den Krieg. Von nun verbreitete sich der Aufruhr wie mit einem Schlage durch das Land; überallentwichen die Beamten; die Gefangenen in Bruchsal, darunter Struve u. Blind, wurden befreit, das Militär löste sich theils gänzlich auf, theils folgte es dem Rufe des Landesausschusses nach Karlsruhe, den wenigen treugebliebenen Abtheilungen unter General Gayling, Hoffmann etc. gelang es bei dem allgemeinen Widerstande an der Grenze nicht, sich auf das Württembergische zurückzuziehen; auch sie lösten sich auf. So war das Land völlig in den Händen des Landesausschusses, welchem aber sowohl alle Anlage zum Regierungsgeschäft, als auch das allgemeine Vertrauen fehlte. Brentano, dies wohl einsehend, suchte darum auch die bisherigen Beamten im Dienste zu erhalten u. zwang die Ängstlichen derselben zu einem zweideutigen Verpflichtungseid. Auch täuschte er sich so wenig über die wahre Sachlage, daß er nur mit der äußersten Mäßigung auftrat, während die Extremen der Partei (Struve, Willich, Heinzen, Becker, Blind, Bornstedt, Tzschirner) mit ihrem Anhang aus allen Nationen, die Republik durch die gewaltsamsten Maßregeln durchzusetzen strebten. Daher entstand schon von vorn herein die feindselige Spaltung in der Partei. Zum Mißlingen ihrer Absicht trug noch bei die täglich zunehmende Unzuverlässigkeit der Truppen, die zum großen Theil der Zuchtlosigkeit müde u. der Republik abhold, nach dem Großherzog u. den früheren Offizieren verlangten u. dadurch den neuen Machthabern unbequem wurden Die ersten Maßregeln der revolutionären Regierung war die Absetzung der bisherigen Minister, Auflösung der Kammern, Berufung einer constituirenden Versammlung, daneben Zurückrufung Heckers aus Amerika, Anordnung einer allgemeinen Gemeindebewaffnung u. der Mobilmachung des ersten Aufgebotes, Einführung unbeschränkter Preßfreiheit, unentgeltliche Aufhebung sämmtlicher Grundlasten, Erklärung der Selbständigkeit der Gemeinden etc. Biel davon kam nie zur Ausführung, gegen manche Verordnung, wie die der Preßfreiheit u. des Postgeheimnisses, sündigte die neue Regierung selbst am schreiendsten. Unterdessen hatte die Regierung auch Kriegs- u. Civilcommissäre in die Städte des Landes geschickt, deren Hauptthaten die waren, daß sie auf öffentliche Kosten ein heiteres Leben führten u. die Bevölkerung schonungslos tyrannisirten. Viel versprach sich die neue Regierung von französischer Hülfe, um welche eine Gesandtschaft, Blind u. Ruge, in Paris nachsuchen sollte; äußeres Ansehen suchte sie sich durch die Verbindung mit dem in Stuttgart tagenden Rumpfparlament. zu geben; außerdem trat sie in ein Bündniß mit der provisorischen Regierung der Pfalz. Über die Wirkung dieser Schritte, wie über die Zustände im übrigen Deutschland, wurde das Volk von der revolutionären Regierung fortwährend durch unwahre Nachrichten getäuscht, jedoch durch Thatsachen bald enttäuscht: in Hessen-Darmstadt, wohin eine bewaffnete Schaar unter Sigel rücken sollte, wurde dieselbe am 30. Mai von hessischem Militär zurückgewiesen u. in größter Verwirrung bis hinter den Neckar zurückgeworfen; in Württemberg, wohin zur Beschleunigung des Aufstandes Fickler geschickt worden war, scheiterte der Plan an der Festigkeit des Ministeriums, u. der Agent selbst wurde am 2. Juni verhaftet. Bei dieser schlimmen Lage der Dinge hatte man sich in Karlsruhe schon am 1. Juni zur Auflösung des Landesausschusses u. Einsetzung einer Provisorischen Regierung entschlossen, in welche außerden Mitgliedern der Executivcommission auch Fickler u. Sigel gewählt worden waren. Doch drohte selbst im Innern des Landes schon eine neue Gefahr. Die äußerste Partei, Struve an der Spitze, fand den Grund der mißlichen Lage in dem Mangel an revolutionärer Energie von Seiten der Regierenden; der von Struve gestiftete Club des entschiedenen Fortschrittes forderte darum von diesen ein anderes Regiment voll durchgreifenden Terrorismus. Nachdruck gab diesen Forderungen die Leibgarde des Clubs, die Schweizerlegion unter Becker u. Bönning. Da aber befahl Brentano, daß die Legion die Stadt verlasse u. an die Hessische Grenze abmarschire, u. als sich dieselbe deß weigerte (5. Juni), stellte sich am nächsten Morgen die Bürgerwehr kampffertig auf. Struves Vermittlung verhinderte einen blutigen Zusammenßstoß, indeß ließ die Regierung, unterdessen verstärkt durch Militär aus Rastadt, Struve, Blecket u. Genossen verhaften, gab dieselben aber wieder frei, u. nachdem die Legion sich zum Abzug bereit erklärt hatte, verließ auch Struve Karlsruhe. Einige Tage darauf, am 10. Juni, ward die Constituirende Versammlung, die über die Regierungsform entscheiden sollte, durch Brentano eröffnet. Die neuen Volksvertreter, überall bei der Mißstimmung des Landes gegen den Zustand der Dinge nur durch Minoritätswahlen ernannt, denen es an Einsicht u. Kenntnissen gänzlich mangelte, wiesen zunächst den am 13. Juni gestellten Antrag auf Zurückberufung des Großherzogs unter Hohn zurück u. gingen daran, zum 3. Mal eine neue Regierungsform zu wählen. Man entschied sich für das Triumvirat, welches durch Brentano, Goegg u. Werner gebildet wurde. Die Bedeutung, welche die Verhandlungen der Versammlung hätten gewinnen können, schwand jedoch bald vor den sich nun vorbereitenden kriegerischen Ereignissen.

f) Der Revolutionskrieg im Juni. Die [158] Reichsgewalt in Frankfurt hatte einen Plan zur Unterdrückung des badischen Aufstandes entworfen. Aber die danach in Aussicht gestellte Hülfe war eine zu entfernte u. unzulängliche, als daß sich die Regierung des Großherzogs darauf verlassen durfte; darum wendete sich derselbe an Preußen, das eben eine rasche u. nachdrückliche Hülfe zu bieten vermochte. In Folge dieses Bündnisses trat der Großherzog, der gegen Ende des Mai nach Deutschland zurückgekehrt war, dem Dreikönigsbündniß bei, entließ am 4. Juni sein bisheriges Ministerium, während Männer der entschiedenen Rechten, Marschall v. Bieberstein, Klüber u. Stabel, das neue Ministerium bildeten. Rasch rückten nun die Preußen vom Niederrhein, der Nahe u. aus Mitteldeutschland vor, über welche der Prinz von Preußen selbst den Oberbefehl übernahm, während eine Reichsarmee (Hessen, Mecklenburger, Württemberger, Nassauer u. Baiern, nebst dem 38. preußischen Regimente) unter Peucker an der Hessischen Grenze aufgestellt war. Dies Neckarcorps stand bereits Mitte Juni vollständig concentrirt da. Zu gleicher Zeit rückte das preußische Corps von der Nahe unter General Hirschfeld bereits in die Pfalz vor, während von Wetzlar her ein drittes unter General Gröben schon in der Nähe des Main stand; es waren zusammen 50,000 Mann Infanterie, 4500 Mann Cavallerie mit 100 Geschützen. In Reserve standen 16,000 Mann Baiern, während Württemberg 8000 Mann bei Heilbronn u. Österreich 10,000 Mann im Vorarlberg aufgestellt hatten. Aber auch in B. hatte sich die revolutionäre Regierung auf den herannahenden Sturm nach Kräften gerüstet. Der Pole Mieroslawski war zur Übernahme des Oberbefehls gewonnen worden, u. unter ihm traten als Befehlshaber ein die Polen Sznayde, Oborski, Gajewski etc., von den Deutschen blieben Willich, Sigel, Eichfeld, Blenker, Anneke, Germ. Metternich, Zitz. Man hatte zu verfügen über drei Truppengattungen: regelmäßiges Heer, etwa 22,000 Mann stark (badisches u. baierisches Militär), Freischaaren u. Bürgerwehr, letztere meist ganz unzuverlässig. Zusammen belief sich die Stärke des ganzen Revolutionsheeres in den besten Momenten auf etwa 45,000 Mann mit circa 80 Geschützen. Die Operationen der preußischen u. Reichstruppen liefen darauf hinaus, den Aufstand zu umzingeln u. durch planmäßiges Zusammenwirken der drei verschiedenen Corps die Aufständischen selbst von einem Rückzuge auf außerdeutsches Gebiet abzuschneiden, – eine Aufgabe, die jedoch nur unvollständig gelang. Am 14. Juni rückte Peucker gegen die Neckarlinie vor, warf zwar die badischen Vorposten bei Weinheim zurück, konnte aber durch seinen linken Flügel im Odenwald keinerlei Vortheile erringen. Am 15. Juni wurde bei Käferthal, Ladenburg u. an der Bergstraße hartnäckig gekämpft. Bei Käferthal u. Weinheim (Bergstraße) wurden die Aufständischen nach einiger Zeit geworfen, während sie im Centrum bei Ladenburg im Ganzen siegreich waren, Ladenburg erstürmten u. Schriesheim besetzten, wobei mehrere feindliche Offiziere in ihre Hände fielen. Unterdessen waren aber die Preußen auf dem linken Rheinufer aus der Pfalz gegen Ludwigshafen vorgedrungen, hatten die badische Volkswehr aus diesem Orte vertrieben u. sie unter heftigem Feuer über die Brücke nach Manheim zurückgeworfen, von wo aus die Aufständischen die Lagerhäuser von Ludwigshafen in Brand schossen. Am 16. Juni griff Mieroslawski die Reichstruppen von Neuem mit seiner ganzen Macht an, wobei bes. um das Dorf Großsachsen mehrere Stunden lang heftig gekämpft wurde. Am 17. Juni war fast das ganze Corps Peuckers in dieser Gegend concentrirt, es hatte seinen Zweck erreicht, die Aufständischen einstweilen am Neckar zu beschäftigen. Unterdessen war der Aufstand in der Pfalz bereits als überwunden zu betrachten, die dortige Provisorische Regierung war entflohen, Landau entsetzt, u. am 18. Juni zog sich der Rest der pfälzischen Insurrectionsarmee unter Sznayde, noch 8000 Mann stark, bei Kandel über die Knielinger Schiffsbrücke auf badisches Gebiet zurück, sie war im Zustande völliger Erschöpfung u. Auflösung (s. Baiern). Am 20. Juni ging General Hirschfeld bei Germersheim ohne bedeutenden Widerstand über den Rhein. Tags vorher hatte das Peuckersche Corps den Weg nach dem oberen Neckar eingeschlagen, am 21. überschritt es nach einzelnen kurzen, aber hartnäckigen Gefechten diesen Fluß bei Zwingenberg. Gröben dagegen hatte am 20. sein Corps in die bisherigen Stellungen des Peuckerschen vorgeschoben. Mieroslawski, so der Einschließung bereits nahe ausgesetzt, entschloß sich jetzt, den schon bis 2 Meilen südlich von Heidelberg vorgedrungenen General Hirschfeld mit seiner ganzen disponibeln Macht (ca. 12,000 Mann) anzugreifen. Daraus entspann sich das blutige Treffen bei Waaghäusel am 21. Juni. Die Preußen, am Morgen zurückgedrängt, vermochten nur erst durch herbeigezogene Verstärkung über die Aufständischen zu siegen. Sznayde war indeß stehen geblieben u. entging unthätig bei Bruchsal kaum der Ermordung durch seine eigenen Leute. Nach ihrer völligen Niederlage eilten die Aussländlischen in wilder Flucht auf Wiesloch u. Heidelberg zu. Manheims u. Heidelbergs weiteres Schicksal war durch dieses Treffen entschieden. Heidelberg wurde am 22. von Mieroslawski verlassen, verfiel aber dann um so widerstandsloser dem Terrorismus der Schweizerlegion, bis der Anzug der Preußen am 23. demselben ein Ende machte. In Manheim erhoben sich bei der Annäherung der Preußen die der Schreckensherrschaft müden Bürger selbst, verständigten sich mit dem Reste badischer Dragoner, entwaffneten die Freischaaren, nahmen den Civilcommissär von Trützschler, der eben mit der Kreiskasse entfliehen wollte, gefangen u. öffneten den Preußen selbst den Weg über die Brücke. Mieroslawski hatte es unterdessen wegen des langsamen Vorrückens des Peuckerschen Corps ermöglicht, über Sinsheim zwischen dem Neckarcorps u. den Preußen durchzumarschiren, worauf er Bruchsal gewann u., nach blutigen Gefechten in dessen Nähe (24. Juni) wie bei Durlach, sich hinter die Murglinie zurückwarf. Karlsruhe bot inzwischen das Bild der vollständigsten Verwirrung dar. Bisher durch die pomphaften Siegesberichte Mieroslawski's stets über die wahre Sachlage getäuscht, konnte man daselbst jetzt nach der wirren Flucht der Revolutionsarmee nicht länger über den schlimmen Stand der Sache der Revolution im Ungewissen sein. Die Provisorische Regierung sammt der Constituirenden Versammlung schickte sich bei Zeiten zum Abzug an, auf welchem sie die eben anlangenden Reste des Parlaments mit der Reichsregentschaft begleiteten, Ihre Flucht ging über Offenburg, das sie am 2. [159] Juni erreichten, u. Freiburg; mit sich genommen hatten sie die Staats-, Post- u. Amortisationskassen. Schon am Nachmittag des 25. Juni waren unterdessen die Preußen in Karlsruhe eingerückt. Hiernach begann der zweite Theil des Feldzuges, in welchem das Peuckersche Corps wieder einen Flankenmarsch entlang der Württembergischen Grenze nahm, die Preußen aber in der Fronte angreifen sollten, wobei Gröben nun den rechten Flügel der Gesammtarmee bildete, das Hirschfeldsche Corps unter dem Prinzen von Preußen das Centrum. Den Aufständischen blieben noch die Murglinie u. Rastadt u. die Pässe des Schwarzwaldes. Am 29. Juni begann der neue Kampf. Nachdem die Badner bei Ettlingenweiler, nach tapfrer Gegenwehr, geworfen worden waren, rückten die Preußen unaufhaltsam in der Ebene vor, unter stetem Gefecht gegen die Aufständischen, die durch Peucker zugleich von den Bergen herab gedrängt wurden. Nachdem die starken Schanzen zwischen Reu-Malsch u. Muggensturm erstürmt worden waren, ging der Prinz von Preußen bis an die Murg vor. Die Insurgenten waren bereits zum Übergang über diesen Fluß gezwungen worden u. wurden noch während desselben von der preußischen Vorhut beunruhigt, die ihnen bis nach Kuppenheim folgte. An demselben Tage war auch Peucker durch das Gebirge bis an die Murg gelangt, hatte dieselbe unter fortwährendem Gefecht überschritten, Gernsbach genommen u. bedrohte nun von B. aus die Aufständischen bereits im Rücken. Gröben dagegen hatte, von Mühlburg ausrückend, am Abend des 29. Juni Rauenthal genommen u. war bis in die Nähe Rastadts vorgedrungen, u. am 30. Juni ward die Einschließung der Festung Rastadt bewerkstelligt. Bei Oos erlitten Mecklenburger u. Nassauer an demselben Tage noch eine ziemliche Niederlage durch die Volkswehr Beckers, welche dort Stand hielt, um den größeren Massen den eiligen Rückzug nach Süden zu decken. Denn die Auflösung, die immer mehr zu einer wilden Flucht nach dem Rhein u. der Schweizer Grenze wurde, griff bereits weit um sich. In Offenburg versuchte Mieroslawski noch einmal, wiewohl vergebens, die Flüchtigen zu sammeln; dann legte er das Commando nieder u. Sigel übernahm dasselbe; doch hielten seine Schaaren nirgends mehr Stand. Am 11. Juli war das badische Gebiet gänzlich von dem Insurgenten heere geräumt; an 10,000 Mann mit den meisten Führern waren in die Schweiz übergetreten, wo sie alsbald entwaffnet wurden. Gleichfalls am 11. Juli rückten die Hessen u. Mecklenburger schon in Constanz ein, u. der Feldzug war somit beendet. Hecker, der an demselben Tage aus Amerika in Frankreich anlangte, kam zu spät, um eine Rolle in diesem Acte der Badenschen Revolution zu spielen; ohne B-s Boden betreten zu haben kehrte er nach Amerika zurück. Die Provisorische Regierung hatte sich schon längst entfernt. Von der am 28. Juni in Freiburg noch einmal zusammentretenden Constituirenden Versammlung fast offen des Landesverrathes beschuldigt, legte Brentano sofort nieder, entfloh am 29., nicht ohne Schwierigkeiten, nach der Schweiz u. erwiderte die ihm nachgesandte Achtserklärung mit einer Rechtfertigungsschrift, die seine eigenen Genossen schonungslos an den Pranger stellte. Kiefer, an seiner Stelle. zum Dictator ernannt, folgte ihm zwei Tage darauf sammt der ganzen Versammlung auf der, noch eben von ihr als Landesverrath gebrandmarkten Flucht. Am 14. Mai hatte der Landesausschuß in Karlsruhe in den Staatskassen noch 21/2 Mill. Fl. aufgefunden; weder von dieser Summe, noch von späteren Einkünften blieb das Geringste im Lande. Auf gleiche Weise ward auf dem Rückzuge das Vermögen von Privatpersonen in Beschlag genommen; Schlösser wurden geplündert, einzelne Personen, wie ganze Ortschaften wegen angeblich reactionärer Gesinnung gebrandschatzt. Das Revolutionsheer hatte sich in Räuberbanden aufgelöst. Der letzte noch nicht überwundene Punkt in B. war die Festung Rastadt, befehligt von Tiedemann, besetzt von einem Reste badischer Truppen, Polen, Schweizerflüchtlingen u. einer Anzahl Freischaaren, deren Muth täglich durch neue Mährchen genährt ward. Nachdem Gröbens Aufforderung zur Übergabe erfolglos geblieben war, begann am 6. Juli die Beschießung, die jedoch bald wieder eingestellt wurde. Schon bereitete man einen Sturm vor, als 2 Parlamentäre sich mit dem Verlangen meldeten, sich persönlich im Oberlande zu überzeugen, in wie weit die in die Festung gespielten Nachrichten Wahrheit enthielten. Nach ihrer Rückkehr ergab sich die Besatzung endlich am 23. Juli auf Gnade u. Ungnade. Etwa 4500 Mann streckten die Waffen u. wurden dann sofort in die Kasematten abgeführt.

D) Die Restauration bis zum Tode des Großherzogs Leopold, April 1852. Die durch Hülfe preuß. Waffen zurückgeführte Staatsgewalt stellte sich zunächst eine doppelte Aufgabe: Bestrafung der Aufständischen u. Wiederherstellung der staatlichen Ordnung. Sonach wurde ein allgemeiner Belagerungszustand u. Standrecht verkündet, die Gefängnisse füllten sich mit politischen Verbrechern, die Regierungsblätter mit Steckbriefen. Darauf begannen die Kriegsgerichte zu Rastadt, Freiburg u. Manheim ihre Thätigkeit, in deren Folge eine bedeutende Anzahl der am meisten gravirten Theilnehmer am Aufstande standrechtlich erschossen wurde. Zuerst am 31. Juli Dortu, dann bis Ende October Elsenhans, Biedenfeld, Tiedemann (Commandant von Rastadt), v. Trützschler, Höfer, Bönning, Jansen, Bernigau, Mniewski, Dietz u.a.; während eine größere Anzahl zu 10jähriger Zuchthausstrafe verurtheilt, Andere dagegen an die ordentlichen Gerichte. verwiesen wurden. Kinkel, welcher am 29. Mai an der Murg gefangen worden war, ward mit lebenslänglicher Zuchthausstrafe begnadigt. Am 27. Oct. stellten die Standgerichte ihre Thätigkeit ein, während der Kriegszustand mit Standrecht von Monat zu Monat aufs Neue verlängert wurde. Zwei spätere Verordnungen ließen für die verhafteten Unteroffiziere u. Soldaten Strafmilderungen eintreten. Der Reorganisation des Heeres ging eine völlige Auflösung der bisher bestandenen Brigade-, Regiments-, Bataillons-, Compagnie-, Schwadrons- u. Batterieverbände vorher; Offiziere u. Beamte mit Offiziersrang wurden einstweilen u. bis auf weiteres in Ruhestand gesetzt. Ausgenommen von dieser ganzen Maßregel wurden nur die 4. Schwadron des 2. Dragonerregiments u. das 1. Bataillon des 4. Infanterieregiments, die zur Zeit des Aufstandes abwesend in Landau u. Schleswig gewesen waren. Zugleich wurden alle mit der revolutionären Gewalt irgend[160] wie verbunden gewesenen Offiziere, Kriegsbeamte u. Unteroffiziere, die dem Kriegsgericht nicht anheimgefallen waren, vor ein Ehrengericht gestellt, das halb aus preußischen, halb aus nicht compromittirten badischen Offizieren gebildet war; durch die bis zum Januar 1850 von demselben ergangenen Erkenntnisse über 476 Offiziere u. Kriegsbeamte wurden 10 pensionirt u. 21 entlassen. Auch gegen die mit der revolutionären Regierung in Verbindung getretenen Civil- u. Kirchenbeamten wurde ein strafrechtliches Verfahren eingeleitet, in Folge dessen nicht Wenige ihrer Stellen entkleidet wurden. Die geflüchteten Theilnehmer am Aufstande wurden ihres Heimathsrechtes für verlustig erklärt u. in contumaciam verurtheilt; für alle näher od. entfernter Betheiligten wurde außerdem die solidarische Verbindlichkeit für den Schaden von 3 Mill. ausgesprochen, welcher dem Staate durch die Revolution erwachsen war. Der Großherzog kehrte erst nach Vollziehung der ersten strengsten Maßregeln in sein Land zurück u. zog am 16. Aug. 1849 in Karlsruhe ein. Das von Koblenz aus gebildete neue Ministerium bestand nun aus Klüber für das Äußere, Marschall für das Innere, Regenauer für Finanzen, Roggenbach für den Krieg, Stabel für die Justiz. Die militärische Besatzung des Landes bestand, nachdem Peuckers Corps aufgelöst war, von Mitte October an nur aus preußischen Truppen. Doch wurde die ganz nach preußischem Muster vorgenommene Reorganisation des 10,000 Mann starken badischen Heeres eifrig betrieben. Die so neu gebildete Armee sollte nach der Berliner Convention vom 25. Mai 1850 in preußische Garnisonen verlegt werden, B. dagegen von 17,930 Mann Preußen besetzt bleiben, welche jedoch Preußen ohne Weiteres bis auf 10,000 M. vermindern könnte. Die Protestation Österreichs gegen diese Maßregel blieb ohne Erfolg. Der Abmarsch der ersten Hälfte des badischen Contingents nach Preußen, begann mit Mitte Juli 1850, nachdem die von Hannover, den beiden Hessen u. dem österreichischen Festungscommandanten in Mainz demselben in den Weg gelegten Hindernisse theils umgangen, theils beseitigt. worden waren. Hinsichtlich der einzuberufenden Ständeversammlung entschloß man sich endlich, die am 14. Mai unfreiwillig auseinandergegangene, weder vertagte, noch aufgelöste frühere Versammlung beizubehalten. Durch Verordnung vom 1. Dec. 1849 wurde der Landtag für die Periode von 1848 u. 1849 für geschlossen erklärt u. das Beginnen der Periode von 1850 u. 1851 verkündet. Die ausgeschriebenen Ergänzungswahlen von 27 Abgeordneten veranlaßten, bei. fast gänzlicher Enthaltung von der Wahl seitens der radicalen Partei, nur einen Wahlkampf zwischen Altconservativen u. Altliberalen, so daß die Kammer das radicale Element gänzlich verlor; der Beamtenstand war stark vertreten. Die früher ganz republikanischen Bezirke hatten jetzt fast nur Männer von der entschiedenen Rechten gewählt. Die Eröffnung der Kammern erfolgte am 6. März 1850; zum Präsidenten wurde Bekk gewählt. Die Kammer, am 27. März bereits wieder vertagt, sprach nachträglich ihre Beistimmung zu dem Beitritt zum Bündnisse vom 26. Mai aus u. erklärte sich einverstanden mit dem Abmarsche der badischen Truppen nach Preußen. Als Preußen Anfangs November seins Armee wohl machte, rief es seine Truppen aus B. ab, u. das Oberland wurde von einheimischem Militär besetzt. An Klübers Stelle übernahm Freiherr von Rüdt das Portefeuille des Außern. Am Schlusse des Jahres 1850 befand sich B. in einem, nach den Erschütterungen der vorhergehenden Jahre überraschend befriedigenden Zustande, Bei den ausnehmenden Hülfsquellen des Landes war der Wohlstand trotz der erhöhten Steuern u. Leistungen rasch wieder aufgeblüht, u. die Finanzzustände erwiesen sich geregelt. Die trübe Vergangenheit hatte einen günstigen Einfluß auf die Volksstimmung geübt, u. war auch in den unteren Volksschichten noch immer ein Geist der Unruhe, bes. durch aufregende Flugschriften aus der Schweiz genährt, bemerkbar, so war doch die Regierung, unterstützt durch die den geschärften Verordnungen über Presse, Vereine u. Versammlungen, Kriegszustand u. Standrecht bereitwillig zustimmenden Kammern, hinreichend erstarkt, um allen Äußerungen desselben gerüstet entgegen treten zu können. Die seit dem 27. August wieder einberufenen Kammern tagten bis. zum 3. Februar 1851. Die wichtigsten Ergebnisse ihrer Berathungen waren ein neues Gemeindegesetz, das Einführungsgesetz über das 1845 verabschiedete Strafgesetzbuch u. die Schwurgerichtsordnung, eine Abänderung der Proceßordnung, die Gesetze über Presse u. Vereine, über Aufhebung der befreiten Gerichtsstände, ein neues Conscriptionsgesetz, wodurch das Einstandswesen wieder eingeführt wurde. Dem zwischen Württemberg u. B. abgeschlossenen Eisenbahnvertrag, wonach B. der Württembergischen Regierung den Bau u. Betrieb der Bruchsal-Brettener Zweigbahn unter Vorbehalt einjähriger Kündigung überließ, war die Zustimmung der Kammern unter der Bedingung ertheilt worden, daß B. gleichzeitig die Bahn. von Haltingen rheinaufwärts gegen Constanz baue, um ein Gegengewicht gegen Württemberg zu behalten. Zur Ordnung des Staatshaushaltes war der Regierung eine Anleihe von 5 Mill. Fl. bewilligt worden. Auch rücksichtlich der obschwebenden kirchlichen Fragen (s. unten) hatten sich die Kammern vernehmen lassen, indem die 2. Kammer unter dem 30. Januar in einer Adresse an den Großherzog den Wunsch ausgesprochen, daß die Regierung unter Benehmen mit den anderen Regierungen der Oberrheinischen Kirchenprovinz u. unter Berathung von Vertretern der beiden Kirchen in Erwägung ziehe, ob nicht unter vollständiger Wahrung der. Hoheitsrechte rücksichtlich der Erziehung u. Anstellung der Geistlichen, der Disciplinargewalt über dieselben u. der Verwaltung u. Verwendung des Kirchenvermögens andere Bestimmungen getroffen werden könnten, während auch die 1. Kammer um baldige Niedersetzung einer Commission gebeten hatte, welche diejenigen Gesetze u. Verordnungen vorbereiten sollte, wodurch der Katholischen Kirche die gebührende Selbständigkeit eingeräumt u. aus dem Kirchenvermögen die Mittel zur kirchlichen Erziehung der jungen Geistlichen ausgehändigt würden. Schon damals begannen nämlich diese Fragen die Gemüther allgemein zu bewegen; denn das Jahr 1851 ist als der eigentliche Ausgangspunkt des Kirchenstreites zu betrachten, der in seiner weiteren Entwickelung B. in eine neue Verwirrung stürzte. Im Laufe des Jahres 1851 erschienen nun die mit den Stünden vereinbarten Gesetze; so am 20. Mai das auf Klassenwahl[161] beruhende Gemeindegesetz, am 15. Februar das Gesetz über Einführung des Strafgesetzbuches, des neuen Strafverfahrens u. der Schwurgerichte, wodurch zugleich die Todesstrafe wieder eingeführt wurde. Die Schwurgerichte traten vom 1. Juli an ins Leben. Durch Rescript vom 5. Mai wurden die deutschen Grundrechte für rechtlich unwirksam erklärt. Indessen fuhren die Gerichte in der Aburtheilung der aus der Revolutionszeit her Angeklagten fort. Indem ihre Urtheile jedoch meist hart ausfielen, übte der Großherzog fort u. fort ziemlich umfassende Gnadenacte aus; so wurden sämmtliche, zufolge der Ereignisse von 1849 verurtheilten Offiziere bis auf einen einzigen begnadigt u. meist im Civilsache angestellt, während viele andere unter der Bedingung des Auswanderns u. der Zahlung einer Abfindungssumme für den durch die Revolution verursachten Schaden ihrer Hast entlassen wurden. Anfangs Mai beschickte auch B. die Bundesversammlung aufs Neue. Der Anschluß an den Deutsch-österreichischen Postverein wurde den 17. April publicirt. Mit Basel wurden Verhandlungen wegen der Fortführung der neuprojectirten Eisenbahn bis Basel angeknüpft. Am 8. October ward das Justizministerium dem Oberhofgerichtsrath v. Wechmar übertragen. Die Kammern wurden, nachdem mehrere der Opposition angehörige Abgeordnete ihr Mandat niedergelegt hatten u. die Neuwahlen durchaus conservativ ausgefallen waren, am 15. December 1851 eröffnet u. tagten bis 20. März 1852; es wurde unter andern ein Gesetz über Aufhebung der Beeidigung des Militärs auf die Verfassung u. ebenso der Fortdauer des Kriegszustandes angenommen. Hinsichtlich der Unterhandlungen der Regierung wegen Erneuerung des Zollvereinsvertrages mit Preußen (B. gehörte zu den Darmstädter Coalitionsstaaten, s.u. Deutschland) sprach sich der Landtag mehrfach für den Fortbestand des Zollvereins aus. Indessen hatte sich der Zustand des schon seit längerer Zeit leidenden Großherzogs so sehr verschlimmert, daß schon am 21. Februar der zweite Sohn desselben, Prinz Friedrich, mit Wahrnehmung der Regierungsgeschäfte beauftragt worden war.

E) Vom Tode des Großherzogs Leopold bis zur Gegenwart. Am 24. April starb Großherzog Leopold. Die Frage wegen der Regierungsnachfolge war insofern eine eigenthümliche, als der nächste Thronerbe, Erbgroßherzog Ludwig, Krankheitshalber zur Übernahme der Regierung unvermögend war, während der verstorbene Großherzog doch wegen seines Nachfolgers keine Bestimmung getroffen hatte. Indeß regelte sich die Angelegenheit ohne Schwierigkeit, indem mit Zustimmung des Erbgroßherzogs u. unter Beirath der Agnaten, Prinz Friedrich, zweiter Sohn des Großherzogs, als Prinz-Regent die Regierung übernahm. Ein großer Gnadenact begleitete diesen Schritt. Im Ministerium trat keine Veränderung ein, wie überhaupt nichts auf einen Systemwechsel hindeutete. Dagegen gab der Tod des Großherzogs zu einem Zwiespalt zwischen der Staatsgewalt u. dem katholischen Erzbischof Veranlassung. Höchster Entschließung zufolge sollte der Trauergottesdienst für den protestantischen Großherzog Leopold in den katholischen Kirchen des Landes am 10. Mai stattfinden, wie denn auch in drei vorhergehenden Fällen die Todtenfeier der verstorbenen Landesherren durch ein feierliches Requiem in den katholischen Kirchen begangen worden war. Dem entgegen ordnete der Erzbischof zu Freiburg an, daß Tags vorher nur ein Abendgottesdienst mit Gesang abgehalten werden solle. Die Regierung, auf jene Präcedenzfälle verweisend, blieb bei ihrem Verlangen stehen, ohne jedoch den Erzbischof zu einer Abänderung seiner Verfügung bewegen zu können. Die Pfarrgeistlichen schwankten darauf in ihrer Haltung; ein Theil befolgte die Vorschriften der Regierung, ein anderer die des Erzbischofs, während Einzelne den Gottesdienst gänzlich unterließen. Seitens der katholischen Unterthanen schien das Verfahren des Erzbischofs wenig Billigung zu erfahren; die Katholiken von Karlsruhe sprachen dies in einer besonderen Adresse aus, u. der angeordnete Abendgottesdienst mußte dort ganz eingestellt werden. Die Streitfrage schien jedoch bald durch einen Schriftwechsel zwischen dem Prinz-Regenten u. dem Erzbischof gänzlich beigelegt. Da erschien Mitte Juli ein Hirtenbrief des Erzbischofs, der einen strengen Tadel gegen die ungehorsamen Geistlichen enthielt, welche in dem beregten Falle das Meßopfer dargebracht hatten, u. dieselben zur Abhaltung von Bußübungen im Clericalseminar zu St. Peter im Schwarzwalde aufforderte; am mildesten wurden diejenigen beurtheilt, welche die Abhaltung eines Gottesdienstes ganz versäumt hatten u. die nun nur die Erklärung künftigen Gehorsams abgeben u. ihren Fehler durch ein gutes Werk büßen sollten. Die 110 Geistlichen der ersten Kategorie, bei Nichtstellung zu St. Peter mit Amtsentsetzung bedroht, versammelten sich zum Theil am 27. Juli zu Rothenfels u. unterzeichneten dort eine demüthige Abbitte an den Erzbischof, denselben zugleich um Erlaß der angeordneten Strafe ersuchend. Dieser ertheilte jedoch einen abschläglichen Bescheid. Diesem Vorgehen des Erzbischofs gegenüber erließ nun die Regierung ein Rescript, worin unter der Hinweisung, daß der erzbischöflichen Verfügung, wegen des mangelnden Placet, keine Rechtskraft beizulegen sei, den betreffenden Geistlichen vollständiger Schutz zugesichert wurde, während es ihnen doch unbenommen sein sollte, nach ihrer moralischen Überzeugung zu handeln. Trotzdem wagte von den nach St. Peter Berufenen Keiner dem Erzbischof den Gehorsam zu verweigern; mit Ausnahme weniger genügend Entschuldigten unterzogen sich Alle vom 16. August an den auferlegten Bußübungen. Im Übrigen bot das Jahr 1852 wenig weiter hervortretende Erscheinungen dar. Am 1. September wurde der Kriegszustand aufgehoben u. die Wirksamkeit der bürgerlichen Behörden völlig wieder hergestellt; nach den getäuschten Hoffnungen der Umsturzpartei auf die Erhebung Frankreichs im December vorigen Jahres war jede Bewegung im Lande ermattet. Die Auswanderung, von der Regierung selbst durch Beihülfe für Unbemittelte unterstützt, ging wieder in bedeutendem Umfange vor sich. Mit der Schweiz einigte sich B. im August über die Fortführung der Staatsbahn von Haltingen durch Schweizerisches Gebiet bis an den Bodensee; mit Württemberg wurde ein Telegraphenvertrag abgeschlossen, demzufolge die Regierung von Württemberg längs der badischen Verbindungsbahn einen elektrischen Telegraphen herstellte, während zugleich ein solcher auch an der Main-Neckarbahn zum[162] Anschluß B-s an Norddeutschland errichtet wurde. Zugleich trat B. dem Deutsch-österreichischen Telegraphenvereine bei. Erst im Jahre 1853 entfaltete sich der Kirchenstreit, u. zwar nun speciell für B., in seiner ganzen Stärke. Aus der Conferenz der Regierungsbevollmächtigten der zur Oberrheinischen Kirchenprovinz gehörenden Staaten ging eine im Wesentlichen gleichlautende Erklärung der verschiedenen Regierungen vom 5. März mit sehr erheblichen Zugeständnissen für die Bischöfe hervor. Das landesherrliche Placet sollte beschränkt, der Verkehr der Katholiken mit dem Heiligen Stuhle ausdrücklich freigegeben, die Verbindung eines Convictes mit der katholisch-theologischen Facultät angeordnet u. die Mitwirkung der Staatsbehörden bei der Seminarprüfung in eine bloße Kenntnißnahme umgewandelt werden. Über dies erließ die badische Regierung noch besondere Verordnungen über die Verleihung von Kirchenpfründen, wodurch die bischöflichen Rechte bedeutend erweitert wurden, über die Ertheilung des katholischen Religionsunterrichtes an den Volks- u. Gelehrtenschulen, wodurch der Erzbischof einen überwiegenden Einfluß hierauf eingeräumt erhielt; das Institut der landesherrlichen Dekanate wurde aufgehoben, die Verwendung des Kirchenvermögens an die Zustimmung der erzbischöflichen Behörde gebunden u. derselben unbeschränkte Kenntnißnahme von der Verwaltung dieses Vermögens zugestanden, u. neben diesen Zugeständnissen noch weitere in Aussicht gestellt, ja dem Erzbischof bereits im Entwurfe zur Äußerung darüber mitgetheilt. Trotzdem fand diese Nachgiebigkeit der Regierungen bei den Bischöfen die er wartete Anerkennung nicht. Schon unter dem 6. März erließ der Erzbischof von Freiburg als Metropolitan der Oberrheinischen Kirchenprovinz eine Protestation gegen den Inhalt der Regierungserklärungen, u. unter dem 12. April äußerten sich die in Freiburg versammelten Bischöfe dahin, daß sie den Vorschriften u. Anordnungen des Staates bezüglich der Katholischen Kirche als widerkatholisch u. widerrechtlich entschieden entgegentreten würden, u. verwahrten sich zugleich gegen alle Verantwortlichkeit für die Folgen, welche sich aus dem tiefeingreifenden Gegensatze zwischen den von den Regierungen u. den von den Bischöfen befolgten Grundsätzen ergeben dürften. Hierauf verwiesen die Regierungen einfach auf die bestehenden Landesgesetze, wie dies von B. am 21. April geschah, wobei zugleich die Warnung hinzugefügt war, daß allen Übergriffen mit den gesetzlichen Mitteln entgegengetreten werden würde. Die Bischöfe suchten dagegen durch Denkschrift vom 18. Juni ihre früheren Forderungen nun auch rechtlich zu begründen. Von da an hörte nun aber auch das gleichmäßige Vorgehen der fünf Regierungen in dieser Angelegenheit auf. Die übrigen Staaten zogen sich unter mehreren od. wenigeren Zugeständnissen zurück, u. der Streit beschränkte sich von da an auf B. Die Eingabe der Bischöfe vom 18. Juni hatte die badische Regierung unbeantwortet gelassen. Der Erzbischof von Freiburg ging nun, nachdem er durch Schreiben vom 12. Juli der Regierung förmlich abgesagt hatte, eigenmächtig weiter. Er wies bei den Seminarprüfungen nun auch selbst die Gegenwart eines landesherrlichen Commissärs zurück, besetzte Pfarreien, die früher von dem Landesherrn vergeben worden waren etc. So mußte sich auch nun von selbst ein Conflict mit dem Oberkirchenrathe, der staatlichen Aufsichtsbehörde in Sachen des katholischen Kirchenwesens, ergeben. Nächste Veranlassung hierzu bot das Verlangen des Erzbischofs, statt einer Mitaufsicht über das Kirchenvermögen die Oberaufsicht zu führen, u. die deshalb von ihm an den Oberkirchenrath unter Androhung der Excommunication erlassene Weisung, sein Verhalten nur nach seinen Erklärungen zu regeln. Noch einmal erließ die Regierung unter dem 31. October ein abmahnendes Schreiben an den Erzbischof; derselbe erklärte unter dem 14. November, nichts von seiner Verfügung zurücknehmen zu wollen. Da trat die Regierung endlich in bestimmter er Weise auf; eine Verordnung vom 7. November verfügte, daß weder der Erzbischof, noch das Ordinariat, noch in ihrem Namen ein Dritter einen Erlaß ohne Zustimmung u. Billigung des Regierungs-Specialcommissärs (Stadtdirector Burger in Freiburg) ergehen lassen dürfe u. daß gegen Zuwiderhandelnde nach Gesetz vom 24. Juli 1852 zu verfahren sei. Gleichzeitig ward ein Erlaß des Ministeriums des Innern an die katholische Geistlichkeit gerichtet, worin unter Hinweisung auf des Erzbischofs bisheriges Verfahren derselben Treue gegen die Regierung, die sie zu schützen wissen werde, dringend anempfohlen war. Der Erzbischof antwortete hierauf dadurch, daß er im November den Bann gegen die Mitglieder des Oberkirchenraths aussprach. Zugleich erließ er einen Hirtenbrief, der eine offene Kriegserklärung gegen die Regierung enthielt. Er befahl die Verlesung dieser seiner Erlasse von den Kanzeln; die Regierung verbot dies. Die Geistlichkeit war nun erst in die mißlichste Lage versetzt. Eine große Anzahl Pfarrer wurde wegen dieser Verlesung verhaftet, allenthalben erhoben sich gerichtliche Verfolgungen, da auch die Verbreitung des Hirtenbriefes durch Erlaß vom 28. November verboten war. Die Aufregung wurde allgemein. Die Regierung verweigerte die Auszahlung der Gehalte an die vom Erzbischof eingesetzten Priester u. wies die fremden Geistlichen aus, die auf manchen Pfarreien zur Aushülfe dienten; dagegen sendete der Erzbischof den betreffenden Gemeinden keine Seelsorger u. untersagte den benachbarten Pfarrern dort andere als die nothwendigsten Verrichtungen zu besorgen. Unter dieser aufs höchste gestiegenen Verwirrung ging das Jahr 1853 zu Ende. In Anderer Hinsicht bot dasselbe wenig Bemerkenswerthes im Staatsleben. Im Ministerium ging insofern eine Veränderung vor, als der Minister des Innern, Marschall von Bieberstein, am 2. Juni ausschied u. provisorisch durch den Justizminister v. Wechmar ersetzt wurde, wie auch der Kriegsminister v. Roggenbach im December in Pensionsstand trat, worauf sein Portefeuille dem Generalmajor Ludwig übertragen wurde. Ein am 7. December allem Anschein nach gegen das Leben des Prinz-Regenten versuchtes Attentat, das übrigens unaufgeklärt geblieben ist, gab Veranlassung zu den weitesten Ausdeutungen. Am 12. Januar 1854 erfolgte die Eröffnung der Kammern durch den Prinz-Regenten. Die Adressen auf die Thronrede sprachen bezüglich der vom Fürsten hinsichtlich des Kirchenstreites gethanen Äußerungen die vollste Anerkennung u. das unbedingte Vertrauen in die Gesinnungen des Regenten aus. Übrigens beschäftigte sich der Landtag mit wenigen Ausnahmen nur[163] mit finanziellen Arbeiten. Die für den Prinz-Regenten geforderte Civilliste von 650,000 Fl., sowie die von der Regierung verlangte Anleihe von 10 Mill. Fl. zu Eisenbahnbauten u. der Vermehrung des umlaufenden Papiergeldes um 1 Mill. Fl. wurde bewilligt. Der Landtagsschluß erfolgte durch den Prinz-Regenten am 12. April. Der Kirchenstreit wurde in diesem Jahre bis zu den äußersten Verwickelungen fortgeführt. Durch Verordnung vom 25. März 1854 wurde die Verfügung der Regierung vom 7. Nov. 1853 zurückgenommen, auch die Ausweisung der fremden Geistlichen widerrufen, wenn auch unter der Erklärung, daß die Regierung nicht gemeint sei, eine wesentliche Änderung in ihrem bisherigen Standpunkte eintreten zu lassen. Demgemäß wurde gleichzeitig den Bezirksämtern bes. anempfohlen, darauf zu sehen, daß von den Verrechnern der Stiftungen keine Zahlung ohne Anweisung der Regierung geleistet werde. Gegen einen vom Erzbischof wegen des Unterrichts in den Volksschulen an den Clerus gerichteten Hirtenbrief erließ der Oberkirchenrath eine ausdrückliche Verordnung. Die Bestrafung der Geistlichen nahm Seitens der Regierung ihren Fortgang. Nachdem nun die Regierung auch vom Erzbischofe gegebene Anweisungen auf kirchliche Fonds zurückgewiesen hatte, ging der Erzbischof in noch entschiedener er Weise vor. Durch Erklärung vom 12. April ließ er sich dahin vernehmen, daß er künftig keiner weltlichen Behörde irgend welche Wirksamkeit in der Ausübung kirchlicher Rechte u. Pflichten gestatten werde, welche ihm laut der Denkschrift des Oberrheinischen Episkopats zukämen; bei der Verweigerung der Gebühren an die von ihm bestellten Pfarrverweser habe er den betreffenden Geistlichen die Führung der bürgerlichen Standesbücher u. überhaupt die Verrichtungen der bürgerlichen Staatsbeamtung verboten; er werde die, ihrer Pfründen od. Gebühren beraubten Priester von ihren Pastorationsplätzen abberufen u. die Pfarreien sperren, allen ihm unterstellten Geistlichen die Verrichtungen der Staatsbeamtung untersagen, seinem Ordinariat allen Verkehr mit dem Oberkirchenrath, allen ihm untergebenen Priestern den Verkehr mit Staatsstellen in kirchlichen Dingen verbieten; werde ferner Decreturen auf das Vermögen der Kirche ertheilen u. alle geeigneten Anordnungen treffen, um das Vermögen der Kirche von fremden Eingriffen zu befreien. Er erließ auch im Sinne dieser Erklärung unter dem 21. April eine Aufforderung an die Geistlichkeit seines Sprengels. In Folge hiervon schloß nun die Regierung durch weiteren Erlaß die Kirche von jedem Antheil an der Verwaltung ihres Vermögens aus; sie verfügte, daß alle etwaigen Weisungen der Kirchen- u. Stiftsfonds unmittelbar, d.h. ohne Vermittelung der betreffenden Pfarrer, erlassen, alle die Verwaltung u. Verwendung des Fondsvermögens betreffenden Geschäfte nicht mehr durch den Pfarrer besorgt werden sollten. Bes. aber wurde durch Verfügung vom 6. Mai, die nun den Streit zum äußersten trieb, vornehmlich Folgendes verordnet: die Amtsvorstände haben in denjenigen Gemeinden, in denen es nothwendig erscheint, in der Stiftungscommission den Vorsitz entweder selbst als Regierungscommissäre zu führen od. durch Stellvertreter führen zu lassen; der katholische Ortsgeistliche ist aber als Mitglied des Stiftungsvorstandes zu den Sitzungen einzuladen; der Stiftungsverrechner muß überwacht werden, ob er nicht unbefugten Zahlungsanweisungen kirchlicher Behörden Folge zu leisten Willens ist u. ist in diesem Falle zu entlassen. Die Entgegnung des Erzbischofs auf diesen Erlaß erfolgte merkwürdigerweise schon um einen Tag früher, unter dem 5. Mai, er verordnete darin, daß die Ortsstiftungsvorstände das Kirchenvermögen in der bisherigen Weise unter seiner alleinigen Leitung verwalten sollten, daß jeder Verkehr mit weltlichen Stellen aufhören müsse, die Dekanate bei Rechnungsrevisionen etc. an Stelle der Großherzoglichen Ämter zu treten hätten, daß Stiftungsvorstände u. Rechner keine Weisung weltlicher Behörden über Theile des katholischen Vermögens vollziehen, den Seelsorgern dagegen ihr volles Einkommen auszahlen sollten; die Ortsgeistlichen aber wurden angewiesen, diese Befehle den Vorständen mitzutheilen, sie über ihre Willensmeinung zu Protokoll zu vernehmen, die Widerstrebenden zu entsetzen u. die erzbischöfliche Bekanntmachung von den Kanzeln zu verkünden. Nun wurde die Verwirrung allgemein; die Geistlichen wurden in eine immer mißlichere Lage versetzt. Die Regierung mußte in dem Vorgehen des Erzbischofs eine Aufreizung gegen die Staatsgewalt erkennen. Zunächst wurde, da die Regierung das Verlesen der erzbischöflichen Schrift von den Kanzeln nicht hindern konnte, die Confiscation derselben mit aller Strenge betrieben. Danach aber erfolgte am 18. Mai die Einleitung einer strafgerichtlichen Untersuchung gegen den Erzbischof wegen Amtsmißbrauches sowie wegen Störung u. Gefährdung der öffentlichen Ruhe. Am 22. Mai wurde demselben seine Verhaftung angekündigt, u. er in seinem Zimmer von Gendarmen bewacht. Jetzt stellte auf seinen Befehl das Ordinariat seine Geschäfte ein u. berichtete nach Rom, damit der Papst für Verwaltung der Diöcese Fürsorge treffe. Es wurde große Kirchentrauer angeordnet, das Geläute eingestellt etc. Das somit allem Anschein nach bevorstehende Interdict wurde jedoch durch die Entlassung des Erzbischofs aus seiner Hast am 30. Mai, da die Untersuchung geschlossen sei, abgewendet. Inzwischen hatten übrigens auch die Stiftungsräthe ihre Erklärungen abgegeben, u. zwar in einer für den Erzbischof nicht günstigen Weise. Jetzt kam es nun aber auch bei Gelegenheit der Abforderung von Stiftungskisten u. den betreffenden Acten von den Pfarrern hier u. da zu Thätlichkeiten, indem einzelne Gemeinden ihre Geistlichen in der Verweigerung der Abgabe der Schlüssel zu schützen suchten; in den Odenwald wurden vom 28. Mai bis 27. Juni auf 11 Gemeinden Executionstruppen gelegt, worauf die meisten der aufsässigen Gemeinden sich der Regierung unterwarfen. Somit hatte die Regierung jetzt gesiegt; überall waren ihre Stiftungsvorstände in Wirksamkeit. Andererseits gab aber auch der Erzbischof nicht nach u. fuhr namentlich mit Verhängung des großen Bannes gegen regierungstreue Beamte fort. Die Erklärungen des Päpstlichen Stuhles, mit welchem jetzt Graf von Leiningen-Billigheim als außerordentlicher Gesandter des Prinz-Regenten verhandelte, konnten ihn auch nur nach jeder Seite hin ermuthigen. Namentlich nahm der Römische Hof in einer Note vom 8. Juni Partei für den Erzbischof rücksichtlich seines Ausschreibens vom 5. [164] Mai, zeigte sich aber in Folge weiterer Verhandlungen zu einem friedlichen Abkommen geneigt, u. es kam so zuletzt auf Grund der in der Note des Cardinal-Staatssecretärs Antonelli vom 24. Juni dargelegten Ansichten zunächst ein Interim zu Stande, das in seinen wesentlichen Punkten, um nur die nächsten Ursachen des Conflictes zu beseitigen, Folgendes festsetzte: Der Regent zieht die zur Einleitung einer Untersuchung gegen den Erzbischof gegebene Ermächtigung zurück; die Geistlichen u. Laien, welche wegen Handlungen aus Gehorsam gegen den Erzbischof verhaftet sind, werden freigelassen u. die betreffenden Untersuchungen niedergeschlagen; die während der Dauer der Unterhandlungen erledigten Pfarreien werden nicht definitiv besetzt, vielmehr durch, vom Erzbischof zu ernennende Pfarrverweser; das Kirchenvermögen ist vorerst nach dem Zustande vor dem Conflicte fortzuverwalten u. die Regierung nimmt deshalb die während des Conflictes erlassenen Verordnungen zurück; die Stiftungskisten mit Urkunden, Werthpapieren, Schlüsseln etc. werden wieder an den Pfarrer ausgeliefert u. die zufolge des Conflictes abgetretenen Kirchenvorstände übernehmen ihren früheren Dienst wieder, während die von der Regierung eingesetzten abtreten. Dadurch daß der Erzbischof, welcher in dem Interim, bes. wegen der Bestimmung über die Verwaltung des Kirchenvermögens, den eigentlichen Streitpunkt, noch immer eine Verletzung seiner Rechte u. eine Beeinträchtigung seiner kirchlichen Würde erblickte, darauf in Rom behufs der Modificirung desselben, jedoch vergeblich Schritte that wurde die Veröffentlichung der Convention bis zum 20. November verzögert, worauf die Regierung nun auch die zur Vollziehung derselben erforderlichen Maßregeln verfügte. Die offen gelassene, od. vielmehr vom Papste der Entscheidung des Erzbischofs anheimgestellte Frage wegen Zurücknahme der Excommunication der Oberkirchenräthe hatte insofern für dieselben keine Bedeutung, als die Regierung ihnen ihre staatliche Stellung garantirt hatte. Die Verhandlungen wegen einer definitiven Regelung der kirchlichen Verhältnisse, für B. durch Staatsrath Brunner in Rom fortgeführt, wurde auch im Jahre 1855 fortgesetzt. Zur Ordnung der Verhältnisse der Evangelischen Kirche versammelte die Regierung eine Evangelische Generalsynode zu Karlsruhe (vom 13. Juni bis 13. August 1855), welche unter Anderem den Entwurf eines neuen Katechismus berieth u. annahm, der an die Stelle des veralteten sogenannten Heidelberger Katechismus treten sollte. Die Wahlen eines Drittels von Mitgliedern der 2. Kammer gingen ohne politische Aufregung vor sich. In Bezug auf innere Angelegenheiten konnte sich B. zu den bestverwalteten deutschen Ländern mit Recht zählen; namentlich leitete Minister Regenauer mit seltenem Geschick die Finanzen u. Minister Ludwig das Kriegsministerium, so daß, obwohl 18,000 M. u. 2000 Pferde kriegsbereit gehalten wurden, der außerordentliche Aufwand dafür verhältnißmäßig gering war. Die Einnahme der Staatseisenbahnen zeigte ein fortwährendes Steigen. Die seit 1840 unternommene Geradlegung des Rheinstromes war so weit gediehen, daß im Jahre 1855 der Rhein auf Badischem Gebiete um 5–6 Stunden kürzer u. dadurch 18,000 Morgen Land gewonnen worden war. Nach einer amtlichen Mittheilung waren in den Jahren 1844–1855 aus B. 86,410 Personen mit einem Capital von 15,006,716 Fl., wozu der Staat ungefähr 2 Mill. als Unterstützung gegeben hatte, ausgewandert. Indessen blieben doch die Einnahmen in Folge theils der früheren Unruhen, theils der nothwendig gewordenen Vermehrung der Ausgaben, jährlich ungefähr um eine halbe Million Gulden hinter den Ausgaben zurück, so daß die im November 1855 zusammentretenden Kammern in eine Erhöhung der Grund-, Häuser- u. Capitalsteuer willigten, in Folge dessen die reine Staatseinnahme für 1856 zu 10,738,965 Fl., die Ausgabe zu 10,608,007 Fl. u. für 1857 noch günstiger festgestellt werden konnte. Außerdem vereinbarte die Regierung mit den Kammern ein Gesetz, wonach die Scheine zu 5% Zinsen des in den Jahren 1848 u. 1849 aufgenommenen Eisenbahnanlehens (etwas über 4 Mill. Gulden) in 41/2procentige umgewandelt od. im Nennwerth eingelöst wurden; ferner ein Gesetz über Zusammenlegung von Grundstücken einer. Gemeindeflur, ein Gesetz, um die Preßverhältnisse mit dem Bundesgesetze von 1854 in Übereinstimmung zu bringen (der Bundesbeschluß vom 6. Juli 1854 über allgemeine Bestimmungen zur Verhinderung des Mißbrauchs der Presse wurde in B. erst am 5. Februar 1857 im Regierungsblatte bekannt gemacht), u. ein Gesetz zur Aufbringung u. Vertheilung der Beiträge zur Deckung der Gemeindebedürfnisse, letzteres, um einigermaßen den großen Grundherren gerecht zu werden, welche bisher die von einem Gemeinderathe festgestellte Gemeindesteuer bezahlen mußten, ohne an dessen Berathungen theilnehmen zu können. Bei Gelegenheit des Ausgabebudgets nahm die 2. Kammer am 29. Januar 1856, den Vorgängen in anderen deutschen Kammern folgend, einen Antrag an, worin die Regierung gebeten wurde, nach allen ihren Kräften mitzuwirken zur Förderung der Einheit u. Macht des Deutschen Vaterlandes durch eine weitere Entwickelung der Bundesverfassung, um Deutschland wieder auf die Höhe politischer Bedeutsamkeit zu erheben, die seine Bildung, sein Handel u. seine Gewerbsthätigkeit lebhaft erheischte. Diesem Antrag trat am 25. Februar die 1. Kammer bei, wobei der Minister des Äußeren sich dahin aussprach: die Regierung erkenne an, daß die Verfassung des Deutschen Bundes unter Festhaltung der gegebenen Grundlagen einer weiteren Fortbildung fähig sei, um die Bundesversammlung in Stand zu setzen, die Förderung der gemeinsamen deutschen Interessen mehr als bisher in die Hand zu nehmen. Auch seien schon die nöthigen Schritte gethan worden, daß in dieser wichtigen Angelegenheit das geschähe, was unter den gegebenen Verhältnissen überhaupt möglich sei. Inder That nahm die Regierung auch nach Schluß des Landtages, der am 10 April erfolgte, thätigen Antheil an mehreren Conferenzen von Bevollmächtigten deutscher Staaten in Nürnberg zur Herstellung einer deutschen Handelsgesetzgebung, in Wien zur Vereinbarung eines gemeinschaftlichen Geldes für Deutschland u. Österreich, in München zur weiteren Entwickelung des Postvereines u. im Juni 1857 in Wien zur Verabredung gemeinschaftlicher polizeilicher Maßnahmen. Auf Anregung sämmtlicher Handelskammern B-s verordnete die Regierung (24. December 1855), daß bei Zahlungen im gewöhnlichen Verkehr keine anderen Werthpapiere zugelassen werden sollten, als preußische Kassenanweisungen u. Banknoten, [165] Württembergisches Papiergeld, Großherzoglich Hessische Grundrentenscheine u. die Noten der Bairischen Hypotheken- u. Wechselbank, so wie die der Frankfurter u. Nassauischen Bank. Von Bedeutung für den Gang der Regierung war die Abberufung des strengkatholischen Grafen Andlau vom Gesandtschaftsposten zu Wien, an dessen Stelle der bisherige Minister des Äußeren v. Rüdt kam. Baron v. Meisenburg, seit mehreren Jahren Badischer Gesandter in Berlin, übernahm das Ministerium des Äußeren in Karlsruhe, der frühere Minister des Innern v. Marschall ging als badischer Gesandter nach Berlin (Mai 1856), v. Wechmar trat vom Ministerium der Justiz u. des Innern zurück u. an seine Stelle v. Stengel (September 1856). Bei der fortdauernden geistigen u. körperlichen Gebrechlichkeit des Großherzogs Ludwig u. zur Feststellung der Erbfolge nahm der Prinz-Regent am 5. September 1856 die Würde u. den Titel eines Großherzogs von B. an u. vermählte sich am 20. September zu Berlin mit der einzigen Tochter des Prinzen von Preußen, Prinzessin Luise Marie Elisabeth. Am 11. Juli hatte sich Prinzessin Cäcilie Auguste. Schwester des Großherzogs, mit dem Großfürsten Michael von Rußland verlobt. Der Streit mit der römisch-katholischen Geistlichkeit war nicht beigelegt; aber die Regierung zeigte sich sehr versöhnlich, ohne jedoch im Wesentlichen sich etwas zu vergeben. Der Badensche außerordentliche Gesandte war mit einem Concordatentwurf aus Rom im Herbst 1855 zurückgekehrt, den die Regierung nicht annehmbar fand. Der Regent sah sich veranlaßt, einigen von Seiten des Erzbischofs geschehenen Ernennungen die Bestätigung zu versagen; doch ließ man es geschehen, daß im October 1855 zu Donaueschingen eine Jesuitenmission abgehalten wurde. Unter diesen Umständen reiste Staatsrath Brunner, mit Abschluß des Concordats beauftragt, wieder nach Rom ab. Als der Erzbischof von Freiburg im April 1857 sein 25jähriges Jubiläum feierte, wurde er vom Großherzog selbst in einem Handschreiben beglückwünscht u. ihm die Einrichtung u. Leitung des katholischen Convicts frei gegeben. Am 29. Juni 1856 war die dritte Säcularfeier der Einführung der Reformation in B. unterlebhafter Theilnahme des Publikums ebenso würdig wie feierlich begangen worden. – Vgl. Meier, Genealogische Herführung von uralter Her- u. Ankunft der Hochfürstlichen Häuser B. u. Holstein, Frankf. 1672, Fol.; Der Fürsten u. Markgrafen von Baden Leben, Regierung, Großthaten u. Absterben, Frankf. 1695; Schöpflin, Historia Zaringo-Badensis, Karlsr. 1763–66, 7 Bde.; Sachs, Einleitung in die Geschichte der Markgrafschaft u. des Markgräflichen altfürstlichen Hauses B., ebd. 1764–70,5 Thle.; Dessen Auszug aus der Geschichte der Markgrafschaft etc. Baden, ebd. 1776; Schreiber, Badische Geschichte, ebd. 1817; Bader, Badische Landesgeschichte, Karlsr. 1836; Bekk, Die Bewegung in B., Mannh. 1850; Häusser, Denkwürdigkeiten zur Geschichte der Badischen Revolution, Heidelb. 1851; Kolb, Lexikon von dem Großherzogthum B., ebd. 1813, 3 Bde.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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