Preußen [2]

Preußen [2]

Preußen (Gesch.). Das eigentliche Königreich P. (Ost- u. Westpreußen), wurde in der ältesten geschichtlichen Zeit, im 4. Jahrh. n.Chr., diesseits der Weichsel von den germanischen Gothonen, jenseit von den slawischen Venetä (Wenden) bewohnt; an Letztere schlossen sich jenseit des Niemen die Ästyer (Ästen, Esthen) an. Gothonen u. Wenden waren Einwanderer, u. nach deren Weiterzug erscheinen seit dem 8. Jahrh. jenseit der Weichsel die Pruzzen (Poruzzen), deren Namen Einige für den slawischen für Ästyer halten, während richtiger die Pruzzen (Preußen) die von den finnischen Ästyern ganz verschiedene Urbevölkerung sind; sie stehen neben den Slawen u. bilden mit Letten u. Lithauern den einen Zweig der Litu-slawischen Familie (sd.) des Indogermanischen Völkerstammes. Während der Besetzung des Landes durch die Slawen zurückgedrängt od. unterworfen, traten sie nach dem Abzug derselben wieder frei hervor. Sie hatten eine besondere Regierungsform u. eine Art hierarchische Verfassung, indem der Oberpriester (Griwe) im heiligen Platze Romowe, einen wesentlichen Einfluß auf den Fürsten u. die Häuptlinge (Reiks) der Gaue ausübte (s. Preußische Mythologie). Die alten Preußen werden gerühmt als religiös, arbeitsam u. betriebsam in Ackerbau u. Handel, freiheitsliebend, ehrlich, mildthätig gegen die Armen, einfach in Wohnung, Kleidung, Speise, gastfrei (Fremde galten ihnen als Abgesandte der Götter zu ihnen); dagegen waren sie gewaltige Trinker, u. selbst ihre religiösen Feste waren mit Trinkgelagen verbunden; sie hatten mehre Weiber, die Frauen waren Sklavinnen, welche der Mann um einen bestimmten Kaufpreis als Eigenthum erwarb, u. welche für Ehebruch mit dem Tode bestraft wurden; außer der Ehe war das geschlechtliche Leben ein sehr freies; die Töchter waren geborene Sklavinnen u. deßhalb von dem väterlichen Erbe ausgeschlossen; überflüssig scheinende u. lästige Kinder konnte der Vater aussetzen u. tödten; namentlich geschah dies mit kranken, schwachen u. gebrechlichen Kindern; arbeitsunfähig gewordene Knechte wurden an Bäume aufgehenkt; alte u. kranke Leute, für welche keine Genesung gehofft wurde, wurden getödtet (damit sie desto eher von den Schmerzen befreit würden), namentlich tödteten Kinder so ihre alten Eltern. Die Todten wurden auf Scheiterhaufen verbrannt u. für die Edeln dabei von den Tulissonen ehrende Leichenreden gehalten u. dazu brennende Fackeln geschwungen.

Nach der Sage herrschten unter ihnen im 6. od. 7. Jahrh. die zwei Brüder Bruteno (Pruteno) u. Widewud (Weidewut), Erster als Griwe, Letzter als weltlicher Fürst, u. ihre Würden wurden ihnen erblich zugestanden. Die 12 Gaue des Landes, Lithauen, Schalauen (an der Mündung des Niemen u. längs des Kurischen Hasses), Nadrauen (südlich von diesem, zwischen Niemen u. Pregel), Samland (westlich von letzterem, zwischen der Ostsee u. dem Pregel), Natangen (am linken Ufer des Pregel, südlich von Samland), Ermland (westlich von Natangen), Pogesanien od. Hockerland (westlich von letztrem), Pomesanien (noch westlicher bis an das rechte Ufer der Weichsel), Kulmerland (südlich von letztrem), Galindien (östlich von Pomesanien), Sudauen (östlich von Galindien) u. Barten (in der Mitte aller dieser Landschaften) sollen ihre Namen von den zwölf Söhnen Widewuds erhalten haben. Daß schon zu Ende des 7. Jahrh. Suidbert aus England nach P. gekommen sei u. den Bewohnern das Evangelium gepredigt habe, ist eine blose Sage. Gegen das Ende des 9. Jahrh. fand der Seefahrer Wulfstan die Handelsstadt Truro am Frischen Haff u. nannte das ostwärts von der Weichsel liegende Land Witland. Um die Mitte des 10. Jahrh. landete Hako mit einer Schaar Dänen in Samland, besiegte die Bewohner u. gründete eine dänische Niederlassung. Zu Ende des 10. Jahrh. ging St. Adalbert, Bischof von Prag, nebst Gaudentius, unterstützt von dem Polenherzog Boleslaw dem Großen, nach Pommern u. P., um das Christenthum zu verbreiten, konnte aber nichts ausrichten u. wurde in dem heiligen Platze Romowe in Samland (angeblich beim j. Fischhausen), 23. April 997, von den Preußen ermordet. Den zweiten, ebenfalls mißglückten Versuch, machte St. Bruno (s.d. 5) zuerst 999, dann 1007, ebenfalls von dem Polenherzog Boleslaw unterstützt, aber eben deshalb von den Preußen mir Argwohn angesehen, wurde er über der Predigt mit seinen 18 Begleitern gefangen u. 14. Febr. 1008 od. 1009 enthauptet. Um den Tod der beiden Märtyrer zu rächen, hauptsächlich aber um Eroberungen zu machen, überzog Herzog Boleslaw 1015 P. mit Krieg, verwüstete das Land, zerstörte die Göttersitze u. erzwang von den P. jährlichen Tribut nebst dem Versprechen, sich taufen zu lassen. Bald machten sich aber die Preußen wieder frei u. Schaaren derselben fochten unter dem Fürsten Maslaw von Masovien gegen Kasimir I. von Polen, aber Maslaw unterlag, u. die Preußen mußten von Neuem Gehorsam versprechen. Boleslaw II. siegte wiederholt 1064 an der Ossa über ein Preußenheer u. erzwang den verweigerten Tribut wieder, aber gegen seinen Nachfolger Wladislaw I. lehnten sie sich wieder auf u. unterstützten selbst die aufrührerischen Pommern gegen denselben, wurden aber 1091 bei Nakel geschlagen. Um 1080 hatte auch König Kanut von Dänemark einen Versuch gemacht, das Christenthum in Samland zu begründen, aber ohne Erfolg. Nachdem die Preußen bei den inneren Unruhen u. Thronstreitigkeiten in Polen seit 1138 ungestraft vielfache Raub- u. Plünderungszüge unternommen hatten, brach Boleslaw IV. mit einem großen Heere, von christlichen Priestern begleitet, in ihr Land ein. Einige Landschaften erkannten seine Herrschaft an u. ließen sich taufen, bes. als er versprach, daß jeder Getaufte frei u. im Besitz seiner Güter bleiben sollte. Aber nach Boleslaws Abzug verjagte das Volk die christlichen Priester, versprach jedoch dem Herzog ferner den Tribut zu zahlen, wenn ihnen die Ausübung des Cultus ihrer Väter verstattet werde. Boleslaw bewilligte dies. Als bald darauf die Preußen den Tribut wieder verweigeten[520] u. die Polen einen Rachekrieg unternahmen, wurden sie 1161 in den Wäldern zwischen dem Culmischen Lande u. Pomesanien gänzlich aufgerieben. Diese Niederlage u. innere Kriege machten es den Polen lange unmöglich, etwas gegen die Preußen zu unternehmen u. die Befestigung des Christenthums unter ihnen zu versuchen, dagegen scheint durch den im 11. u. 12. Jahrh. immer lebhafter werdenden Handelsverkehr mit dem christlichen Skandinavien die Bekanntschaft mit dem Christenthum in P. erneuert worden zu sein, u. endlich gelang es 1192 dem König Kasimir II. von Polen die Preußen zu besiegen u. sie zu Christen zu machen. Aber auch jetzt nur auf kurze Zeit. Die Erbfolgestreitigkeiten nach Kasimirs Tode, 1194, in Polen befreiten die Preußen von der Tributzahlung, u. als der schwache König Leszek V. seinem Bruder Konrad das Herzogthum Masovien 1206 abtrat, übten die Preußen in Polen das Vergeltungsrecht u. zwangen Konrad selbst zu temporärem Tribut. Von Konrad unterstützt, versuchte Gottfried, Abt von Lukina, begleitet von dem Mönch Philipp, 1207 nochmals die Preußen zu bekehren. Schon hatten sie auch zwei Häuptlinge getauft, als sie aber durch unvorsichtige Bekämpfung des Heidenthums den Zorn des Volkes provocirten, wurde Philipp erschlagen u. mußte Gottfried fliehen. Erfolgreicher betrieb nun seit 1209 od. 1210 der Bernhardiner Christian aus dem Kloster Oliva das Bekehrungsgeschäft; er war kein Pole, sondern ein Pommer, kannte die Preußische Sprache u. versprach den Bekehrten Achtung ihrer Freiheit, u. so gelang es ihm bald im Culmischen Lande Fortschritte zu machen. In Folge des darüber 1211 nach Rom erstatteten Berichts wurde er vom Papst als Missionär in P. anerkannt, Anfangs unter das Erzbisthum Gnesen gestellt u. dann 1215 zum selbständigen Bischof von P. erhoben, worauf er mehre Missionäre nach P. berief, Schulen stiftete u. den Eltern die weiblichen Kinder, welche zumeist nach der Geburt ermordet wurden, abkaufte u. christlich erziehen ließ. Vielleicht wäre ihm sein Werk auf friedlichem Wege gelungen, wäre nicht die Furcht der Preußen, mit der Annahme des Christenthums auch ihre politische Freiheit zu verlieren, zu groß u. ihr Haß gegen Konrad von Masovien zu glühend gewesen; sie fuhren daher seit 1215 fort, Masovien zu plündern, verwüsteten das ihnen entrissene Culmische Gebiet u. bekriegten auch ihre Stammgenossen, welche den Christenglauben angenommen hatten. Bischof Christian. u. Konrad von Masovien versuchten nun die Bezwingung mit dem Schwert, u. auf ihr Gesuch erließ der Papst Honorius II. 5. Mai 1218 eine Aufforderung in Deutschland, Pommern u. Polen zu einem Kreuzzug gegen die heidnischen P., welcher indeß erst 1223 unter Anführung des Herzogs Heinrich des Bärtigen von Schlesien, welchem sich die Herzöge Swantepolk u. Wratislaw von Pommern anschlossen, zu Stande kam. Da aber die Pommern, in deren Land die Preußen während der Abwesenheit ihrer Herzöge eingefallen waren, wieder abzogen, so zerstreute sich bald auch das übrige Heer, u. die Preußen fielen wiederholt in das ihnen entrissene Masovien u. Kulmerland ein u. zerstörten dort binnen Kurzem 300 Gotteshäuser. Da stiftete Bischof Christian 1225 den geistlichen Orden der Brüder des Ritterdienstes Christi mit dem Gelübde ununterbrochenen Kampfes gegen die Heiden, deren ursprüngliche Zahl von 14 bald bis auf 30 wuchs u. denen Konrad ein Gut in Cujavien verlieh; er ließ sie die Burg Dobrin (davon auch der Ritterorden von Dobrin genannt) an Masoviens Grenze erbauen u. verhieß ihm die Hälfte aller Eroberungen. Doch kurz nach seiner Stiftung blieben in der zweitägigen Schlacht bei Strasburg die Ordensritter bis auf fünf, die Preußen dagegen setzten ihre Raubzüge nach Masovien, Kulmerland u. Cujavien fort.

So in großer Noth, riefen Christian u. Konrad 1226 den Deutschen Orden (s.d.) zu Hülfe, u. versprach demselben dafür die Landeshoheit über das Kulmer Land nebst Orlow in Cujavien einzuräumen. Nachdem der Kaiser Friedrich II. den Orden zu diesem Kriege autorisirt hatte, schickte der Hochmeister Hermann von Salza vorläufig im April 1228 eine Schaar Ordensritter, unter dem zum Landmeister ernannten Hermann Balk, welcher die versprochenen Ländereien besetzen sollte. Auch der Papst bestätigte 1230 dem Orden diese Schenkung u. erließ den Aufruf zu einem neuen Kreuzzug gegen die P. Hermann Balk baute die Burgen Vogelsang u. Nessau u. gründete 1231–33 die Städte Thorn, Kulm u. Marienwerder, welchen das Kulmische Recht (s.d.) verliehen wurde. Obgleich das Kreuzheer aus Deutschland unter dem Burggrafen von Magdeburg 1231 Anfangs Erfolge erfochten hatte, so machten doch die P. immer noch verheerende Einfälle in das christliche Land (auf deren einem sie den Bischof Christian gefangen nahmen u. neun Jahre in Hast behielten); daher kam ein neues Kreuzheer unter den Herzögen von Schlesien, Masovien, Cujavien, Großpolen u. Pommern, welches in Verbindung mit dem Orden 1234 die Preußen an dem Flusse Sirgune in Pomesanien gänzlich schlug. Die schon frühzeitig zwischen dem Orden einer- u. dem Bischof Christian u. Herzog Konrad andererseits über die Lehnshoheit im Lande entstandenen Streitigkeiten wurden 1234 dadurch beigelegt, daß der dem Orden bereits vom Kaiser zugesagte Besitz aller künftigen Eroberungen in P. in unmittelbare Abhängigkeit von dem Päpstlichen Stuhle gestellt ward. Darauf erschien der erste päpstliche Legat, Wilhelm von Modena, in P. Unterdessen wurde auch 1235 der Orden von Dobrin mit dem Deutschen Orden vereinigt. Als 1236 der Markgraf Heinrich von Meißen mit einem neuen Kreuzheere erschien, wurde Pomesanien u. Pogesanien erobert, wo Bürger von Lübeck 1237 den Grund zu der Stadt Elbing legten. Indeß ein in Pomesanien u. Pogesanien ausbrechender Aufstand, so wie die Eifersucht des Herzogs Swantepolk von Pommern nöthigten den Orden sich nach einer Hülfe umzusehen, u. da der Orden der Schwertbrüder in Livland gleichzeitig von den Lithauern u. Russen bedrängt wurde, so vereinigten sich 1237 beide Orden. Zu einer Berathung nach Deutschland berufen, starb der Landmeister dort 1239 u. bald darauf (20. März 1239) auch der Hochmeister Hermann von Salza. Zu seinem Nachfolger wurde Heinrich von Wida (Weida), zum Hochmeister aber Landgraf Konrad von Thüringen erwählt. Bereits 1239 hatte die Eroberung Ermlands mit der Erstürmung der Hauptfeste Balga begonnen, vollendet wurde sie durch ein neues Kreuzheer unter dem Herzog Otto von Braunschweig, welchem sich auch Natangen u. Barten unterwarfen. Zur Sicherung des Eroberten wurden die Burgen Braunsberg, Heilsberg, Rössel, Bartenstein, Schippenbeil u. [521] Kreuzburg aufgerichtet. Bald gerieth aber der Orden in eine bedenkliche Lage, da die Neubekehrten, anstatt ihre Freiheit zu behalten, nun vielmehr in harter Knechtschaft gehalten, sich empörten u. vom Herzog Swantepolk von Pommern unterstützt wurden; doch blieb der Orden in dem bis 1243 geführten Kriege Sieger. Damals theilte auf Befehl des Papstes der Legat Wilhelm von Modena ganz P. in die Bisthümer Kulm, Pomesanien, Ermland u. Samland; zum Metropolitanverbande des Erzbischofs von P. gehörten auch die Bisthümer von Livland, Esthland, Kurland u. Semgallen; der Sitz des Erzbischofs war Riga, wo der erste, Albert, 1255 einzog; der alte Bischof Christian, mit seinen Klagen gegen den Orden vom Papste abgewiesen, starb bald darauf. Swantepolk begann bald den Kampf gegen den Orden aufs Neue, verwüstete das Kulmerland, siegte am Rensensee u. belagerte Kulm, schloß aber 1244 Frieden auf die früheren Bedingungen. Unterdessen war Gerhard von Moosberg, welcher 1241 auf Konrad von Thüringen als Hochmeister gefolgt war, durch Heinrich von Hohenlohe 1244 ersetzt worden. Nur wenige Monate ließ indessen Swantepolk die Waffen ruhen, von seinen Burgen Zantir u. Schwez aus belästigte er die Schiffe des Ordens auf der Weichsel; dem neuen Landmeister von P., Poppo von Osterna, kam 1246 der Hochmeister Heinrich von Hohenlohe selbst mit einem Kreuzheere zu Hülfe, welches Pommern verheerte, den Herzog Swantepolk in einer Schlacht besiegte u. zum Frieden zwang. Aber Swantepolk, welchem die Auslieferung seines in den Händen des Ordens befindlichen Sohnes verweigert wurde, fing den Krieg im Bunde mit den, noch immer in der Empörung verharrenden Preußen 1247 aufs Neue an u. erstürmte Christburg, erlitt aber sammt den Preußen eine Niederlage, worauf der Landmeister ihn 1248 zum Frieden zwang. Jetzt wandte der Orden seine Waffen gegen die abgefallenen Preußen, welche ihm zwar 1248 beim Dorfe Kruken eine Niederlage beibrachten, 1249 aber kamen der Markgraf Otto von Brandenburg u. Graf Heinrich von Schwarzburg mit vielen Kreuzfahrern in P. an u. unterwarfen Warmien u. Natangen. Darauf wurde durch den päpstlichen Vicar Jakob den 7. Febr. 1249 ein Friede zwischen dem Orden u. den Preußen vermittelt, in welchem Letztere dem Heidenthume gänzlich entsagten, worauf das Christenthum definitiv in den eroberten Theilen P-s eingeführt wurde. Nach dem Ableben des Hochmeisters Heinrich von Hohenlohe wurde Günther von Schwarzburg gewählt, welcher Ludwig von Queden als Landmeister nach P. schickte. Jetzt begann der Kampf gegen die Samländer, welche sich unter allen Preußen am hartnäckigsten der Annahme des Christenthums widersetzten. Poppo von Osterna, 1253 zum Hochmeister erkoren, betrieb mit so großem Eifer einen neuen Kreuzzug, daß noch 1253 der Markgraf Heinrich der Erlauchte von Meißen an der Spitze von zahlreichen Schaaren in P. erschien, mit deren Hülfe die Landschaften Barten u. Galindien unterworfen u. bekehrt wurden. Um die Gemeinschaft der Samländer mit den heidnischen Samaiten u. Lithauern zu verhindern, wurde 1253 Memel angelegt. 1255 kam ein neues Kreuzheer, geführt von dem König Ottokar von Böhmen u. dem Markgrafen Otto von Brandenburg, an der Weichsel an; diese besiegten die Samländer in der Schlacht bei Rudau, zerstörten alle heiligen Stätten derselben u. bekehrten die Leute mit Gewalt. Dann ließ Ottokar in dem Walde Twangste den Grund zu einer Burg legen, welche ihm zu Ehren Königsberg genannt wurde. Die Samländer, schwer gedrückt durch den Orden, empörten sich, wurden aber zum Gehorsam zurückgeführt. Poppo legte 1257 das Hochmeisteramt nieder, u. Anno von Sangerhausen wurde sein Nachfolger. Im Landmeisteramte folgte auf den milden Gerhard von Hirzberg 1259 der strenge Hartmud von Grumbach. Die wegen der unausgesetzten Bedrückungen täglich steigende Erbitterung u. Gährung der Neubekehrten kam endlich nach der großen Niederlage des Ordens an der Durbe 1261 in Livland u. der Verbrennung vieler edlen P. auf der Lanzenburg am 20. Septbr. 1261 zum offenen Ausbruch in Samland, Natangen, Warmien, Barten u. Pogesanien, alle Christen, welche sich außerhalb der festen Schlösser u. Städte befanden, wurden niedergemetzelt u. die Ordensburgen umlagert u. berannt. Auf diese Kunde ließ der Papst das Kreuz gegen die Empörer predigen, u. schon 1262 langte ein neues Kreuzheer an der Weichsel an u. drang bis Pokarwen in Natangen vor, wo es aber geschlagen wurde. Eine zweite Schaar von Kreuzfahrern drang in Samland ein, wurde aber nach Königsberg zurückgeworfen; Heilsberg wurde von den Empörern erobert, Braunsberg von den nach Elbing flüchtenden Bürgern selbst niedergebrannt. Königsberg, Kreuzburg u. Bartenstein hatten die Preußen eng eingeschlossen u. der Orden schien verloren: als 1263 der Hochmeister Anno mit einem Kreuzheer anlangte u. Königsberg befreite. Zur Sicherung der Schifffahrt im Frischen Haff wurde 1264 die Burg Lochstätt erbaut. Endlich gelang es dem Ordensmarschall Dietrich das Gebiet von Bethen, welches die tapfersten Streiter bewohnten, zu unterjochen u. so die Wiedereroberung Samlands zu beendigen. Währenddem eroberten andere Empörerschaaren Weistote, Pil u. Wallewona (Schippenbeil), andere erstürmten Kreuzburg u. drangen bis Löbau im Kulmerlande vor, wo der Landmeister Hartmud von Grumbach besiegt u. erschlagen wurde. Sein Nachfolger ward Ludwig von Baldersheim. Auch Bartenstein fiel 1264 in die Hände der Preußen. Während 1266 ein neues Kreuzheer unter Herzog Albert von Braunschweig, Landgraf Albert von Thüringen u. Markgraf Otto von Brandenburg in P. erschien, verband sich nach dem Tode des Herzogs Swantepolk von Pommern (1266), dessen Sohn Mistwin II. mit den Preußen gegen den Orden. Der Landmeister brach zwar verheerend in Pommern ein, aber dafür eroberten u. zerstörten die Warmier die neue Burg Brandenburg. Da erschien endlich 1267 König Ottokar von Böhmen nochmals mit einem Kreuzheere in P., konnte aber nur einen Frieden zwischen Mistwin u. dem Orden (1268) abschließen. Jetzt war bes. das Kulmerland der Angriffspunkt der Lithauer, Sudauer u. Barter. Ludwig von Baldersheim hatte sein Amt niedergelegt, u. an seine Stelle trat 1271 Dietrich von Gatersleben. Ein neues Kreuzheer unter dem Markgrafen Dietrich von Meißen erschien in P.; die Natanger unterlagen in den Schlachten bei Braunsberg u. Brandenburg, worauf Natangen u. Warmien erobert wurden. Nur die Pogesanier widerstanden noch einige Zeit, mußten sich aber endlich auch unterwerfen. Seit 1273 war Konrad von Thierberg [522] Landmeister von P.; er legte 1274, in welchem Jahr Hartmann von Heldrungen Hochmeister wurde, den Grund zu Marienburg, dem nachherigen Haupthause des Ordens. Jetzt begann der Kampf mit den drei letzten Landschaften, Nadrauen, Schalauen u. Sudauen, welche bis 1281 unterworfen wurden. Nach dem Tode Konrads von Thierberg, 1279, folgte Konrad von Feuchtwangen als Landmeister, welcher nach Livland geschickt u. 1280 durch Mangold von Sternberg ersetzt wurde. Zwar machten einzelne Häuptlinge der Sudauer noch Versuche gegen die Herrschaft des Ordens, wurden aber durch wiederholte Heereszüge zur Ergebung gezwungen, bis 1283 der letzte Häuptling Skurda mit den Seinen nach Lithauen auswanderte. So war endlich ganz P. nach vierundfunfzigjährigem Kampfe dem Deutschen Ordenunterworfen.

Noch 1283 st. der Hochmeister Hartmann, ihm folgte Burkhard von Schwenden; auch st. der Landmeister Mangold, u. ihm folgte Konrad von Thierberg der Jüngere. Dieser begann bereits 1284 die Kriege gegen die Lithauer, welche über ein Jahrhundert fortgeführt wurden, sich aber größtentheils auf verheerende Einfälle beschränkten, das Land immer mehr verödeten u. von den Lithauern durch Streifzüge in P. vergolten wurden. Konrad von Thierberg trat 1288 sein Amt an Meinhard von Querfurt ab. Dieser schüttete in sechs Jahren (1289–94) die gewaltigen Nogat- u. Weichseldämme, wodurch die Cultivirung der fruchtbaren Niederungen möglich wurde. Auch in den übrigen Landschaften beförderte er den Ackerbau, erbaute 1290 die Stadt Preußisch-Holland u. unternahm zur Sicherung des Landes manchen siegreichen Kriegszug gegen Lithauen, an dessen Grenzen die Burgen Ragnit u. Tilsit erbaut waren. Unterdessen hatte Burkhard von Schwenden 1290 seine Hochmeisterwürde niedergelegt; sein Nachfolger war Konrad von Feuchtwangen, welcher auf einem Generalcapitel zu Elbing 1296 zum Theil die inneren Verhältnisse des Landes ordnete, u. 1297 Gottfried von Hohenlohe, welcher 1298 zur Schlichtung der Streitigkeiten mit dem Erzbischofe von Riga nach P. kam. Diese Zwistigkeiten hatten ihren Grund darin, daß die Macht des Erzbischofs über die Landesbischöfe bei seiner Entfernung von P. sehr erschüttert wurde, wogegen der Orden im Lande desto mehr Einfluß auf die Bischöfe bekam, da die Domcapitel dem Orden einverleibt waren, als deren Mitglieder nur Ordenspriester aufgenommen u. aus diesen die Bischöfe gewählt wurden. Meinhard von Querfurt legte 1298 sein Landmeisteramt nieder, u. unter den darauffolgenden sechs Landmeistern, von denen einige kaum wenige Monate, keiner über drei Jahre die Verwaltung führte, hat bis auf den letzten Heinrich Grafen von Plötzke (1307–9) die Geschichte des Landes wenige merkwürdige Thaten zu berichten. Die Reihe der Ordensburgen an der südlichen u. östlichen Grenze wurde durch neue Bauten vervollständigt, die Burg Gollub an der Drewenz 1300 neu erbaut, das Dorf Löbenicht 1300 zur Stadt erhoben, Schönsee 1303 wieder errichtet, 1305 Nordenburg gegründet u. 1306–7 die Ordenshäuser Soldau u. Lautenburg. Der Hochmeister kam 1302 nach P. u. versuchte umsonst auf dem Ordenscapitel zu Memel durch Disciplinargesetze die Sittenverderbniß der Ordensritter zu hemmen u. für die Ausführung seines Planes, den Hochmeistersitz nach P. zu verlegen (denn nachdem der Heermeister 1291 Akkon verlassen, hatte derselbe in Venedig einen sehr precären Sitz), die Ritter zu gewinnen. Unmuthig darüber legte er seine Würde nieder, worauf Siegfried von Feuchtwangen erkoren ward. Dem Landmeister Konrad Sack verpfändete 1304 der Herzog Leszek das Gebiet von Michelau u. entsagte 1317 allen seinen Rechten darauf für immer. Ferner hatte 1276 der Herzog Sambor von Pommern das Mewer Gebiet dem Orden geschenkt, welches der erste Schritt zur Erwerbung von ganz Pomerellen war. In dem zwischen dem Markgrafen von Brandenburg u. dem Herzog Wladislaw wegen des Besitzes von Pomerellen ausgebrochenen Kriege übernahm auf des Letzteren Bitte der Landmeister die theilweise Vertheidigung der Burg Danzig u. bemächtigte sich 1308 auch der Stadt, als man seine Forderungen nicht befriedigen wollte. Noch 1308 eroberte der Orden die Burgen Dirschau, Schwez, Konitz u.a., so daß der größte Theil Hinterpommerns schon unter seiner Gewalt stand, worauf am 13. Sept. 1309 der Markgraf von Brandenburg seine Ansprüche auf dieses Land den Rittern verkaufte.

Siegfried von Feuchtwangen, erwägend die Gefahr, welche dem Orden in P. aus den Mißverhältnissen mit dem Erzbischof von Riga drohten, machte in einem Generalcapitel zu Marburg wiederum den Vorschlag, den Sitz des Hochmeisters nach P. zu verlegen, welcher jetzt angenommen wurde, u. so zog er denn im September 1309 in Marienburg ein. In Folge davon wurden auch manche Veränderungen in der Verwaltung nöthig. Zunächst dem Hochmeister stand von jetzt der Großcomthur, diesem folgte der Obermarschall, zugleich Comthur von Königsberg, dann der Oberfpittler, Comthur von Elbing, dann der Obertrapier, Comthur vor Christburg, u. endlich der Treßler; dies waren die fünf Oberbeamten des Ordens. Das ganze Land war in Betreff der Verwaltung in Comthureien, Vogteien u. Pflegeämter abgetheilt, welche nur in ihrem Umfange verschieden, aber nicht einander untergeordnet waren. Die Bewohner P-s bestanden aus deutschen Einzöglingen, welche die Landesritterschaft, den Bürgerstand u. den deutschen Bauernstand bildeten, u. aus den alten P., welche wieder in Withinge (eine durch manche Rechte vom Orden bevorzugte Klasse), in Freilehensleute od. Freie, in Bauern u. Hintersassen zerfielen. Siegfried von Feuchtwangen gab 1309 eine Landesordnung u. vereinigte 31. Juni 1310 Pomerellen mit dem Ordensstaate. Aber die Behauptung dieser Gebietserweiterung verdankt der Orden dem Nachfolger Siegfrieds von Feuchtwangen, Karl Bessart (1311–24), welcher zweimal persönlich zu Avignon den Orden gegen den Erzbischof von Riga vertheidigte u. die Starosteien Lauenburg u. Bütow mit P. vereinigte. Er erbaute Angerburg u. schloß 1320 einen Waffenstillstand mit den Lithauern. Unter dem Hochmeister Werner von Orseln (1324–30) brach 1326 ein Krieg mit Polen u. Lithauen aus, in welchem der Orden, vom König Johann von Böhmen unterstützt, siegreich war u. König Wladislaw 1329 einen Waffenstillstand abschließen mußte. Werner gründete mehre Städte u. befestigte die alten stärker, wurde aber am 19. November 1330 durch den Ordensritter Johann von Endorf meuchlings ermordet. Der Hochmeister Herzog Luder von Braunschweig (1331–34), ein Beförderer der Wissenschaften u. Künste u. selbst [523] Dichter, wurde sammt seinem Orden auf Anstiften der Polen in den Bann gethan. Nun begann König Wladislaw I. von Polen den Krieg aufs Neue, erlitt aber am 27. Sept. 1331 eine Niederlage bei Plowcze in der Gegend von Brezese. Zu Ehren dieses Sieges gründete Luder 1333 die Domkirche im Kneiphofe von Königsberg. Wladislaw schloß einen Waffenstillstand, sein Sohn Kasimir verlängerte denselben u. betrieb aufrichtig den Abschluß eines Friedens, welcher aber erst unter dem Hochmeister Dietrich Burggraf zu Altenburg (1334–41) zu Wissegrod in Ungarn 1335 zu Stande kam; in demselben gab Polen seine Ansprüche für immer auf, erhielt aber dafür die vom Orden gemachten Eroberungen zurück. Doch die polnischen Reichsstände erkannten diesen Frieden nicht an; deshalb wurden 1341 unter böhmischer u. ungarischer Vermittlung in Thorn neue Unterhandlungen gepflogen, u. endlich kam unter dem Hochmeister Ludolf König von Weizau (1342–45) der Friede mit Polen am 8. Juli 1343 zu Kalisch zu Stande. Die Bedingungen waren fast ganz dieselben wie die des Wissegröder Vertrags. Unterdessen wurden die Kriegszüge gegen Lithauen, welches Land der Kaiser Ludwig der Baier 1337 dem Orden geschenkt hatte, fortgeführt, doch waren die Erfolge des Ordens dort gering, u. die Lithauer rächten sich durch verheerende Streifzüge, welche sie bis nach Samland u. Natangen unternahmen, so im Winter von 1343 auf 1344, u. darauf bis auf Kurland u. Livland ausdehnten. Unter dem Hochmeister Heinrich Dusemer von Arffberg (1345–1351) erlitten die Lithauer 1347 eine Niederlage bei Jukaym, fielen aber im nächsten Winter ins östliche P. ein u. bedrohten selbst Königsberg; dagegen griff das Ordensheer Lithauen an, siegte den 2. Febr. 1348 an der Strebe u. erstürmte die Lithauische Burg Welun. Indeß geschah auch Vieles, um Gewerbe u. Handel in Preußen zu heben, Gilden u. Zünfte wurden zuerst vom Hochmeister Dietrich errichtet u. mit Freiheitsbriefen begabt, Dusemer von Arffberg aber ließ die ersten Solidi von Silber prägen. Freilich hatte der Schwarze Tod 1351 auch viele Opfer unter den Einwohnern gefordert. Unter Winrich von Kniprode (1351–82), dem größten aller Hochmeister, machte der Orden einen Einfall ins östliche Samaiten u. Henning Schindekopf, Comthur von Labiau, siegte über die Feinde 1352 an der Deine. Die gegenseitigen Raubzüge konnten keine Entscheidung herbeiführen, selbst die Gefangennahme des Großfürsten Kynstütte 1360 änderte nichts wesentlich, da derselbe aus seinem Gewahrsam zu Marienburg entfloh. 1362 eroberte u. zerstörte Kniprode Kauen, Kynsinites Hauptburg, u. drang 1363 tiefer in Lithauen ein. Die geschwächten lithauischen Fürsten wurden bereits unter sich selbst uneinig; Kynstütte durch den Verlust von Neukauen u. Garthen u. durch viele Niederlagen hart getroffen, schloß 1368 einen Waffenstillstand, brach aber im Januar 1370 wieder gegen Barten, Samland u. Natangen los. Am 6. Febr. kam es zwischen 70,000 Lithauern u. 40,000 Ordenskriegern zur Schlacht, worin der Orden siegte, Kynstütte erhielt Waffenstillstand auf 4 Jahre. Nach Ablauf desselben wurde der Krieg wieder 5 Jahre fortgesetzt, in welchem der Orden Samaiten unterwarf, dessen westlichen Theil er zu einer Ordensvoigtei einrichtete. Nach dem Tode des Großfürsten Olgerd von Lithauen (1380) schloß dessen Sohn Jagello für seine Länder Frieden mit dem Orden. Trotz dieser fast ununterbrochenen Kriege sorgte der Hochmeister für Erweiterung des Ackerbaues, ermunterte den Gewerbfleiß, legte neue Städte u. Burgen an, z.B. Tolkemit, Mühlhausen, die Windenburg an der Memelmündung, Papau, Barten, Taplacken u. Norkitten, errichtete Vorrathshäuser, bemühte sich den Weinbau bei Thorn u. Graudenz durch Winzer vom Rheine zu heben u. beförderte bes. den Handel, indem er die zur Hanse gehörigen Städte Danzig, Königsberg, Elbing, Thorn, Kulm u. Braunsberg in allen ihren Handelsangelegenheiten unterstützte, sorgte für gute Rechtsverwaltung, weshalb auf seinen Befehl die Ritter sich mit Entscheidung schwieriger Rechtsfälle beschäftigen mußten, u. errichtete in den Dörfern Elementar-, in den größeren Städten Lateinische Schulen. Zu seinem Nachfolger wurde Konrad Zöllner von Rotenstein (1382–1390) erwählt, welcher aus Politik sich in den Streit der lithauischen Großfürsten Jagello u. Witold, seit 1382 Kynestütte's Nachfolger, mischte u. Anfangs Jagello's, dann aber Witolds Partei ergriff. Dadurch, daß Jagello 1386 König von Polen wurde u. Lithauen, welches er als Vasallenfürstenthum Witold gegeben hatte, mit Polen verband, erwuchs in diesem Reiche dem Orden ein gefährlicher Feind. Nachdem Jagello, selbst Christ geworden, auch die Lithauer zur Annahme des Christenthums bewogen hatte, fiel für den Orden jeder Grund weg, ferner auf Eroberungszüge in Lithauen auszugehen u. die Hülfe der Christenheit dafür anzurufen, u. er konnte nun die Kreuzfahrer nur durch Söldnerhaufen ersetzen. Das Ordensgebiet wurde 1384 durch den Kauf von Schiefelbein vergrößert, was später den Anlaß zur Erwerbung der ganzen Neumark gab. Der Hofmeister Konrad von Wallenrod (1390– 1393) wollte um jeden Preis Polen von Lithauen trennen u. forderte Deutschlands Ritter zum Beistand des Ordens unter Verheißung eines Ehrentisches auf. Wirklich zogen viele Fürsten u. Ritter herbei, u. der Ehrentisch wurde 1391 mit großer Pracht bei Kauen gedeckt, u. an ihm speisten 12 der vornehmsten Fürsten u. Herren im Angesicht des Heeres, worauf sie mit goldenen u. silbernen Pokalen beschenkt wurden. Aber der Erfolg dieses Feldzugs entsprach den Erwartungen nicht, denn bei der Belagerung Wilnas ging Witold, welcher an dem Kampfe gegen die Polen Theil genommen hatte, zu diesen über u. griff das Ordensheer im Rücken an, so daß nur wenige entkamen. Um den mit der Zeit geschwundenen ritterlichen Geist des Ordens wieder zu wecken, übernahm der Hochmeister Konrad von Jungingen (1393– 1407) 1397 einen Seezug gegen die Vitalienbrüder (s.d.), wobei er die Insel Gothland eroberte, 1400 einen Landkrieg gegen die Samaiten, deren Land er eroberte u. im Frieden mit Polen u. Lithauen zu Raczans 1404 abgetreten erhielt, wogegen er Dobrin u. die Slotoriegegen Bezahlung der darauf geliehenen Pfandsumme zurückgab. Noch bevor dieser Friede zu Stande kam, war 1402 der Kauf der Neumark vom Könige Sigismund von Ungarn, für 63,000 ungarische Gulden erfolgt.

Der Orden u. sein Land blühte mehr denn je, aber schon gab es Zeichen des inneren Verfalls. So war unter anderen am 21. Sept. 1397 die Eidechsengesellschaft, gestiftet von 4 Rittern des Kulmerlandes, zusammengetreten, welche später auf die Bildung des preußischen Städtebundes mächtig einwirkte u. vorzüglich[524] den Abfall des westlichen P-s vom Orden veranlaßte. Ulrich von Jungingen (1407–1410) gerieth wegen eines Aufstandes der Samaiten mit König Wladislaw II. von Polen in Krieg fiel in Polen ein, eroberte das Dobrinerland u. zerstörte die Slotorie. Da trug Wladislaw auf einen Waffenstillstand an, welcher Ende 1400 bei Schwez zu Stande kam. Im Sommer 1410 begann der Krieg wieder, Wladislaw brach mit 160,000 Mann, worunter Russen, Tataren u. Lithauer waren, in P. ein; der Hochmeister, in dessen Heere sich viele deutsche Söldner befanden, zog ihm mit 80,000 M. entgegen; zwischen den Dörfern Tannenberg u. Grünwalde kam es am 15 Juli zur Schlacht; der Sieg schien sich Anfangs auf die Seite des Ordens zu neigen, denn der polnische rechte Flügel floh, aber Witold stellte durch frische Schaaren die Schlacht her u. das Ordensheer unterlag endlich; 60,000 Polen u. 40,000 Ordenskrieger deckten das Schlachtfeld, der Hochmeister, fast alle Gebietiger u. viele Ordensleute waren gefallen, die Ordensfesten standen leer. Nur ein rascher Zug, u. P. war eine polnische Provinz, aber Wladislaw Jagello versäumte in Freudenfesten über den Sieg die rechte Zeit, u. bald erschien dem Orden ein Retter. Heinrich Reuß von Plauen, welcher mit 4000 M. Pomerellen gedeckt hatte, warf sich mit seiner Mannschaft in das unbesetzte Haupthaus Marienburg, versorgte die Festung mit Lebensmitteln, Mannschaft u. Kriegsgeräth, brannte die Stadt Marienburg nieder, zerstörte die Nogatbrücke u. war, als die Polen erschienen, im Stande, eine achtwöchentliche Belagerung auszuhalten; während dieser verloren die Polen viele Leute u. mußten sie auf die Nachricht vom Anrücken der Ungarn aufheben. Heinrich Reuß von Plauen hatte indessen in Deutschland neue Söldner werben lassen u. wurde nun zum Hochmeister erwählt (1410–1413); er setzte den Krieg gegen Polen noch kurze Zeit fort, dann schloß er am 1. Febr. 1411 den ersten Frieden zu Thorn, in welchem der Orden das Dobrinerland an Polen für immer, Samaiten aber auf Lebenszeit an Jagello u. Witold abtrat u. als Lösegeld für die Gefangenen 100,000 Schock Groschen zahlte. 1412 setzte Heinrich den Landesrath zur Besorgung der inneren Verwaltung ein u. mußte, um die Kriegskosten zu decken, drückende Auflagen ausschreiben, manche Ämter einziehen u. die Münze verschlechtern; dadurch machte er sich unbeliebt, dazu kam, daß er mit Gewalt Gehorsam u. Zucht im Orden wieder herstellen, Untreue u. Verrath an Ordensbrüdern u. der Landesritterschaft strafen mußte. Eine Grausamkeit, welche sich der Comthur von Danzig gegen dortige Rathspersonen zu Schulden kommen ließ, entfremdete ihm auch die Städte. Es entspann sich eine Verschwörung, u. Heinrich wurde abgesetzt u. das Haupt der Verschwörung, der Ordensmarschall Michael Küchmeister von Sternberg (1413–1422), zum Hochmeister erwählt. Unter ihm brach sogleich der Krieg mit Polen wieder aus, welchen 1414 ein zunächst auf zwei Jahre geschlossener, dann immer unterbrochner u. erneueter Waffenstillstand endigte. Da Sternberg seine Wirksamkeit durch die innere Ordnung gehindert sah, legte er freiwillig nieder u. erhielt zum Nachfolger Paul von Rußdorf (1422–1440), welcher eifrig bemüht war, die feindlichen Parteien zu versöhnen, aber die erforderliche Kraft dazu nicht besaß. Bald nach seiner Wahl begann der Krieg mit den Polen aufs Neue, welche Kulm u. Golub eroberten; auf Andringen der Stände schloß der Hochmeister am 6. Oct. 1422 den Frieden am Melno-See, in welchem er die Gebiete von Nessau, Samaiten u. Sudauen für immer abtrat. Das Land war gänzlich erschöpft u. man erneuerte, um dem Übel abzuhelfen, 1430 auf einer Tagfahrt zu Elbing den schon früher bestehenden Landrath; er sollte aus dem Hochmeister, 6 Gebietigern, 6 Prälaten, 6 Landesrittern u. 6 Städtedeputirten bestehen, u. ohne deren Zustimmung keine neue Abgabe ausgeschrieben werden. Als der Großfürst Witold von Lithauen 1430 gestorben war, welcher seit 1422 mit dem Orden in Frieden gelebt hatte, u. in Lithauen ein Successionsstreit entstand, unterstützte der Orden den einen Prätendenten, Swydrigailo, Bruder des Königs Wladislaw von Polen, verwickelte sich aber, als Swydrigailo die Waffen gegen Wladislaw ergriff, auch in den Krieg mit Polen u. erlitt eine Niederlage bei Nakel. 1433 brachen die Hussiten mit den Polen verheerend in P. ein u. drangen über Tuchel, Konitz u. Dirschau bis gegen Danzig vor, verließen dann aber P. wieder. Der König von Polen u. der Hochmeister, welche der aufrührerische Geist im Kulmerlande schreckte, schlossen nach vielen Verhandlungen 1434 einen 12 jährigen Waffenstillstand zu Lancziz, welcher 1436 in den ewigen Frieden von Brzesc auf die früheren Bedingungen des Melnoer Friedens verwandelt wurde.

Nun begann der Streit zwischen dem Hochmeister u. dem Deutschmeister in Marburg wegen der Statuten Werners von Orseln, welche die Machtfülle des Ersteren sehr beschränkten, u. nur durch das Einschreiten des Baseler Concils u. das kräftigere Auftreten des Hochmeisters wurde der Deutschmeister einigermaßen zurückgeschreckt. Dann brach auch unter den Ordensbrüdern in P. selbst Zwietracht aus, die Convente zu Königsberg, Balga u. Brandenburg lehnten sich offen gegen den Hochmeister auf, setzten eigenmächtig den Ordensmarschall ab u. konnten nur nach vielen Bemühungen zum Gehorsam zurückgebracht werden. Diese ärgerlichen Auftritte, Willkürlichkeiten einzelner Ordensgebietiger, die große Noth des Landes u. die Schwäche des Hochmeisters trieben Adel u. Städte des Landes 1440 zur Stiftung des Preußischen Bundes zu Marienwerder, welcher dem ganzen Lande gegen jede widerrechtliche Beeinträchtigung Schutz gewähren sollte, jedoch ohne alle Verletzung der Rechte der Landesherrschaft u. des derselben schuldigen Gehorsams. Hans von Baisen u. Hans von Czegen-Berg waren die einflußreichsten u. gewichtigsten Bundesglieder; sehr viel zur Errichtung des Bundes hatte die Eidechsengesellschaft beigetragen. Bald schlossen sich der Deutschmeister u. die drei aufrührerischen Convente dem Bunde an, der Hochmeister aber, welcher im Bunde eine Stütze gegen seine Widersacher zu finden hoffte, unterzeichnete sammt 39 Gebietigern die Bestätigung des Bundesbriefs. Gebeugt durch den noch nicht beendigten Streit mit dem Deutschmeister, durch die Anmaßungen der Stände auf dem Richttage zu Elbing u. durch den sichtlichen Verfall des Ordens legte Paul von Rußdorf 1441 sein Amt nieder, worauf Konrad von Erlichshausen (1441–1449) erkoren wurde. Klug u. gemäßigt hielt er die Ordensbrüder wenigstens von Gewaltschritten gegen den Bund ab, erhielt mit Polen u. Lithauen den Frieden, verglich sich 1443 mit den [525] Seestädten wegen des Pfundzolls u. wies durch seine Beschwerden beim deutschen Kaiser die Eingriffe der Westfälischen Fehme zurück, aber durch den 1446 auf einer Tagfahrt zu Elbing offen ausgesprochenen Wunsch, der Preußische Bund möge sich auflösen, erregte er Mißtrauen gegen sich. Nach seinem Tode wurde Ludwig von Erlichshausen (1450–1467) erwählt; da er vergebens die Auflösung des Preußischen Bundes verlangte, setzte er alles in Bewegung, um den Kaiser u. den Papst gegen den Bund einzunehmen; dieser aber achtete der Drohungen mit Bann u. Reichsacht nicht u. verband sich um so enger. Als endlich im Dec. 1453 der Kaiser den Bund für gesetzwidrig erklärte, trugen die Eidechsenritter dem König Kasimir IV. von Polen den Schutz des Landes an, u. am 4. Febr. 1454 wurde dem Hochmeister der Gehorsam förmlich aufgesagt. Kasimir IV. nahm die Abtrünnigen als Unterthanen auf u. erklärte dem Orden den Krieg.

Hiermit nahm der Dreizehnjährige Krieg seinen Anfang, welcher zumeist in einer Reihe von Verheerungen u. Grausamkeiten bestand. Eine große Zahl von Ordensburgen kam durch Verrath od. Feigheit fast ohne Schwertschlag in die Hände des Preußischen Bundes, doch erfocht der Orden am 17. Sept. 1454 einen Sieg bei Konitz über die Polen. Bei dem Mangel an Geld u. Kriegsbedürfnissen u. von dem Deutschmeister ebenso wie von dem Landmeister in Livland ohne Unterstützung gelassen, verkaufte der Orden schon 1454 die Neumark für 100,000 rheinische Gulden an den Kurfürsten von Brandenburg. Dadurch wurden jedoch seine Bedürfnisse nicht gedeckt, u. als er den deutschen u. böhmischen Söldnern den rückständigen Sold nicht bezahlen konnte, verkauften die Letztern am 15. Aug. 1456 das ihnen verpfändete Hauptschloß Marienburg u. mehre andere feste Plätze für 436,000 Gulden an die Polen. Zwar hielt sich der Orden noch mehre Jahre mit Aufbietung seiner letzten Kräfte, wozu der unermüdliche Spittler Heinrich Reuß von Plauen das Meiste beitrug, als jedoch die Ritter bei Zarnowitz 1462 geschlagen wurden u. das Land völlig erschöpft war, ihre Gegner aber auf gleiche Weise Noth litten, so wurde der zweite Frieden zu Thorn am 19. Oct. 1466 geschlossen. Der Orden trat die westliche Hälfte des Landes (Westpreußen) an Polen ab u. nahm die östliche Hälfte (Ostpreußen) von Polen zu Lehn. Die Größe des Ordens war für immer zertrümmert, aber auch die Glieder des Preußischen Bundes hatten ihren Wohlstand eingebüßt.

Der Hochmeister Ludwig von Erlichshausen verlegte nun seine Residenz nach Königsberg u. überlebte den Sturz der Ordensgröße nur wenige Monate. Sein Nachfolger Heinrich Reuß von Plauen (1467–70) wollte lieber als Statthalter an der Spitze des Ordens stehen, als im hochmeisterlichen Amte die Lehnshuldigung leisten, als er sich endlich doch dazu verstehen mußte, starb er auf der Rückreise zu Mohrungen. Heinrich Reffle von Richtenberg (1470–77) stand mit dem Polenkönige in ziemlich gutem Vernehmen. Dagegen entwarf der Bischof von Samland, Dietrich von Cuba, auf die Gunst des Papstes Sixtus IV. sich stützend, den Plan, mit Hülfe der Landesritterschaft den Orden ganz aus P. zu verdrängen. Als der Hochmeister ihn wegen seines sträflichen Gebahrens 1474 verhaften ließ u. der Bischof in der Hast starb, so wollte der durch falsche Gerüchte erzürnte Papst den Orden aufheben u. ließ sich nur durch den Eid des Hochmeisters u. sieben Eideshelfer, daß sie an dem Tode Dietrichs von Cuba unschuldig wären, besänftigen. Martin Truchseß von Wetzhausen (1477–88) verweigerte, gestützt auf eine päpstliche Bulle u. das Bündniß mit Ungarn u. mit dem Bischof von Ermland, dem König von Polen den Lehnseid, mußte denselben aber 1479 leisten, als der Bischof sich dem Könige unterworfen, Ungarn einen Frieden mit Polen geschlossen u. die Polen in das Ordensgebiet vorgedrungen waren. Von jetzt an sorgte er für bessere Verwaltung des Landes u. Abzahlung der alten Soldschulden; eine Reformation der veralteten Ordensstatuten beim Deutschmeister u. Landmeister von Livland durchzusetzen gelang ihm nicht. Sein Nachfolger Johann von Tiefen (1489–97), ein friedliebender u. gerechter Greis, leistete sogleich Polen den Huldigungseid; er gab eine Landordnung, strebte aber ebenfalls vergebens den Orden zu reformiren u. gerieth in einen langwierigen Streit mit dem Bischof Lucas von Ermland, welcher sich die Gerichtsbarkeit über die Ordensbrüder anmaßen wollte; er st. 1497 in Lemberg. Friedrich, Herzog von Sachsen (1498–1510), von dem Orden in der Hoffnung gewählt, daß er von seinen fürstlichen Verwandten unterstützt, die Lehnsherrschaft der Polen abwerfen u. auch das Verlorene wieder erobern werde, verweigerte Polen die Leistung des Lehnseides u. die Türkenhülfe u. schloß sich fest an das Deutsche Reich an. Die Unterhandlungen über das Lehnsverhältniß mit Polen dauerten lange, ohne zu einem Resultat zu führen, da der Kaiser die Leistung des Lehnseides verbot, der Papst sie aber gebot; vor Beendigung des Streites starb Friedrich 1510 in Deutschland Der neue Hochmeister Markgraf Albrecht von Brandenburg, Sohn des Markgrafen Friedrich von Ansbach u. Baireuth, blieb vorerst noch in Deutschland um die Verwendung des Kaisers beim König von Polen od. die Hülfe des Reichs gegen denselben zu erwirken, während sein Bruder Kasimir beim König u. polnischen Reichstage Abänderungen der Bestimmungen des Thorner Friedens zu erlangen suchen sollte. Aber Polen gab nicht nach; Albrecht war 1512 nach Königsberg gekommen, u. da der König von Polen gerade in Krieg mit Rußland war, so that er vor der Hand nichts, aber nach dem Rückzug der Russen trat er wieder mit seinen alten Forderungen auf. Die Aussicht auf Hülfe von Rom u. von dem Kaiser u. Reich schwand, u. der Hochmeister Albrecht begab sich 1517 nach Berlin, wo er den Deutschmeister zur Zusage von Kriegshülfe u. den Kurfürsten von Brandenburg zu einem Bündniß, gegen Verzichtleistung aller Ansprüche auf die Neumark, bewog. Nach P. zurückgekehrt, rüstete er aufs eifrigste u. schloß mit dem Großfürsten von Moskau ein Bündniß, der Landtag bewilligte ihm 1518 zu diesem Behufe die Accise auf ein Jahr. Als aber im Dec. 1519 die Polen anrückten u. das Bisthum Pomesanien schnell eroberten u. der Bischof sich unterwarf, sah sich Albrecht von allen Verbündeten verlassen u. mußte, da die Polen schon vor Königsberg standen, einen Waffenstillstand schließen u. sich zu Unterhandlungen mit dem König von Polen zu Thorn bequemen. Als aber eine dänische Hülfsmacht in Samland landete u. die deutschen Söldner sich näherten, brach Albrecht die Verhandlungen wieder ab, u. der Krieg begann aufs[526] Neue. Umsonst berannte Albrecht Heilsberg u. versäumte darüber die Zeit, sich mit den deutschen Söldnern an der Weichsel zu vereinigen, diese belagerten vergebens Danzig u. zerstreuten sich dann. Der Krieg wurde nun matt fortgeführt, bis endlich durch kaiserliche u. ungarische Unterhändler am 5. April 1521 ein dreijähriger Waffenstillstand zu Thorn abgeschlossen wurde. Albrecht reiste 1522 nach Deutschland, um dort entweder kräftigen Beistand zur Fortsetzung des Kriegs od. die Vermittelung des Reichs zu einem annehmlichen Frieden zu erhalten. Aber alle seine Bemühungen bei Kaiser u. Reich u. beim Deutschmeister scheiterten. Da lernte Albrecht 1523 bei seinem Aufenthalte in Nürnberg Andreas Osiander kennen u. hatte auch eine Zusammenkunft mit Luther, welcher ihm zur Ablegung des Ordenskleides u. zur Verwandlung P-s in ein weltliches Herzogthum rieth. Seitdem beschäftigte sich der Hochmeister eifrigst mit der Ausführung dieses Plans. Unterdessen hatte in P. die Reformation, bes. durch Georg von Polenz, Bischof von Samland, begünstigt, leicht Eingang gefunden u. 1524 erklärte sich der Bischof selbst offen für Luthers Anhänger. Nun begannen der Herzog Friedrich von Liegnitz u. Markgraf Georg, Bruder des Hochmeisters, Unterhandlungen mit König Sigismund von Polen, welche endlich am 8. April 1525 mit dem Frieden zu Krakau endigten, den auch die Abgeordneten der Stände P-s genehmigten; Sigismund belehnte Albrecht am 10. April zu Krakau. mit P. als einem weltlichen Herzogthum, weil der Orden durch hartnäckige Verweizerung der Huldigung seine Ansprüche darauf verwirkt habe, u. am 9. Mai hielt der neue Herzog seinen Einzug in Königsberg.

Albrecht, erster Herzog von P., vollendete die Reformation in P. Die meisten in P. befindlichen Ordensritter blieben im Lande, erhielten Lehnsgüter u. vermählten sich; der Herzog selbst vermählte sich 1526 mit der Prinzessin Anna Dorothea von Dänemark. Zwar protestirte der Deutsche Orden gegen die Säcularisirung des Landes u. der Kaiser erklärte den Herzog 1532 in die Reichsacht, doch Albrecht blieb im Besitz des Landes, aber Unruhen u. Religionsstreitigkeiten machten ihm viel zu schaffen. Gleich im Anfange seiner Regierung entstand in der Provinz Samland eine Empörung der Bauern gegen den Adel, welche er aber niederwarf; 1530 fanden sich die Wiedertäufer in P. ein u. erregten große Unruhen, später stritt Andr. Osiander, des Herzogs Günstling, heftig mit Joachim Mörlin über die Rechtfertigung; Erster verfolgte die Andersdenkenden, u. viele Prediger wurden des Landes verwiesen od. ihrer Ämter entsetzt. Auch mit den Ständen lebte Albrecht in Streit; ein Betrüger, Pani Scalichius, besaß seit 1562 das Vertrauen des Herzogs u. bewog denselben, viele seiner Räthe in Ungnade zu entlassen u. deren Stellen mit seinen eignen Creaturen zu besetzen. Endlich wandten sich die Stände an den König von Polen, welcher den Herzog zum Vergleich mit den Landständen nöthigte, worauf Scalichius mit seinen Anhängern entfernt wurde. Dieser Wirren ungeachtet, sorgte Albrecht für Schulen, ließ eigne Lehrbücher in Deutscher, Polnischer u. Lithauischer Sprache fertigen, die Bibel ins Polnische u. Lithauische übersetzen u. stiftete 1544 die Universität zu Königsberg; auch ein Landrecht gab er, führte eine gute Polizeiordnung ein, ordnete die Finanzen u. brachte das Land in Wohlstand. Er starb 1568 mit seiner zweiten Gemahlin, Anna Maria von Braunschweig, zu Tapiau an Einem Tage. Albrecht Friedrich war bei seines Vaters Tode noch minderjährig, empfing aber sogleich die Belehnung, u. mit ihm wurden zugleich die fränkische u. kurfürstliche Linie von Brandenburg als Agnaten mit P. belehnt. 1572 übernahm er die Regierung selbst, wurde aber 1573 geistesschwach; deshalb führte Anfangs der Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach, seit 1603 der Kurfürst Joachim Friedrich von Brandenburg u. seit 1608 Johann Sigmund, Joachim Friedrichs Sohn u. des Herzogs Schwiegersohn, die Regentschaft. Nach dem Tode des Herzogs Albrecht Friedrich 1618 folgte ihm Johann Sigmund, ließ sich von Polen belehnen u. vereinigte P. mit Brandenburg; er st. bereits Ende 1618. Die fernere Geschichte unter Johann Sigmunds Nachfolgern (st. 1619), Georg Wilhelm (1619–40), Friedrich Wilhelm (1640–88), genannt der Große Kurfürst, welcher nach dem Sieg bei Warschau 20. Juli 1656 in den Verträgen von Labiau u. 1657 von Welau dem König von Polen die Anerkennung der Souveränetät über Ostpreußen u. Ermland abzwang u. dieselbe 1660 in dem Frieden von Oliva von den Schweden bestätigt erhielt, u. unter Friedrich III. (seit 1688) bis zu dessen Annahme der Königswürde ist unter Brandenburg (Gesch.) VI. C) erzählt; von da an verbinden wir die Geschichte von Brandenburg mit der P-s u. erzählen dieselbe hier weiter.

Friedrich III. erbte von seinem Vater, dem Großen Kurfürsten, die Unabhängigkeit seines Landes, welches bereits 2000 QM. groß u. im gedeihlichsten Aufblühen begriffen war, u. nebst einem wohlgerüsteten Heer von 38,000 Mann u. einem gefüllten Staatsschatz eine feste Stellung unter den Mächten Europas; er selbst förderte die künftige Größe P-s dadurch, daß er durch die Annahme der Königswürde nicht mehr ein bloser deutscher Reichsfürst blieb, sondern einer der Hauptfürsten Europas wurde. Nachdem er von dem Kaiser Leopold I. nach langer Unterhandlung die Genehmigung dazu erhalten hatte, erklärte er sich 18. Jan. 1701 in Königsberg als Friedrich I. zum König von P. u. setzte sich die Krone selbst auf. Von dem Herzogthum P. nahm er die Königswürde an, weil er als Herzog dieses Landes schon souverän war; sein Verhältniß zum Deutschen Reiche wurde dadurch in nichts geändert, indem er zugleich Kurfürst von Brandenburg blieb. Der neue König wurde allgemein anerkannt, nur der Papst protestirte u. Frankreich u. Spanien zögerten mit der Anerkennung. Er liebte die Pracht, begünstigte Wissenschaften u. Künste u. nahm an den Kriegen seiner Zeit Theil; das vom König von Polen an seinen Vater verpfändete u. von ihm 1698 besetzte. Abing räumte er 1700 wieder, dagegen erwarb er in Folge des Erlöschens des Oranischen Mannsstamms 1707 Neufchatel u. Valengin, sowie die Grafschaften Meurs u. Lingen, durch Kauf die Grafschaft Tecklenburg, ferner die Schutzgerechtigkeit über das Stift Quedlinburg u. über die Reichsstadt Nordhausen u. durch Vertrag den Anfall der Grafschaft Limburg; er st. 25. Febr. 1713. Sein einziger Sohn Friedrich Wilhelm I. brachte durch Vermeidung alles äußern Glanzes u. durch Sparsamkeit neue Ordnung u. Haltung in den Staatshaushalt. Dem Friedensschluß[527] zu Utrecht 1713 trat er bei u. erwarb dadurch den größten Theil des Herzogthums Geldern als Entschädigung für das Fürstenthum Orange, welches Ludwig XIV. eingezogen hatte, so wie die Anerkennung der preußischen Königswürde durch Frankreich u. Spanien. 1714 kam Limburg an P. An dem Nordischen Kriege nahm er vermöge seiner Tractate mit Dänemark u. Schweden Theil, ließ durch den Fürsten Leopold von Dessau Rügen u. Stralsund erobern u. erhielt dafür im Frieden 1720 Stettin, die Inseln Usedom, Wollin u. Vorpommern, zwischen der Oder u. Peene, u. gegen zwei Mill. Thlr. Den Versuch, welchen Clement (s.d. 2) machte, ihn mit Besorgniß gegen den Kaiser u. Sachsen zu erfüllen, büßte dieser mit dem Tode. Er verwandelte 1717 den Erbpacht der Domänen in einen Zeitpacht, die adeligen Lehne in Allodien u. setzte an die Stelle des Ritterdienstes den Generalhnbenschoß. 1732 nahm er 18,000 Protestanten aus Salzburg u. 15,000 Dissidenten aus Polen in sein Land auf u. gestattete denselben gleiche Rechte mit seinen Unterthanen. 1726 erkannte er die Pragmatische Sanction des Kaisers Karl VI. an. Obgleich er den, von den Franzosen protegirten geflüchteten König Stanislaw Leßczynski von Polen mit königlichen Ehren in Königsberg aufnahm, unterstützte er nichtsdestoweniger den Kaiser 1733 mit 10,000 Mann gegen Frankreich. Wie er streng gegen sich selbst u. sein Haus war (seinen Sohn, Friedrich den Großen wollte er wegen Fluchtversuchs nach Holland sogar hinrichten lassen, s. Friedrich 18), so führte er auch ein strenges, aber in den Grenzen der Gesetze sich haltendes Regiment; er sorgte für die Verbesserung seiner Länder u. hob die Wohlhabenheit seiner Unterthanen, den größten Theil der Einnahmen verwendete er auf sein Heer (er war ein leidenschaftlicher Freund von großen Soldaten), s. Friedrich 17) u. st. den 31. Mai 1740.

Sein ältester Sohn Friedrich II. der Große erbte von seinem Vater ein schlagfertiges Heer von 70,000 M. u. einen Schatz von fast 9 Mill. Thlr., u. erneuerte sogleich nach dem Tode des Kaisers Karl VI. 1740 bei Österreich die Ansprüche Brandenburgs (s.d.) auf die vier schlesischen Fürstenthümer Jägerndorf, Liegnitz, Brieg u. Wohlau. Noch während der Unterhandlungen darüber rückte er am 23. Dec. 1740 in Schlesien ein u. eröffnete den ersten Schlesischen Krieg. Nach mehren erfochtenen Siegen bei Mollwitz u. Chotusitz, nach der Erstürmung von Glogau u. Prag, nach dem Fall von Breslau, Brieg, Olmütz, Glatz etc. u. nachdem er sich mit Frankreich u. Baiern verbunden hatte (s. u. Österreichischer Erbfolgekrieg), kam endlich unter Englands Vermittelung der Friede zu Breslau zwischen Österreich u. P. vom 11. (4.) Juni 1742 zu Stande, in welchem Maria Theresia Nieder- u. Oberschlesien bis an die Oppa, nebst der Grafschaft Glatz u. der böhmischen Lehnshoheit über Kottbus, Peitz, Zossen u.a. an P. abtrat. 1744 fiel auch das Fürstenthum Ostfriesland (s.d.) bei dem Erlöschen des Regentenstammes an P. Das Waffenglück Österreichs gegen Baiern u. Frankreich erregte bald Besorgnisse in dem König, er verbündete sich mit Frankreich u. schloß den 22. Mai 1744 die Frankfurter Union mit Baiern, Pfalz u. Hessen-Kassel. In dem nun ausbrechenden zweiten Schlesischen Kriege (s. u, Österreichischer Erbfolgekrieg) war Sachsen mit Österreich alliirt u. focht gegen Friedrich; dennoch eroberte er Prag, siegte bei Hohenfriedberg, Sor, Hennersdorf u. Kesselsdorf, nahm Dresden u. führte so, obgleich er Böhmen wieder hatte räumen müssen, den von England vermittelten Frieden von Dresden am 25. Dec. 1745 herbei, in welchem Maria Theresia die Abtretung Schlesiens an P. bestätigte, wogegen Friedrich II. ihren Gemahl, Franz I., als Kaiser anerkannte; Sachsen zahlte an P. 1 Mill. Thlr. u. verhieß die Abtretung von Fürstenberg. Die Zeit des Friedens benutzte der König nun zur Hebung des Ackerbaues, der Gewerbe u. des Handels, zur Verbesserung der Verwaltung u. der Justiz, zur Vermehrung der Staatseinkünfte u. bes. des Heeres; die Akademie der Wissenschaft hatte er schon 1744 wieder eröffnet. Inzwischen sann man in Wien auf Rache; zu Petersburg wurde den 22. Mai 1745 ein Defensivbündniß zwischen Rußland u. Österreich geschlossen, zwischen Österreich u. Sachsen dauerten geheime Unterhandlungen fort, u. Kaunitz suchte Frankreich für Österreich zu gewinnen. Aber auch Friedrich, welcher sein Heer nach dem Frieden bis auf 100,000 M. verstärkte, trat den 16. Jan. 1756 mit Großbritannien in den Neutralitätsvertrag zu Westminster. Als nun Österreich rüstete u. ein Heer in Böhmen aufstellte u. Friedrich Nachricht von dem österreichisch-sächsischen Bündniß gegen ihn erhielt, ließ er plötzlich den 29. August 1756 60,000 Preußen in Sachsen einrücken, u. der Siebenjährige Krieg (s.d.) begann. Er schlug die Österreicher bei Lowositz, wurde aber, nachdem er die Sachsen im Lager bei Pirna gefangen genommen hatte, 1757 in die Reichsacht erklärt. Unbesorgt darum führte er den Krieg fort, schlug die Österreicher bei Prag, mußte aber nach der Niederlage bei Kollin die Belagerung von Prag aufheben, wurde auch von den Schweden u. den Franzosen, welche Letztere er jedoch bei Roßbach gänzlich besiegte, u. durch die Russen, welche durch die Schlacht von Großjägerndorf Altpreußen erobert hatten, gedrängt. Im Wechsel des Kriegsglücks besiegte er die Österreicher bei Leuthen u. 1758 die Russen bei Zorndorf, erlitt aber den gefährlichen Überfall bei Hochkirch u. 1759 bei Kunnersdorf eine Niederlage durch die Russen, worauf seine Generale Fink bei Maxen u. 1760 Fouqué bei Landshut gefangen wurden u. er die Belagerung von Dresden aufheben mußte, ganz Sachsen verlor u. selbst Berlin von Feinden besetzt sehen mußte; er kam zwar durch den Sieg bei Torgau über die Österreicher wieder in Vortheil, aber als nach dem Tode des Königs Georg II. von England, welcher ihn bisher unterstützt hatte, auch die englische Hülfe ausblieb, hielt er sich in Schlesien mehr vertheidigend, schloß sich sogar im Lager bei Bunzelwitz ein u. verlor auch Schweidnitz u. Kolberg. Indeß rettete ihn ein anderer Todesfall aus diesen großen Verlegenheiten; als nämlich 1762 die Kaiserin Elisabeth von Rußland, Friedrichs persönliche Feindin, gestorben war, schloß ihr Nachfolger Peter III. am 5. Mai zu Petersburg Frieden mit dem Könige u. ließ selbst 20,000 M. zu ihm stoßen. Auch Schweden trat durch den Vertrag von Hamburg vom Kriegsschauplatz ab u. Frankreich zog in Folge des Vertrags von Versailles mit England seine Truppen vom Rhein u. der Weser zurück. Nun eroberte Friedrich II. Schweidnitz zurück u. Prinz Heinrich siegte 1762 in der Schlacht bei Freiberg über die Österreicher u. Reichstruppen (über dies alles[528] s. ausführlich unter Siebenjähriger Krieg). Dies war die letzte Schlacht in diesem Kriege, welcher am 15. Februar 1763 durch den Hubertusburger Frieden beendigt wurde. Friedrich II. blieb im Besitz von Schlesien u. Alles so ziemlich in dem Stande, wie vor dem Kriege; die wichtige Folge desselben aber war die Feststellung P-s als europäische Macht u. die Hebung des militärischen u. nationalen Geistes des Volkes.

Die Wunden des Krieges wußte Friedrich schnell zu heilen; zerstörte Städte u. Dörfer wurden wieder aufgebaut, der Ackerbau neubelebt, verarmte Gegenden wieder zum Flor gebracht, verödete mit fremden Einwanderern bevölkert, Sümpfe ausgetrocknet, die Domänen besser bewirthschaftet, Fabriken angelegt od. unterstützt, Pommern u. der Neumark auf zwei Jahre, Schlesien auf sechs Monate die Steuern erlassen, 1764 die Berliner Bank mit 8 Mill. Capital gegründet, 1765 die Levantische Compagnie gestiftet, 1766 ein Handelsvertrag mit Sachsen geschlossen, die Generalaccise u. Zolladministration, die Holzhandlungscompagnie u. die Tabaksadministration eingeführt, der Johannisburger Kanal gegraben, 1769 in der Mark, Pommern u. Schlesien u. 1772 in Ostpreußen die ritterliche Creditkasse u. die Seehandlungscompagnie gegründet, 1774 der Bromberger u. 1776 der Benkenhofer Kanal gegraben u. während aller dieser Sorgen u. Anstrengungen auch noch Prachtbauten (wie das Neue Palais bei Potsdam) ausgeführt, eine gerechte Verwaltung u. unabhängige Justiz eingeführt, religiöse Duldung gegen alle Confessionen u. religiöse Denkarten geübt. Dagegen beschwerte der König 1766 das Land mit der Accise u. später durch das Tabaksmonopol. Auch nach Außen wendete Friedrich seine Aufmerksamkeit, den 11. April 1764 leisteten sich Rußland u. Preußen in einem Vertrage für ihre Länder Gewähr. Durch die den 5. August 1772 zu Petersburg von Österreich, Rußland u. P. beschlossene Erste Theilung Polens kam Westpreußen, mit Ausnahme von Danzig u. Thorn, u. Großpolen bis an die Netze an P. (s. Polen, Gesch.), aus den erlangten Ländern ward eine neue Provinz, Westpreußen, gebildet u. derselben Marienwerder zum Mittelpunkt der Regierung gegeben, in dieser Provinz die Festung Graudenz angelegt, so wie nach dem Frieden alle Festungen, bes. die schlesischen, in den besten Stand gesetzt. Als der Wittelsbachische Mannsstamm in Baiern mit Maximilian Joseph den 30. Dec. 1777 erlosch, erhob Österreich Ansprüche auf die Baierischen Lande u. schloß den 3. Januar 1778 mit dem Erben, dem Kurfürsten Karl Theodor von. der Pfalz, einen Vertrag zu Wien, demgemäß Österreichs Ansprüche von Karl Theodor anerkannt wurden u. Österreicher Niederbaiern, Mindelheim u. die österreichischen Lehen in der Oberpfalz besetzten. Da aber hiergegen, auf Friedrichs II. Veranlassung, der nächste Agnat, der Herzog Karl August Christian von Zweibrücken protestirte u. P. auch die Ansprüche Kursachsens auf das baierische Allod u. Mecklenburgs auf Leuchtenberg vertheidigte, so entspann sich daraus 1778 der Baierische Erbfolgekrieg (s.d.), welchen nach kurzer Dauer der Friede zu Teschen den 13. Mai 1779 endigte. In diesem Frieden erhielt P. von Österreich das Versprechen, daß es den durch das Aussterben des markgräflich brandenburgischen Hauses in Aussicht stehenden Anfall der Länder dieses Hauses, Ausbach u. Baireuth, an P. nicht hindern wolle. 1780 erwarb P. nach Erlöschen des Hauses Mansfeld den bereits unter Magdeburger Hoheit stehenden Theil der Grafschaft Mansfeld. 1781 trat Friedrich der von Rußland gegen England gestifteten Nordischen Neutralität bei. Als 1784 Kaiser Joseph II. Belgien gegen Baiern zu vertauschen beabsichtigte u. auch den Kurfürsten Karl Theodor hierzu gewann, allein der Herzog von Zweibrücken dagegen protestirte u. Friedrich II. um Beistand anrief, so brachte dieser am 23. Juli 1785 den Deutschen Fürstenbund gegen den Kaiser zu Stande, welcher die Erhaltung der Deutschen Reichsverfassung u. die Behauptung der öffentlichen Ordnung in Deutschland gegen Jedermann beabsichtigte. Bald darauf starb jedoch Friedrich II. den 17. Aug. 1786 in Sanssouci; s. Friedrich 18). Er vermehrte sein Reich um 1325 QM. u. 3,760,000 Ew. u. hinterließ seinem Nachfolger einen Staat von 6 Mill. Einw. u. ein Heer von 224,000 Mann.

Da Friedrich II. keine Kinder aus seiner Ehe mit Elisabeth von Braunschweig hinterließ, so folgte seines, bereits 1758 verstorbenen Bruders August Sohn, Friedrich Wilhelm II. Er schien Anfangs im Geiste seines Oheims fortzuregieren, doch entließ er die bei der Regie angestellten Franzosen, richtete die Finanzen zweckmäßiger ein, hob das Tabaksmonopol auf, setzte das schon von Friedrich II. beabsichtigte neue Preußische Landrecht 1791 in Kraft, gründete ein Oberschulcollegium u. germanisirte die Akademie der Wissenschaften in Berlin. Dagegen unterdrückte er, geleitet von seinem Minister Wöllner (s.d.) u. dem General von Bischofswerder, das freie Wort, hob durch sein Religionsedict die religiöse u. kirchliche Freiheit auf u. verschwendete den gesammelten Schatz. In auswärtigen Angelegenheiten übernahm er stets das Amt eines Schiedsrichters u. Vermittlers, u.a. führte er in den Niederlanden 1787 seinen Schwager, den vertriebenen Statthalter Wilhelm V., mit Heeresmacht in das Land zurück (s. Niederlande, S. 910 f.). Den 15. April 1788 schloß er mit Großbritannien ein Vertheidigungsbündniß im Haag, in welchem beide Mächte für die Erbstatthalterschaft Gewähr leisteten u. Schweden, welches im Kriege mit Rußland begriffen war, vor einem drohenden Angriffe Dänemarks sicherten. Bes. betheiligt war P. bei den Ereignissen in Polen u. bei dem Kriege der Russen u. Österreicher gegen die Pforte. Rußlands Einfluß auf Polen wurde immer bedeutender; die Verlängerung des Bündnisses zwischen P. u. Rußland wurde letzter Seits 1789 verweigert, u. während Österreich u. Rußland sich enger an einander schlossen, zog Polen P. in sein Interesse, u. den 29. März 1790 wurde zwischen P. u. Polen ein Freundschafts- u. Bundesvertrag geschlossen. Auch zwischen der Pforte u. P. kam den 20. Februar 1790 ein Bündniß zu Stande, worin P. dem Sultan sein Gebiet verbürgte. P. u. Österreich rüsteten bereits zum Krieg, aber durch den Tod des Kaisers Joseph II. erhielt die Sache eine andere Wendung, der neue Kaiser, Leopold II., schloß auf dem Congreß zu Reichenbach den 27. Juli 1790 mit P. eine Convention, nach welcher der Kaiser sich verpflichtete, den Frieden mit der Pforte auf den Besitzstand wie vor dem Kriege abzuschließen, wogegen P. u. zugleich. die Seemächte die Gewährleistung Belgiens für Österreich übernahmen. Darauf unterzeichnete auch die Kaiserin von Rußland eine Convention mit P. u. Großbritannien[529] wegen des Friedens mit der Pforte. Von nun an aber war ihre Politik auf die Erwerbung Polens gerichtet. In diesem Lande war die Verfassung vom 3. Mai 1791 angenommen worden, u. P. u. Österreich trugen in Petersburg auf die Anerkennung derselben, so wie der Integrität Polens an. Die Unruhen in Frankreich, die unsichere Stellung des Königs gegen die Nationalversammlung u. gegen das Ausland u. die Mißverständnisse zwischen Frankreich u. Deutschland über die Entschädigung der deutschen Reichsstände im Elsaß veranlaßten auch die Souveräne von P. u. Österreich bei deren Zusammenkunft im August 1791 in Pillnitz zu einem Bündniß, in welchem sich Beide ihr Besitzthum garantirten, so wie wechselseitige Unterstützung u. Aufrechthaltung der deutschen Verfassung versprachen. Als nun Frankreich den 20. April 1792 an Österreich den Krieg erklärte, drangen unter dem Herzog von Braunschweig 50,000 Preußen mit Österreichern u. Hessen in Frankreich ein u. bis zum Argonner Wald vor, bald sah sich jedoch der Herzog von Braunschweig zum Vertrag von Valmy genöthigt, durch welchen er einen sechstägigen Waffenstillstand u. einen unangefochtenen Rückzug nach dem Rhein erhielt. Nach der Hinrichtung Ludwigs XIV. u. der Erklärung Frankreichs zur Republik 1793 wurde der Krieg lebhaft fortgeführt, doch im Ganzen mit Nachtheil, u. 1794 legte wegen Mißverständnisse mit den anderen commandirenden Generalen der Herzog von Braunschweig den Oberbefehl nieder u. P. nahm, ohnehin in Polen beschäftigt, seitdem keinen wesentlichen Antheil an dem Kampfe. Möllendorf befehligte zwar an der Stelle des Herzogs von Braunschweig das preußische Heer, u. mit England u. Holland wurde den 19. April 1794 der Subsidienvertrag im Haag erneuert, allein nach mehren unglücklichen Gefechten u. nachdem Belgien für die Verbündeten verloren gegangen war, schloß P. den 5. April 1795 den Frieden zu Basel, in welchem P. seine jenseit des Rheins gelegenen Länder an Frankreich bis zum allgemeinen Frieden überließ u. zugleich die Aussöhnung zwischen Frankreich u. den deutschen Fürsten zu vermitteln versprach (s. u. Französischer Revolutionskrieg). Den 17. Mai 1795 vereinigte sich P. mit Frankreich über eine Demarcationslinie, welche alle norddeutsche Länder, Sachsen ausgenommen, unter preußischen Schutz stellte, u. den 5. August 1796 trat Friedrich Wilhelm II. in einem Vertrage mit Frankreich seine Länder jenseit des Rheins förmlich ab, behielt sich aber dafür Entschädigung diesseit des Rheins vor. Kaum war Friedrich Wilhelm II vom Rhein zurückgekehrt, als der Aufstand der Polen auch in den preußischen, 1793 bei der zweiten Theilung Polens erworbenen Provinzen ihn 1794 nöthigte, ein Heer dorthin zu schicken u. an dem Kriege gegen Polen Theil zu nehmen; die Preußen siegten zwar bei Sczekoczin, wurden aber genöthigt, die unternommene Belagerung von Warschau aufzuheben. Indessen wurde die Insurrection durch die Russen unterdrückt (s. Polen, Gesch.). Unter Friedrich Wilhelm II. gewann P. bedeutend am Umfange; durch einen Vertrag mit dem Markgrafen von Ansbach u. Baireuth erhielt er noch bei Lebzeiten desselben den 2. Decbr. 1791 diese Länder gegen eine jährliche Rente von 500,000 rheinischen Gulden abgetreten u. erneuerte den mit übernommenen Rothen Adlerorden (s.d.). Durch die Zweite Theilung Polens 1793 erhielt P. fast ganz Großpolen, 1000 QM. (Südpreußen), nebst Danzig u. Thorn (s. Polen, Gesch.), den 24. Oct. 1795 in der dritten Theilung Warschau u. mehr als 900 QM. mit 1 Mill. Ew. (s. ebd.). Das erworbene Gebiet in Polen wurde theils zur neuen Provinz Südpreußen geschlagen, theils als Neu-Ostpreußen gleich den übrigen preußischen Landen eingerichtet. Der Druck, unter welchem die niederen Volksklassen in Polen bis dahin geseufzt hatten, hörte auf; der Ackerbau wurde befördert, die Gerechtigkeitspflege verbessert u. Deutsche Sprache u. Sitte eingeführt; dennoch vermochte dies u. die gute Verwaltung nicht die Polen, bes. den Adel, mit der neuen Regierung zu versöhnen; den geheimen Ingrimm derselben nährte auch noch der Umstand, daß der König große polnische Domänen an preußische Generale, Staatsmänner u. sonstige Begünstigte verlieh.

Friedrich Wilhelm II. st. den 16. Nov. 1797 u. ihm folgte sein ältester Sohn Friedrich Wilhelm III. Er war sogleich darauf bedacht, die Mißbräuche u. die Unordnung der vorigen Regierung, bes. das Religionsedict u. das strenge Censurreglement, zu entfernen u. die 22 Mill. Thlr Schulden, welche er von seinem Vater überkommen hatte, zu decken. Die Günstlinge des vorigen Königs wurden verabschiedet, Ordnung u. Sparsamkeit eingeführt, Denk- u. Redefreiheit wieder gestattet, u. bald blühte der Wohlstand P-s wieder auf. Nach Außen hielt Friedrich Wilhelm III. bei der Fortsetzung des Revolutionskrieges durch Österreich u. Rußland bis 1801, ungeachtet ihn diese oft zur Wiederaufnahme des Krieges aufforderten, strenge Neutralität u. trat, durch die Eingriffe der Briten gereizt, 1801 der neuen bewaffneten Neutralität der Nordischen Mächte bei, welche die Aufrechthaltung des neutralen Handels beabsichtigte. Preußische Truppen besetzten Kuxhafen, im April auch Hannover, Bremen, Oldenburg u. Delmenhorst u. sperrten die Elbe, Weser u. Ems, zogen jedoch schon den 1. December wieder ab, weil Großbritannien zum Frieden mit Frankreich geneigt war, der russische Kaiser Alexander dem Interesse Englands sich günstiger zeigte u. ein Vertrag mit England die nordische Neutralität unwirksam machte. Nach dem Frieden zu Luneville den 9. Februar 1801 zwischen Frankreich u. Österreich wollte P. die Wahl des Erzherzogs Anton zum Bischof von Münster nicht anerkennen, weil die Fortdauer der geistlichen Fürstenthümer erst nach der Entschädigung der weltlichen Fürsten beschlossen werden könne, u. schloß den 23. Mai 1802 einen besonderen Entschädigungsvertrag mit Frankreich, nach welchem die Bisthümer Hildesheim u. Paderborn, die Reichsstädte Goslar, Mühlhausen u. Nordhausen, Erfurt mit Bezirk, die Grafschaft Untergleichen mit allen mainzischen Besitzungen in Thüringen, das Eichsfeld, der kurmainzische Antheil an der Ganerbschaft Trefurt u. der Voigtei Dorla, die Abtei Herforden, Quedlinburg, Essen, Elten, Werden, die Propstei Kappenberg u. der südöstliche Theil des Bisthums Münster nebst der Stadt Münster als Ersatz für Kleve, Meurs u. Geldern, welches P. im Baseler Frieden an Frankreich, u. Sevenaar, Huyssen u. Malburg, welche es an die Batavische Republik überlassen hatte, an P. kamen. P. vergrößerte sich hierdurch nicht nur um 180 QM. u. 400,000 Einw., sondern arrondirte sich auch gut. Nach dem Wiederausbruch[530] des Kriegs zwischen England u. Frankreich 1803 u. nach der Besetzung Hannovers durch die Franzosen blieb der König neutral u. ließ sich nicht zur Theilnahme an der Coalition Rußlands u. Österreichs gegen Frankreich bewegen; erst nachdem Bernadotte den 3. u. 5. October die Neutralität des Ansbachschen Gebiets verletzt hatte, rüstete der König sein Heer u. trat zu Potsdam am 3. November 1805 dem Concertvertrage zwischen Rußland u. Österreich bei; vorher, den 26. Octbr., hatte ein preußisches Heer noch im Einverständniß mit Frankreich Hannover besetzt. Als aber die Österreicher u. Russen in Presburg mit Frankreich Frieden machten u. der preußische Gesandte Luchesini den 15. Decbr. in Wien mit Frankreich einen Vertrag schloß, durch welchen P., gegen Überlassung von Ansbach, Kleve u. Neufchatel an Frankreich, bis zum allgemeinen Frieden od. zur künftigen Entschädigung Hannover abgetreten erhielt: nahmen England u. Schweden die preußischen Schiffe in ihren Häfen in Beschlag u. England erklärte am 11. Juni 1806 an P. den Krieg. Indessen dauerten die Willkürlichkeiten Napoleons noch fort; Murat machte als Herzog von Berg Ansprüche auf die preußischen Abteien Essen, Elten u. Verden, Napoleon selbst erklärte die Festung Wesel als französisches Besitzthum, stiftete, ohne P-s Einwilligung, den 12. Juni 1806 unter 16 Fürsten Süd- u. Mitteldeutschlands den Rheinbund, welcher unter seinem Protectorate stehen sollte, bot Großbritannien gegen Zurückgabe Hannovers insgeheim Frieden u. dem Kurfürsten von Hessen, wofern er sich an den Rheinbund anschließen wolle, Fulda an, welches im Besitz des Hauses Oranien war; zugleich verbot er den Hansestädten dem Nordischen Bunde, welchen P. als Gegengewicht gegen den Rheinbund mit Hessen, Sachsen u. anderen norddeutschen Fürsten u. den Freien Städten beabsichtigte, beizutreten. Da schloß sich P. enger an Rußland an, verlangte von Frankreich die Zu-rückziehung seiner Truppen aus Deutschland, die Anerkennung des Nordischen Bundes u. die Abtretung der Festung Wesel, u. als dieses verweigert wurde, erklärte P. den 9. October 1806 den Krieg an Frankreich. Aber dieser Krieg hatte einen unglücklichen Ausgang; die Preußen wurden bei Jena u. Auerstädt geschlagen, fast alle Commandanten übergaben ihre Festungen, Hohenlohe capitulirte bei Prenzlau u. Blücher bei Lübeck, Südpreußen (Polen) fiel von P. ab u. auch Sachsen erklärte sich nach Abschließung des Separatfriedens von Posen im Dec. 1806 für Napoleon (s. Preußisch-russischer Krieg von 1806 u. 1807). Auch die Russen, welche Ende 1806 für P. auf dem Kampfplatze erschienen, wirkten wenig, die Gefechte Anfangs 1807 waren fast alle zu ihrem Nachtheil, Danzig fiel den 24. Mai u. nach dem Siege bei Friedland besetzte Napoleon Königsberg u. trieb die Preußen u. Russen bis über den Memel (Niemen) zurück (s. Preußisch-russischer Krieg von 1806 u. 1807). In dem darauf den 7. u. 9. Juli geschlossenen Frieden zu Tilsit mußte P. die Hälfte seiner Besitzungen (alles Land westlich der Elbe u. Süd-P., sowie einen Theil von West-P.) abtreten, über 25 Mill. Thlr. Kriegsfeuer bezahlen, in seinen Hauptfestungen französische Besatzungen unterhalten u. dem Continentalsystem beitreten u. durfte nur 42,000 M. Soldaten halten.

Aber der König wurde von allen diesen Schlägen nicht niedergeworfen; geistreiche Männer, welche die Lage des Staates richtig würdigten, wurden zu hohen Ämtern befördert, die Lasten den untern Ständen erleichtert, der Bürger in gleiche Rechte mit den früher Beoorrechtetenviugesetzt, das Heer ergänzt u. neu nach Scharnhorsts Ideen organisirt; 1807 wurde die Leibeigenschaft, die Bannrechte, der Mühlenzwang u. das Zunftwesen aufgehoben, die Gewerbefreiheit u. die neue Städteordnung u. Gemeinheitstheilungen veranlaßt, 1808 den Domänenbauern das Grundeigenthum ihrer Besitzungen verliehen u. eine Verordnung über Veräußerlichkeit der Domänen u. Einziehung der Klöster zum Besten des Staats gegeben, 1810 die Universität in Berlin gestiftet u. 1811 die von Frankfurt a. d. O. nach Breslau verlegt. Am 10. Dec. 1808 erhielten die Staatsbehörden eine neue Form, den 26. Dec. alle Staatsbürger der verschiedenen Glaubensparteien gleiche Rechte. Das Meiste von diesem bewirkte der Minister von Stein (s.d.). Zwar erschwerte der Übermuth der Franzosen, welche das Land zwischen Weichsel u. Oder noch über den erzwungenen Vertrag hinaus selbst Berlin, angeblich wegen nicht bezahlter Contribution, bis 1808 besetzt hielten, die Ausführung dieser Maßregeln sehr, u. der Vertrag von Bayonne am 10. Mai 1808 zwischen Frankreich u. dem Großherzogthum Warschau, worin bestimmt wurde, daß Letzteres das aus preußischen Kassen früher erhaltene Geld nicht wieder zu erstatten brauche, kostete die preußische Bank u. Seehandelsgesellschaft über 20 Mill. Thlr. u. viele Waisen u. Mündel im Preußischen Staat kamen dadurch um ihr Vermögen. Durch diese Unthaten Napoleons an ihrem Vaterlande bewogen, stiftete 1808 eine Anzahl Militärs, Civilisten u. Gelehrte zur Hebung u. Erhaltung des guten Geistes ihrer Mitbürger u. zugleich zur Befreiung des Vaterlandes vom französischen Joche den Tugendbund (s.d.). Am 23 Dec. 1809 kehrte Friedrich Wilhelm III. nach Berlin zurück, verlor aber bald darauf am 19. Juli 1810 seine Gemahlin, die von dem ganzen Lande hochverehrte Königin Luise, durch den Tod Nach Steins Austritt aus dem Ministerium, welcher auf Frankreichs Veranlassung geschehen war, weil man ihn für einen Förderer des Tugendbundes hielt, setzte seit 1810 der Staatskanzler von Hardenberg die zeitgemäßen Verbesserungen fort. Als Napoleon 1812 gegen Rußland zu Felde zog u. die Heere der mit ihm verbündeten deutschen Fürsten zum Kampfe aufforderte, mußte auch P. nicht nur ein Hülfsheer von 20,000 Mann stellen (s. u. Russisch-deutscher Krieg gegen Frankreich), sondern das Land wurde von dem durchziehenden französischen Heer durch die Requisitionen wieder in große Noth gestürzt. Aber als Napoleons Macht Ende 1812 in Rußland gebrochen worden war, erhob sich in den Herzen der Preußen neue Hoffnung für die Rettung des Vaterlandes. Der preußische General York schloß mit den Russen den 30. Dec. 1812 einen Waffenstillstand in der Mühle zu Poscherau, nach welchem das preußische Corps von den Franzosen sich trennte u. in Ostpreußen Cantonnirungen bezog. Zwar verweigerte der König scheinbar die Bestätigung desselben, zog York zur Verantwortung u. stellte den General von Kleist an die Spitze des Heeres; bald aber begab sich der König nach Breslau u. zeigte nun offen, daß er Frankreichs Übermuth nicht länger dulden wolle. Starke Rüstungen wurden im Lande betrieben, der König rief[531] 3. Febr. 1813 sein Volk zum Kampfe gegen die fremden Unterdrücker auf; freiwillig stellten sich Tausende unter P-s Fahnen, u. bald stand ein schlagfertiges u. wohlgerüstetes Heer im Felde. Rußland u. P. vereinigten sich in dem Vertrage zu Kalisch den 28. Febr. 1813, in welchem die Wiederherstellung der preußischen Monarchie im früheren Umfange bestimmt wurde. Den 16. März wurde der Krieg von P. an Frankreich erklärt, Landwehr u. Landsturm aufgeboten, das Continentalsystem aufgehoben u. die von P. getrennten Provinzen zum Kampf gegen Napoleon aufgefordert. Anfangs ging der Krieg nicht glücklich für P; zwar zog sich das französische Heer beim Heranrücken der Russen zurück u. stellte sich den 21. März hinter der Saale auf u. Blücher mit der preußischen Armee u. Witgenstein mit den Russen folgten ihm, aber nach der Schlacht bei Lützen wurden die Alliirten hinter die Elbe zurückgedrängt u. zogen sich nach der Schlacht bei Bautzen nach Schlesien zurück, worauf den 5. Juni zu Poischwitz ein Waffenstillstand bis zum 17. August geschlossen wurde (s. u. Russich-Deutscher Krieg gegen Frankreich). Nun erklärte auch Österreich an Frankreich den Krieg, u. ein schwedisches Heer stieß zu den Alliirten u. England schloß mit denselben den 14. Juni einen Subsidienvertrag; den 19. Sept. verabredeten Österreich, Rußland u. P. die Wiederherstellung der österreichischen u. preußischen Monarchie. Nach dem Wiederbeginn der Feindseligkeiten verzögerte die Schlacht bei Dresden nur eine Weile Napoleons Fall, welcher durch die Schlachten bei Großbeeren, an der Katzbach, bei Kulm u. Dennewitz vorbereitet u. endlich durch die Völkerschlacht bei Leipzig vom 16.–19. Oct. entschieden wurde. Napoleon wich nach Frankreich zurück, wohin ihm die Alliirten folgten; nach seiner endlichen Besiegung zogen sie am 31. März 1814 in Paris ein u. schlossen dort am 30. Mai den Ersten Pariser Frieden, in welchem Frankreich so ziemlich auf seine Grenzen vor 1792 zurückgeführt wurde; über das Alles s. Russisch-Deutscher Befreiungskrieg. Auf dem Congreß zu Wien, welcher im Sommer 1814 begann, wurde über die Rückerstattung der von den preußischen u. anderen Staaten verlorenen Länder unterhandelt. Die preußische Monarchie sollte nach dem Territorialumfang vom Jahre 1806 wieder hergestellt werden, u. nach langen Verhandlungen, namentlich wegen Sachsens, als des zähesten Bundesgenossen Napoleons, kam man endlich überein, daß 2/5 der Bevölkerung vom Königreich Sachsen u. von dem Herzogthume Warschau ein Gebiet mit 800,000 Menschen als Großherzogthum Posen u. am Rhein u. in Westfalen ein großer Länderstrich an P. fallen sollte. Von seinen ehemaligen Besitzungen erhielt P. zurück: Michelau u. Kulm, Danzig u. Thorn, das Großherzogthum Posen, die Altmark u. Magdeburg, den Saalkreis, den Kotbusser Kreis, das Eichsfeld, die Fürstenthümer Halberstadt, Minden, Münster, Paderborn, Kleve u. Wesel, Neufchatel mit Valengin, die Grafschaften Mansfeld, Hohenstein, Mark, Ravensberg, Lingen u. Tecklenburg, das Stift Quedlinburg, die Städte Erfurt, Mühlhausen u. Nordhausen mit ihren Gebieten etc.; neue Besitzungen, welche P. erwarb, waren: 2/5 des Königreichs Sachsen, das Großherzogthum Berg, bedeutende Länderstriche jenseit des Rheins, von dem Rheindepartement bis an die Mosel, Nahe u. an die alte holländische Grenze am rechten Maasufer, die Grafschaften Dortmund u. Wetzlar, das Fürstenthum Korvey, ein Theil von Fulda u. die Stammbesitzungen des Hauses Nassau-Dietz, von welchem es später Theile an Hessen, Hannover u. Weimar abtrat. In dem Vertrage mit Dänemark vom 4. Juni 1815 erwarb P. Schwedisch-Pommern mit Rügen gegen 2,600,000 Thlr. u. gegen das Herzogthum Lauenburg. Nach der Rückkehr Napoleons von Elba nach Frankreich, am 1. März 1815, schlossen 13. März Österreich, Großbritannien, Rußland u. P. den 25. März einen neuen Bund, welchem dann auch die Niederlande, Spanien, Portugal, Dänemark u. alle Fürsten Deutschlands sich anschlossen, zogen nach dem entscheidenden Siege bei Belle Alliance am 18. Juni, welchen P. u. Engländer gewonnen hatten, wieder in Paris ein u. beschränkten im Zweiten Pariser Frieden vom 20. November 1815 Frankreichs Umfang auf die Grenzen von 1790 (s. darüber ebenfalls unter Russisch-Deutscher Befreiungskrieg). Saarbrücken u. ein beträchtlicher Theil des Saardepartements fiel an P., doch mußte dieses dafür ein Gebiet von 69,000 Menschen an Koburg, Oldenburg u. Hessen-Homburg abtreten, auch Entschädigungen an Mecklenburg-Strelitz u. Pappenheim zahlen.

Zunächst kam es darauf an, den neugegründeten Staat zu organisiren; derselbe wurde daher 1816 für die Verwaltung in Regierungsbezirke getheilt u. unter Oberpräsidentschaften, welche an die Stelle der sonstigen Provinzialministerien traten, gruppirt; für die Rechtspflege Land- u. Stadtgerichte eingesetzt, deren obere Behörde die Oberlandesgerichte bilde ten; in den östlichen Provinzen u. in den westlichen diesseit des Rheins das preußische Landrecht eingeführt, in einzelnen Districten am Rhein das frühere Deutsche Recht, in den westlichen jenseit des Rheins der Code Napoléon beibehalten u. später ein Revisions- u. Cassationshof für diese zu Berlin eingesetzt. Auch die Ministerien wurden geordnet, ihnen sollte der 1817 organisirte Staatsrath in den wichtigsten Angelegenheiten des Staates berathend zur Seite stehen. Eine gleichmäßig-Steuerverfassung trat bes. seit 1820 ins Leben. Im Allgemeinen wurde nach u. nach die Grund-, die Salz-, die Klassen-, die Consumtions-, die Gewerbe- u. die Stempelsteuer u. den 28. Mai 1818 der Grenzzoll u. gleich bei der ersten Organisation des Staates allgemeine Militärpflichtigkeit eingeführt; Minden, Köln, Coblenz mit Ehrenbreitstein, Posen (wozu später Lötzen u. Königsberg kamen), wurden nach u. nach befestigt, das von den Franzosen demolirte Schweidnitz wiederaufgenommen u. an Erfurt, Jülich, Saarlouis, Magdeburg, Stettin, Danzig u.a. Festungen wesentliche Verbesserungen angebracht. Große Sorge wurde auf die Finanzen verwendet; 1817 betrug die Staatsschuld gegen 180 Mill. u. wurde 1822 mit Beiziehung der Provinzialschulden auf 277,248,762 Thlr. (worunter fast 181 Mill. verzinslich) fixirt, u. dabei erklärte der König über diese Summe hinaus keine neue ohne Zuziehung der Reichsstände contrahiren zuwollen. Jährlich wurden zur Zinszahlung dieser Schuld etwa 7 Mill., zur Abtragung derselben über 3 Mill. verwendet. Ungeachtet sich durch Ordnung im Finanzwesen der Credit P-s bedeutend hob, überstieg doch lange die Ausgabe die Einnahme um mehre Millionen, u. es bedurfte der ernstlichsten Maßregeln, um die Einnahme zu mehren, u. der größten Sparsamkeit, so wie eines genauen Budgets, um die [532] Ausgaben auf 50 Mill. festzustellen u. beide 1821 ins Gleiche zu bringen. Dennoch wuchsen die Ausgaben später noch um etwa 7,660,000.

Die Neuerungen in der Organisation, die viele Störungen in das Familienleben bringende allgemeine Militärpflichtigkeit u. die drückenden Steuern in den ersten Jahren nach dem Frieden riefen manche Unzufriedenheit im Lande hervor, welche sich am bedeutendsten in dem preußisch gewordenen Theile von Sachsen, im Großherzogthum Posen u. in den Rheingegenden äußerte, in Sachsen wegen der ohne Ständebewilligung eingeführten preußischen Steuerformen; in den Rheinprovinzen wegen der Anstellung zu vieler altpreußischer Beamten u. wegen des Aufdringens zu vieler ungewohnten Formen; in Posen kam der alte Nationalhaß zwischen Preußen u. Polen ins Spiel. Dazu kamen die Klagen über die strenge Censur, der Streit über das Turnwesen, die Beschwerden in den Rheinprovinzen über Rückkehr der alten Adelsherrschaft u. nicht erfüllte Versprechen etc.; in Breslau brach 1817 der Unwille über die neuen Einrichtungen in Excesse aus. Im Ausland war die Stimmung gegen P. u. seine neugeschaffenen Einrichtungen noch weit schlimmer, namentlich zeigte sich auf den Universitäten ein übler Geist, welcher vorzüglich P. für den Weg, welchen fast alle Regierungen seit dem zweiten Pariser Frieden einschlugen, verantwortlich machte. Das Fest auf der Wartburg (s.d.) am 18. Oct. 1817 von Deputationen u. Mitgliedern mehrer Universitäten begangen, brachte diese Stimmung zur öffentlichen Sprache. Alle diese Zeichen veranlaßten den König Friedrich Wilhelm III. es mit der Ertheilung der versprochenen Constitution Anstand haben zu lassen, bis der Zeitgeist eine bessere Richtung genommen hätte. Aber statt sich zu beruhigen, wurde die öffentliche Stimmung immer schwieriger; da gab die Ermordung Kotzebues durch Sand zu Manheim im Sommer 1819 dem schon lange gehegten Argwohn gegen den in Deutschland waltenden Geist eine bestimmtere Richtung. P. begann zuerst die Untersuchungen gegen die Demagogischen Umtriebe (s.d.); die Papiere von Jahn, Welcker, Arndt, v. Mühlenfels, Follenius u. vielen Andern wurden mit Beschlag belegt u. über das bisherige politische Leben derselben u. deren Lehren eine Untersuchung angeordnet, allen Preußen der Besuch der Universitäten Jena u. Tübingen untersagt, auf den Universitäten höhere Staatsdiener als Curatoren, welche die Tendenz der Lehrer beobachten sollten, eingesetzt, mehre Professoren beurlaubt, in Folge der Karlsbader Beschlüsse ein schärferes Censurmandat als bisher gegeben. Diesem Allen folgten, als die Untersuchungen nichts Näheres ergaben, 1821 noch strengere Maßregeln u. 1824, als man in dem Bunde der Jungen den Herd der Verschwörungen zu entdecken meinte, neue Untersuchungen über Demagogie junger Gelehrten u. Studenten. Als aber weder die vom Deutschen Bunde eingesetzte Centraluntersuchungscommission zu Mainz, noch die besondere für den preußischen Staat zu Köpenik bei den meisten Beschuldigten wirkliche Verschwörungen entdeckt hatte, so wurden die Untersuchungen beendigt u. über die schwerst Gravirten zwar von der Commission harte Strafen verhängt, aber diese wegen der Jugend der Verurtheilten vom König später gemildert. Mit der Zeit kehrte ein versöhnlicher Geist bei Fürst u. Volk zurück. Zur Entwerfung einer Verfassung war seit 1821 eine Commission versammelt u. 1822 wurden einzelne Deputirte aus den Provinzen berufen, um über die Zusammensetzung der vorhandenen ständischen Elemente zu berathschlagen, u. am 5. Juni 1823 erschien die Bekanntmachung wegen der zu errichtenden Provinzialstände (s. u. Preußen, Geogr. S. 490). Seit 1824 traten diese Provinzialstände nach u. nach ins Leben, welche sich aber ihrer Organisation zu Folge nur mitprovinziellen Gegenständen beschäftigten. Schon früher war das Ministerium mehrmals gewechselt worden, so gab 1820 von Boyen das Kriegsministerium u. später von Bülow das Finanzministerium ab, so war Graf Bernstorff in das Ministerium des Auswärtigen gekommen etc. Die wichtigste Änderung erfolgte aber 1822, als der Staatskanzler Fürst Hardenberg starb, an dessen Stelle kein neuer Staatskanzler ernannt wurde, sondern der Minister von Voß u. Graf Lottum erhielten Theile seines Wirkungskreises 1825 wurde das Ministerium nochmals geändert, von Bülow gab das Handelsministerium u. von Klewitz das Finanzministerium ab u. von Motz trat an dessen Stelle. Zugleich erhielt der Staatsrath einen ausgedehnteren Wirkungskreis u. wurde in fünf Sectionen getheilt, der Herzog Karl von Mecklenburg erhielt den Vorsitz. Die Finanzen gestalteten sich unter von Motz's Leitung bes. gut, Störungen, wie früher, kamen nicht mehr vor, das Budget gelangte ins Gleichgewicht, ja es blieb noch Gelegenheit für eintretende Fälle einen Schatz zu sammeln, u. die preußischen Staatspapiere überstiegen, trotz der 1825 u. 1826 eintretenden Handelskrisis, eine Zeitlang das al pari; es gelang auch, außer den von P. enclavirten Theilen von Schwarzburg u. Anhalt, 1828 Hessen-Darmstadt u. Anhalt für den preußischen Zollverband zu gewinnen u. 1829 auch mit Württemberg u. Baiern einen Vertrag zu schließen, welcher dem wirklichen Anschluß dieser Staaten an den Zollverein nahe kam. Nach Motz's Tode 1830 setzte Maaßen als Finanzminister dessen System mit Vortheil fort. Zur allmäligen Entfernung der Mißstimmung eines Theiles der preußischen Unterthanen trug außer der in den Finanzen, der Staatsorganisation etc. unverkennbaren Ordnung, der feste, auf Gerechtigkeit u. auf das Wohl der Unterthanen eifrigst gerichtete Sinn der Regierung wesentlich bei. Insbesondere behauptete die Rechtspflege im ganzen Preußischen Staate den Ruf der Gerechtigkeit. Unparteilichkeit, u. wo Urtheile gegen das Interesse der Regierung u. gegen die Ansichten derselben erfolgten, wurde doch deshalb kein Richter angefochten. Um die Weitläufigkeit der Proceßformen zu mindern u. Mängel der Gesetzgebung auszugleichen, ordnete der neue Justizminister, Graf Danckelmann, der Nachfolger Kircheisens, 1827 eine Commission zur Durchsicht der Gesetzbücher an (die Rheinprovinzen behielten das französische Gesetzbuch), der Gang der Processe wurde durch das Institut der summarischen Processe beschleunigt u. das der Schiedsmänner eingeführt. Die Religionsangelegenheiten nahmen bes. die Aufmerksamkeit der Regierung in Anspruch, seit 1816 wurden die Orte, wo es keine Geistlichen gab, mit solchen versehen u. die gering dotirten Pfarrstellen verbessert, neue Kirchen gebaut etc. Das Reformationsjubiläum 1817 gab Gelegenheit, die Union der beiden protestantischen Kirchen, der Reformirten u. Lutherischen, zu einer Evangelischen Kirche anzubahnen (s. u. Union), für welche die neue Agende mitbestimmt war (deren Einführung aber Veranlassung zu vielen Streitigkeiten[533] gab, s. u. Agende 1). In der Landeskirche hatte sich schon seit dem Frieden eine Partei gebildet, welche dem streng kirchlichen System anhing; sie hatte viele Anhänger unter den höheren Ständen, Anfangs zumeist im Brandenburgischen, dann aber auch in Pommern, Sachsen u. P. u. trat bes. seit 1820 in scharfen Gegensatz zu dem, durch die Glaubens- u. Lehrfreiheit in P. vielfach vertretenen Rationalismus, gegen deren Vertreter, namentlich in Halle, sie sich sogar 1830 eine Denunciation wegen Unchristlichkeit gestattete, aber bei dem Könige, so sehr er selbst strengen Grundsätzen in der Lehre huldigte, bei seiner Toleranz u. Gerechtigkeitsliebe nichts ausrichtete. Zur Ordnung des Kirchenwesens der Katholischen Kirche in P. wurde 16. Juli 1821 eine Übereinkunft mit dem Papste getroffen (s. u. Concordat II. A). Vor allen wurde den Unterrichtsanstalten die regste Sorgfalt gewidmet; 1817 die Universität Wittenberg (deren Fortbestehen in einer Festung nicht thunlich war) mit der zu Halle vereinigt u. 1818 eine Universität zu Bonn gegründet (dagegen wurden die Universitäten zu Erfurt, Duisburg u. Paderborn aufgehoben u. die zu Münster auf zwei Facultäten beschränkt), gegen 70 Gymnasien neu gestiftet, umgebildet od. erweitert, mehre Prediger- u. Schullehrerseminarien, ein Gewerbeinstitut in Berlin u. Provinzialgewerbeschulen errichtet, die Gehalte der Volksschullehrer verbessert, dagegen die Turnanstalten als Pflanzstätten der Demagogie 1818 geschlossen. Gleiche Sorgfalt wendete die Regierung auf Belebung des Handels; nicht nur wurden Handelsverträge 1818 mit Dänemark, 1824 mit England, 1825 mit Rußland, 1827 mit Schweden u. Norwegen, 1828 mit den Hansestädten, sondern auch der schon auf dem Wiener Congreß vorläufig verabredete Elb- u. Weserschifffahrtsvertrag mit den benachbarten Uferstaaten durch P-s Mitbetrieb ins Reine gebracht, der Vertrag über Schiffbarmachung der Ems kam mit Hannover 1818 zu Stande, die Rheinschifffahrtsaete trat hauptsächlich durch P-s energische Vorstellungen 1831 ins Leben u. 1829 wurden preußische Consuln auch bei den Südamerikanischen Freistaaten angestellt u. dieselben hierdurch anerkannt. Neue Chausseen wurden gebaut, ein Damm zum Hafen von Swinemünde errichtet, die Dampfschifffahrt auf dem Rhein u. der Elbe eingeführt, mehre Handelsgesellschaften (so die Rheinisch-Westindische 1821) errichtet, die Posten seit 1820 durch Nagler auf einen hohen Grad der Vollkommenheit gebracht etc. Die Messen des Preußischen Staats (bes. die zu Frankfurt an der Oder) hoben sich, u. ziemlich glücklich überstand der Handelsstand die Handelskrisis von 1826. Um den Buchhandel machte sich die Regierung verdient durch scharfe Befehle gegen den Nachdruck, welche sie 1827 erließ, u. (bis zum Beschluß des Bundestags 1836) durch Abschließung von Einzelverträgen mit Hannover, Baiern, Württemberg, Baden, Hessen, Sachsen, den Sächsischen Herzogthümern u. anderen Staaten zum gegenseitigen Schutz wider den Nachdruck. Auch die Künste wurden auf jede Weise ermuntert u. große Summen zur Ausschmückung der Hauptstadt, zur Erhaltung alter berühmter Bauwerke, als des Schlosses in Marienburg u. der Dome in Magdeburg u. Köln, so wie zum Neubau eines Nationalmuseums in Berlin u. zum Ankauf von Gemälden u. plastischen Kunstwerken verwendet. In der Politik schloß sich P. im Allgemeinen Rußland u. Österreich, mit deren Souveränen der König Friedrich Wilhelm III. 26. Sept. 1815 in Paris. die Heilige Allianz, einen Bund zur allgemeinen Erweisung christlicher Gesinnung u. zur Übung christlicher Pflichten, geschlossen hatte, an u. widersetzte sich dem von den Ultraliberalen Englands u. bes. Frankreichs angepriesenen Princip der Bewegung nach allen Kräften. Daher die Karlsbader Beschlüsse, an denen P. Theil nahm, die Congresse zu Aachen (1818), Troppau, Laibach, Verona (1820–1821) im Ganzen den Hauptzweck hatten, das revolutionäre Princip, wo es sich zeigte, zu unterdrücken, weshalb auch die oben bemerkten Acte gegen die Demagogischen Umtriebe bis 1825 fortbetrieben wurden. Spätere, 1826 wieder anhebende Untersuchungen im Großherzogthum Posen bezogen sich auf eine Verzweigung der Verschwörungen in Polen nach dieser Provinz. Bei dem Kriege Rußlands gegen die Türkei 1828 u. 1829 trat P. vermittelnd auf u. auf die Veranlassung Rußlands übernahm P. auch die Vermittlung des Friedens.

Die durch die Julirevolution 1830 bewirkte Thronveränderung in Frankreich erkannte Friedrich Wilhelm an u. nahm auch die Herzöge von Orleans u. Nemours, welche 1836 auf ihrer Reise durch Deutschland nach Berlin kamen, gut auf. Obgleich die Julirevolution mehrerorts in Europa auch in Deutschland Anklang fand, so blieb doch P. (abgerechnet einige vom Pöbel gemachte Unruhen in Aachen u. Berlin, welche jedoch keinen politischen Charakter hatten) verschont. Indessen bewogen doch die Drohungen der Ultraliberalen in Frankreich, sich der Rheingrenze wieder bemächtigen zu wollen, verbunden mit den Revolutionen in dem benachbarten Belgien u. Polen u. der unruhigen Stimmung, welche sich hier u. da am Rhein u. im Herzen von Deutschland zeigte (vgl. Deutschland XIII. A), P. einen Theil der Armee auf den Kriegsfuß zu setzen u. theils nach dem Rhein marschiren zu lassen, theils zur Beobachtung der polnischen Insurrection zu entsenden. Dessenungeachtet erklärte der König den Frieden ernstlich zu wollen u. sich gegen jede Macht, welche denselben zu stören u. ein Übergewicht über andere Nationen zu gewinnen streben werde, zu stellen, u. der von den Großmächten beschickten Londoner Conferenz gelang es die größten Anstöße, bes. in Bezug auf Italien u. Belgien, zu beseitigen. Polen aber wurde durch die russischen Waffen im Sommer 1831 unterworfen, wobei P., da die Revolution seine vormals polnischen Länder nicht berührte, sich neutral verhielt. Während dem Polnischen Insurrectionskriege 1831 hatte die Cholera (s.d.) auch die preußische Grenze, ungeachtet des dagegen aufgestellten Truppencordons, überschritten, zuerst brach sie in Danzig, dann in Posen, Königsberg, Küstrin, Stettin aus u. forderte auch in Berlin u. in den westlichen Provinzen viele Opfer. Als Ende 1831 die nach P. übergetretenen Gemeinen der polnischen Armee von ihren Offizieren getrennt u. nach Polen zurückgesendet werden sollten, erregten die polnischen Soldaten Unruhen, bes. in Pillau, u. es wurde das Einschreiten des preußischen Militärs nöthig (s. Polnischer Insurrectionskrieg S. 301). Durch den Finanzminister Maaßen gelang es P. den allgemeinen Deutschen Zollverein zu Stande zu bringen, an dessen Grundstock, aus P, Großherzogthum Hessen u. Anhalt bestehend, sich 1831 das Kurfürstenthum Hessen u. mit dem 1. Januar[534] 1834 Baiern u. Württemberg, Baden, Sachsen, die Sächsischen Herzogthümer, Schwarzburg, später auch Nassau u. Frankfurt, zuletzt die beiden Lippe, Waldeck, Braunschweig u. das Großherzogthum Luxemburg anschlossen, wodurch Handel u. Gewerbe nicht nur in P., sondern in Deutschland gefördert, u. einerseits die Stimmung der in dem Zollverein begriffenen, bes. süddeutschen Staaten gegen P. eine bessere wurde, andrerseits auch der Einfluß P-s auf diese ungemein wuchs, s. u. Zollverein. Das preußische Gebiet wurde auch 1834 durch das von Koburg-Gotha abgetretene Fürstenthum Lichtenberg (113/4 QM.) vermehrt, welches als Kreis St. Wendel mit dem Regierungsbezirk Trier vereinigt wurde. Im Ministerium gingen seit 1831 manche Veränderungen vor: im Departement des Auswärtigen wurde Ancillon dem alternden Grafen Bernstorff an die Seite gesetzt, welcher nach dem Tode des Chefs 1835 auch dessen Nachfolger wurde; nach Ancillons Tode, 1837, erhielt von Werther dessen Portefeuille; das Ministerium des Innern wurde 1831 in zwei Fachministerien, das des Handels u. der Gewerbe, welches der bisherige Minister des Innern, von Schuckmann, behielt, u. das der Polizei, welches von Brenn bekam, getheilt; bei Schuckmanns Pensionirung übernahm Brenn dessen Portefeuille, während ihm in dem seinigen von Rochow folgte, welcher 1837, nach Brenns Ausscheiden, das Ministerium des Innern wieder vereinigte. Das Justizministerium wurde nach des Grafen von Danckelmann Tode Ende 1830 ebenfalls in zwei gespalten, deren eins die Gesetzrevision u. die nach dem Code Napoléon verwalteten Rechtsangelegenheiten in den Rheinlanden von Kamptz, das andere in den übrigen Provinzen von Mühler verwaltete. 1838 wurden beide Zweige des Justizministeriums unter Mühler wieder vereinigt u. Kamptz behielt nur die Gesetzrevision. Außerdem wurden viele Centralbehörden mit Ministern als Vorsitzenden constituirt, so die Staatsbuchhalterei, welcher der Graf Lottum, zugleich Minister des Schatzes, vorstand; das Finanzministerium, durch von Motz, seit 1830 durch Maaßen, u. seit 1834 durch von Alvensleben geleitet, erhielt 1834 den Berg- u. Hüttenbau u. die Salinen, gab aber den Chausseebau ab, erhielt ihn aber 1837 wieder, auch von Ladenberg u. Rother (Letzter die Staatsschulden, Seehandlung u. die Bank in Berlin), erhielten eigene finanzielle Centralbehörden, von Nagler die Post, wie denn überhaupt in den einzelnen Ministerien mehrfache Änderungen u. Versuche zur möglichst zweckmäßigen Leitung der Staatsmaschine gemacht wurden. Die wenigsten Veränderungen erlitten das Hausministerium, welches der Oberkammerherr Fürst von Sayn-Wittgenstein, früher Polizeiminister (welches Ministerium später aber aufgehoben wurde), leitete, das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- u. Medicinalangelegenheiten unter von Altenstein (st. 1840), das Kriegsministerium, welches der General von Hake 1820 bis 1833 leitete, wo er dasselbe in die Hände von Witzlebens niederlegte, nach dessen Tode 1837 es von Rauch übernahm. Indessen gingen auch im Innern dieser Ministerien mancherlei Änderungen vor, wie 1825 die Eintheilung des Kriegsministeriums in zwei Departements. Handels-, Schifffahrts- u. andere Verträge kamen 1834 mit Mexico, 1835 mit Österreich (wegen des Abschosses u. Abzugsgeldes), 1837 mit den Niederlanden, mit Rußland 1838, mit Hamburg u. Bremen 1839 u. 1840, mit Griechenland 1839 etc. zu Stande. Die ritterbürtige Ritterschaft der Rheinprovinz erhielt 1836 das Recht der Autonomie in Erbfällen u. zur Errichtung von milden Stiftungen zum Besten ihres Standes. Darauf gründeten 30 adelige Geschlechter 1837 eine Stiftung zum Besten ihrer in der Succession in das Grundeigenthum ausgeschlossenen Söhne u. Töchter, um dadurch leichtere Mittel zu Gründung neuer Majorate zu erhalten, was der König bestätigte u. 1840 ein allgemeines Gesetz über Familienschlüsse bei Fideicommissen, Familienstiftungen u. Lehen gab. 1838 erhielt P. seine erste Eisenbahn zwischen Berlin u. Potsdam, an welche sich dann viele andere anschlossen. Die letzten Jahre des Lebens Friedrich Wilhelms III. wurden sehr durch die kirchlichen Wirren im Lande getrübt. Zunächst war, bes. in Schlesien, eine altlutherische Partei, welche sich der, von dem Könige so sehnlich gewünschten Union aus allen Kräften widersetzte u. durch ihr Gebahren die Regierung 1834 zu Gewaltschritten veranlaßte (s. u. Lutherische Kirche S. 624). Am betrübendsten waren aber die Streitigkeiten mit der Katholischen Kirche u. dem Papst; sie waren bereits früher durch die Hermesianischen Streitigkeiten (s. u. Hermes) eingeleitet worden, brachen aber seit 1836 bes. wegen der Einsegnung der Gemischten Ehen (s.d.) aus, welche zuerst der Erzbischof Droste von Köln u. 1838 der Erzbischof Dunin von Gnesen u. Posen gegen früher gegebenes Versprechen verboten; auch gegen diese mußte die Regierung Gewaltmaßregeln anwenden u. beide Prälaten von ihren Sitzen entfernen (s. u. Köln S. 665 u. Dunin). Inzwischen dieser Wirren nahm der König 1837 bei 400 aus dem Zillerthal in Tyrol wegen Glaubensbedrückung ausgewanderte Protestanten in Schlesien auf (s. Zillerthaler).

Am 7. Juni 1840 starb Friedrich Wilhelm III., u. sein ältester Sohn Friedrich Wilhelm IV. folgte ihm, während der Prinz Wilhelm, zweiter Sohn Friedrich Wilhelms III., als muthmaßlicher Thronerbe, da Friedrich Wilhelm IV. ohne Kinder war, den Titel als Prinz von Preußen annahm. Der neue König, welchem am 15. Oct. 1840 von Deputirten aller Provinzen in Berlin gehuldigt wurde, begnadigte sogleich die wegen demagogischer Verbindungen in P. Verhafteten, amnestirte die Flüchtigen, setzte den Professor Arndt wieder in seine Professur ein, erhob zwei 1819 verdächtigte Männer, Eichhorn zum Cultus- u. von Boyen zum Kriegsminister. Der Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. erfolgte zu einer schwierigen Zeit. Um die Unabhängigkeit der Türkei hatten sich nämlich Streitfragen erhoben, u. England, Österreich, Rußland u. Preußen hatten im Juli 1840 beschlossen, auch ohne Frankreichs Mitwirkung, die Türkei in ihren Rechten zu schützen u. zu erhalten, u. Frankreich machte nun Miene, sich durch einen Angriff auf die deutsche Rheingrenze zu entschädigen. Um sich gegen diese Demonstration zu sichern, rüstete P., worauf in Frankreich der Kriegsmuth sich abkühlte. Bereits vor der Huldigung hatte der preußische Landtag in Königsberg am 7. Septbr. 1840 um Erfüllung des Versprechens des verstorbenen Königs, Gewährung von Reichsständen, gebeten; der König antwortete indessen abschläglich; gleiche Antwort erhielt. die Stadt Breslau, welche den 13. Oct. 1841 Ähnliches beantragte, u. auch 1843 der Posener Landtag, letzter zugleich mit dem Bemerken,[535] daß das Gesetz Friedrich Wilhelms III. für ihn völlig unverbindlich, auch übrigens durch das Gesetz vom 5. Juni 1823, die Errichtung von Landständen betreffend, abgeändert sei. Auch die vier Fragen eines Ostpreußen, von Jakobi in Königsberg gestellt, hatten kein anderes Resultat, sondern eine Untersuchung zu Folge, welche aber in der zweiten Instanz günstig für ihn endigte. Den Provinzialandtagen wurde dagegen mehr Freiheit verstattet, was sich bei mehren derselben in Berathungen über Preßangelegenheiten, über den Modus der Vertretung u. über Öffentlichkeit zeigte. Am 18. Oct. 1842 wurden auch die ständischen Ausschüsse sämmtlicher Provinzen zum ersten Mal in Berlin versammelt, doch durften sie nur über Regierungsvorlagen berathschlagen. Dem Könige lag vor Allem an der Wiederherstellung des kirchlichen Friedens. Er gab daher den Bitten einer altlutherischen Synode in Breslau, welche aus Mitgliedern in Schlesien, Westpreußen, Posen u. Erfurt zusammengetreten war, nach u. erlaubte ihnen den Gottesdienst nach alter Weise. Die Ausgleichung der Differenzen mit der Katholischen Kirche, wegen der Nichteinsegnung der Gemischten Ehen, begann mit der den 21. Juli 1840 erfolgten Begnadigung des Erzbischofs Dunin u. der Erlaubniß in seine Diöces Gnesen u. Posen zurückzukehren, so wie der Entlassung des Erzbischofs Droste aus der Festungshaft auf seine Güter, der Gestattung freien Verkehrs der katholischen Bischöfe mit dem Römischen Stuhl u. der Verordnung, daß in Rom gebildete u. ordinirte Geistliche in P. mit Seelsorge beschäftigt u. nach zwei Probejahren als Geistliche angestellt werden könnten u. daß ihres Amtes entsetzte katholische Geistliche wenigstens stille Messen zu lesen befähigt wären. Über die Gemischten Ehen wurde nichts bestimmt, u. es blieb daher bei der früheren Praxis. In der Protestantischen Kirche P-s hatte sich in den letzten Jahren Friedrich Wilhelms III. die strengkirchliche Partei immer mehr consolidirt u. wurde unter Eichhorns Kirchenregiment die bei Weitem bevorzugte, indem nicht nur die ultraliberalen u. radicalen Theologen ihrer Lehrämter entsetzt od. in ihrer Wirksamkeit behindert, sondern auch den, dem Rationalismus anhängenden Predigern u. Lehrern die orthodoxen allenthalben vorgezogen wurden. Durch solche u. ähnliche Maßregeln wurden nicht allein Spaltungen in der Kirche hervorgerufen, indem die freier Denkenden erst als Protestantische Freunde (s.d.) sich jenen gegenüber zu verbinden suchten, woraus dann die Freien Gemeinden (s.d.) entstanden; sondern das geistliche Ministerium sah auch da in seinen Schritten vielfach mit Mißtrauen sich betrachtet, wo es ihm nur um Hebung des wahren kirchlichen Sinnes zu thun war, wie in den 1844 den Provinzialsynoden gemachten Vorlagen zu Gutachten über eine Kirchenverfassung, welche daher nicht zur Ausführung kamen. Um der Prostitution möglichst Grenzen zu setzen, sollten vom 1. Januar 1846 alle Bordells im preußischen Staat geschlossen, alle desfallsigen Concessionen zurückgenommen u. keine neuen gegeben werden. Der rege Sinn des Königs für evangelisches Kirchenwesen bethätigte sich auch in der, in Verein mit England 1841 ausgeführten Gründung eines Evangelischen Bisthums in Jerusalem (s.d. S. 797) u. in dem 1844 erfolgten Anschluß P-s an den allgemeinen Gustav-Adolfs-verein. Der im Lande 1844 entstandene Deutschkatholicismus wurde in seinen Bestrebungen weder gehemmt, noch gefördert (s. u. Deutschkatholiken). Ein neues Strafgesetzbuch wurde seit 1841 vorbereitet u. dabei bes. die Verbesserung des Gefängnißwesens ins Auge gefaßt. Auch in der übrigen Rechtspflege schritt P. weiter, die Mündlichkeit der Proceßführung ward in gewisser Beziehung versucht, die Gesetzcommission unter Savigny u. unter Mühler waren fortwährend thätig. In Angelegenheiten der Presse wurde durch Befehl vom 24. Dec. 1840 den Censoren empfohlen, anständiger u. wohlmeinender Freimüthigkeit keine zu engen Grenzen zu setzen, aber spätere Vorfälle bestimmten den König schon im März 1841 zu strengen Preßgesetzen zurückzugehen, Beamten bei Strafe der Amtsentlassung untersagt etwas über Staatsangelegenheiten ohne Erlaubniß ihrer Vorgesetzten drucken zu lassen, fremde Zeitungen verboten, inländischen die Concession entzogen od. engere Schranken gesetzt, Bücher aus dem Verlag bestimmter auswärtiger Buchhandlungen verboten u. den Censoren mehr Strenge zur Pflicht gemacht. Anderseits gewährte aber die Befreiung aller Schriften über 20 Bogen dem freien Bewegen der Schriftsteller mehr Raum u. vornehmlich die Errichtung eines Obercensurgerichts (am 1. Juli 1843) der Presse schützendere Formen, indem jedem Schriftsteller die Berufung an dies aus Juristen u. wissenschaftlichen Notabilitäten zusammengesetzte Gericht freistand; die 1835 gegen die Schriften des Jungen Deutschlands erlassene Verordnung wurde Mitte 1842 zurückgenommen; die seit 1819 verpönten Turnanstalten hatten sich der königlichen Gunst zu erfreuen u. mehre dergl. wurden in Berlin u. an anderen Orten gegründet u. das Turnen in Gymnasien u. beim Heere wieder eingeführt. Das preußische Heer war gut organisirt, indessen wurde dasselbe durch neue Einrichtungen unausgesetzt fortzubilden gestrebt, u. seit 1842 eine neue völlig umgestaltete Uniformirung durch Waffenröcke u. Helme u. für die Offiziere 1845 Ehrengerichte eingeführt. Zur Belohnung bürgerlicher Verdienste wurde 1841 die Friedensklasse des Ordens pour le mérite u. 1843 der Schwanenorden (s. b.) gestiftet. Ungeheuer war der Aufschwung, welchen die Eisenbahnen unter Friedrich Wilhelm IV. nahmen, aber das Bestreben der Privatleute, sich an diesen, reichen Gewinn gebenden Anlagen zu betheiligen, erzeugte einen so bedenklichen Actienschwindel, daß die Regierung sich bewogen sah Anfangs Juni 1844 eine Verordnung zu erlassen, in welcher der Actienhandel auf Zeit, so wie der Kauf von fremden Actien, deren Bahnen nicht unmittelbar mit preußischen in Verbindung standen, so wie den Mäklern, sie zu vermitteln, bei Absetzung, den Beamteten aber jeder Actienhandel untersagt wurde. Der Zollverein wurde von der Regierung mit Sorgfalt gepflegt u. auf dem 1840 in Berlin abgehaltenen Zollvereinscongreß auf 12 Jahre, bis Ende 1853, verlängert. Ein großartiger Versuch, die Gewerbe in allen Zollvereinsstaaten zu heben, war die Industrieausstellung (s.d.) aller Zollvereinsstaaten 1844 in Berlin. Bei den Handelsverträgen, welche P. seit 1840 schloß, vergaß es nicht das Beste des Zollvereins, so 1841 bei den Verträgen mit den Niederlanden, mit England u. mit der Türkei, 1844 mit Portugal u. mit Belgien; andere Verträge wurden mit Hannover wegen der Emsschifffahrt, mit Nassau u. Hessen wegen Schiffbarmachung der Lahn, beide[536] 1843, geschlossen; auch an dem Vertrag 1844 wegen Regulirung der Elbschifffahrt hatte P. als angrenzender Staat den wesentlichsten Antheil. Mit Österreich wurde 1844 ein den beiderseitigen Verkehr sehr erleichternder Postvertrag geschlossen. Die auswärtigen Verhältnisse gestalteten sich auf das Glücklichste. Allenthalben herrschte Ruhe u. Aussicht auf einen langen Frieden. Die Reise des Königs Ende 1841 nach England, um dort bei der Taufe des Prinzen von Wales Pathenstelle zu übernehmen, bekundete das gute Vernehmen mit Großbritannien; mit Baiern knüpfte P. durch die im Oct. 1842 vollzogene Vermählung der Prinzessin Marie von Preußen mit dem Kronprinzen von Baiern ein neues Verwandtschaftsband. Dagegen trat P. mit Rußland in ein etwas gespanntes Verhältniß, da die strengen Zollmaßregeln russischer Seits an den russischen u. polnischen Grenzen u. die dem preußischen Handelsstande in Ostpreußen, Posen u. Schlesien hieraus erwachsenden Unannehmlichkeiten, ungeachtet der Vorstellung Seitens der preußischen Regierung, keine Änderungen erfuhren. Der Cartel mit Rußland wegen Auslieferung der Deserteure wurde daher auch bei seinem Ablauf Ende 1842 nicht wieder erneuert; da aber in Folge davon eine so große Menge russischer Deserteure u. ausgetretener russischer Cantonspflichtiger auf preußisches Gebiet trat, daß die preußische Regierung in die größte Verlegenheit kam, was mit denselben zu beginnen sei, so sah sie sich im Früjahr 1844 genöthigt den Cartel wieder zu erneuern. Die persönlichen freundschaftlichen Verhältnisse der beiden Souveräne von P. u. Rußland wurden dadurch nicht gestört, wie denn der Kaiser den ihm vom König im Herbst 1841 in Warschau abgestatteten Besuch 1843 in Berlin erwiderte. Die innere Lage des preußischen Staates war von 1840 an eine durchaus glückliche. Capitale waren im Überfluß vorhanden, das Land blühte, die Fabriken gediehen u. hoben sich, Wohlstand herrschte, die Finanzen waren geordnet, ja der König konnte im März 1842 die Zinsen der Staatsschuldscheine von 4 Procent auf 31/2 herabsetzen u. 1843 dem Lande einen Erlaß von 2 Mill. Thlrn. gewähren, so wie große Summen auf Bauten verwenden, z.B. auf die Vollendung des Domes in Köln, den Wiederaufbau des 1843 abgebrannten Opernhauses in Berlin, den Neubau eines Museum etc. Desto unangenehmer berührte die Westfälischen Centralgläubiger 1843 ein Vertrag zwischen P., Hannover, Braunschweig u. Hessen-Kassel, nach welchem alle Ansprüche an die Centralschuldenkasse dieses vormaligen Königreiches für nichtig erklärt wurden, während doch P. die es allein treffenden Schulden schon 1827 für richtig anerkannt u. abzutragen angefangen hatte (s. u. Westfälische Do. mainenkäufer). Ungeachtet der günstigen Verhältnisse im Lande erregte das in den großen Städten sich mehrende Proletariat u. zeitweiliger Stillstand im Fabrikbetrieb hin u. wieder Unruhen u. Aufläuse, so 1843 in Danzig, 1844 in Breslau, Düsseldorf, Thorn u. Berlin; die bedeutendsten waren die durch augenblickliche Nahrungslosigkeit hervorgerufenen Weberunruhen in Langen-Bielau u. Peterswaldau in Schlesien, wo die Arbeiter am 4. u. 5. Juni 1844 die Etablissements mehrer Fabrikbesitzer zerstörten; von allen Seiten eingehende Hülfsbeiträge u. die Maßregeln der Regierung konnten die Calamität zwar lindern, aber nicht heben, u. die Unruhen mußten endlich durch Militärgewalt gestillt werden. Am 6. Juli 1844 erfolgte das, außer Beziehung auf diese Vorfälle stehende, aus bloßer Privatrache unternommene Attentat Tschechs (s.d.) auf den König. 27–31. August feierte die Universität Königberg ihr 300jähriges Stiftungsfest, wobei es nicht an gegenseitigen Kundgebungen der verschiedenen Richtung der Universität u. der Regierung in Auffassung u. Behandlung der Wissenschaften fehlte.

Das Ministerium erlitt unter Friedrich Wilhelm IV. bedeutende Veränderungen. Anfangs blieb es zwar beim Alten u. nur die Änderung war gegen das oben aufgezählte Ministerium eingetreten, daß der Graf Alvensleben dem Finanzministerium, Generallieutenant von Thiele I. der Staatsbuchhalterei vorstand; dagegen erhielt 1842 von Arnim das Ministerium des Innern, von Bodelschwingh-Velmede das Finanzministerium, von Bülow das Ministerium des Auswärtigen, Flottwell wiederum das Finanzministerium u. Uhden 1844 das Justizministerium. Den auf verschiedenen Landtagen ausgesprochenen, aber bisher stets zurückgewiesenen Wünschen nach Errichtung eines besonderen Handelsministeriums wurde jetzt dadurch begegnet, daß nach Verordnung vom 7. Juni ein, die einschlagenden letzten Verfügungen treffender Handelsrath, bestehend aus fünf Ministern u. dem Präsidenten des Handelsamtes, dann ein, die Übersicht über die Handelsangelegenheiten vermittelndes Handelsamt errichtet werden sollten; außerdem sollten in allen Theilen der Monarchie, wo sie noch nicht beständen, Handelskammern zusammentreten, um bei wichtigen Angelegenheiten gehört zu werden. Der von der Regierung veröffentlichte Hauptfinanzetat zeichnete sich durch größere Specialisirung als bisher aus u. enthielt Erläuterungen, wie sie seit 1829 nicht mehr gegeben worden waren. Mit dem Beginne des Jahres 1845 lenkte sich die allgemeine Aufmerksamkeit den auf den 9. Febr. einberufenen Provinziallandtagen zu. An dieselben wurden, namentlich in Schlesien, P., Westfalen u. der Rheinprovinz zahlreiche Petitionen gerichtet, in welchen als Wünsche eine reichsständische Verfassung, Pressefreiheit, Öffentlichkeit der landständischen Verhandlungen, Öffentlichkeit u. Mündlichkeit des gerichtlichen Verfahrens, Verbesserung des Wahlgesetzes, freiere Kirchenverfassung, Emancipation der Juden, Anerkennung der Deutschkatholiken, Herstellung der Lehrfreiheit, Unabhängigkeit des Richterstandes, eine Landgemeindeordnung, ein besseres Steuersystem etc. ausgesprochen wurden Die einzelnen Punkte kamen auf den einzelnen Landtagen zur Sprache, fanden aber sehr verschiedene Beurtheilung von den Ständen u. schließlich wurden in den Landtagsabschieden alle darauf gestellten Gesuche von der Regierung abgewiesen. Dagegen fanden die allenthalben den materiellen Interessen zugewendeten Anträge fast durchaus Berücksichtigung. In den kirchlichen Verhältnissen blieb es wie bisher; die Protestantischen Freunde erfuhren die Ungunst der Regierung, die Deutschkatholiken ließ man unter gewissen Hemmnissen gewähren, die bisher ziemlich beschränkt gehaltenen Altlutheraner erlangten eine freiere Bewegung durch die Generalconcession vom 23. Juli, wonach es ihnen gestattet wurde besondere, dem evangelischen Kirchenregimente nicht unterworfene Gemeinden zu bilden; die diesen am nächsten stehende orthodoxe Partei, welche es theils noch mit der Union[537] hielt, theils gegen dieselbe auftrat, war u. blieb die von der Regierung begünstigte. Anderweit wurde die Aufmerksamkeit der Regierung in Anspruch genommen durch Bürgerversammlungen, welche vorzüglich in den Theilen u. Orten der Monarchie zusammentraten, wo sich freie religiöse Bewegung zeigte, vor allen in Königsberg. Der Königsberger bis auf 700 Mitglieder gewachsene Verein wurde am 28. April polizeilich verboten. Darauf entstanden die Zusammenkünfte im Böttchershöfchen, in welchen wieder Politik getrieben wurde, u. welche in anderen Städten der Provinz rasche Nachahmung fanden; doch wurde im Juli die öffentliche politische Rednerei untersagt. An die Hirschberger Bürgerversammlungen knüpften sich sogar Untersuchungen wegen communistischer Umtriebe. Im Zusammenhang mit allen diesen Erscheinungen auf dem Gebiete der Politik standen die Verschärfungen gegen die Presse u. wahrscheinlich auch die Ausweisung der badnischen Landtagsabgeordneten v. Itzstein u. Hecker aus Berlin u. den Preußischen Staaten im Mai 1845. In Folge letzter Maßregel traten Graf Arnim u. dann auch von Bülow aus dem Ministerium, an deren Stelle von Bodelschwingh-Velmede das Portefeuille des Innern u. von Canitz das des Auswärtigen übernahmen. Eine neue Gewerbeordnung suchte die Grundsätze der Gewerbefreiheit thunlichst in Anwendung zu bringen. Dem furchtbaren Nothstande, welcher in Folge verheerender Überschwemmungen, der vorjährigen Mißernte u. des sehr harten Winters in einigen masurischen u. lithauischen Kreisen herrschte, suchte die Regierung durch kräftigste Beihülfe zu steuern. Hinsichtlich der auswärtigen Politik wurde ein Handelsvertrag mit Sardinien geschlossen u. mit Dänemark Verhandlungen wegen Abschaffung des Sundzolles geführt. Die Grenzverhandlungen mit Rußland nahmen einen versprechenden Fortgang. Die öffentliche Ruhe im Staate wurde nur vorübergehend, meist in Folge der kirchlichen Wirren, gestört, so durch die gegen die Deutschkatholiken gerichteten Aufläufe in Halberstadt, Tarnowitz, Posen, Danzig u. in mehren Orten Westfalens; bedenklicher waren dagegen die Vorgänge in der Provinz Posen, wo die Regierung im Laufe des Jahres 1845 einer weitverzweigten nationalen Verschwörung auf die Spur gekommen war u. in Erfahrung gebracht hatte, daß Werbungen in großartigem Maßstabe unter dem Landvolke gemacht u. Waffen aufgekauft u. vertheilt worden waren. Indeß nach der im Februar 1846 geschehenen Verhaftung der Rädelsführer in der Stadt Posen, unter ihnen Mieroslawski, u. in Westpreußen war die Sache vorläufig beendigt. Nur 14 Tage später suchte ein Insurgentenhaufen die gleichzeitig in Galizien u. Krakau ausgebrochenen Aufstände zu benutzen, um Posen zu überrumpeln, wurde aber zurückgeschlagen. An der Bezwingung des in diesem Jahre ausgebrochenen Aufstandes in Krakau, wobei sich Sympathien der aufständigen Bewohnerschaft für P. herausstellten, nahm auch P. Theil (s. u. Krakau). Übrigens schlug die Einverleibung Krakau's in das österreichische Zollgebiet dem schlesischen Grenzhandel empfindliche Wunden, da die Ausfuhr nach Krakau sich auf mehr als 1 Mill. Thlr. belaufen hatte. In der Rechtspflege machte die Regierung einen Versuch mit der Mündlichkeit u. Öffentlichkeit im Strafverfahren damit, daß sie durch Gesetz vom 17. Juli 1846 am 1. Oct. bei dem Kammer- u. Criminalgerichte in Berlin Staatsanwaltschaft, Mündlichkeit u. Unmittelbarkeit, beschränkte Öffentlichkeit u. ein Geschwornengericht von rechtskundigen Richtern einführte, welchen Letztere an die herkömmlichen Bedingungen der richterlichen Überzeugung nicht gebunden sein, sondern das Urtheil nach freier, Aus dem Inbegriffe der Untersuchung geschöpfter Überzeugung sprechen sollten. Ein anderes Gesetz vom 21. Juli verbesserte das summarische Verfahren in Civilsachen. Auf kirchlichem Gebiete wurde ein Fortschritt angestrebt durch die, vom Könige bereits früher in Aussicht gestellte Evangelische Generalsynode, welche am 2. Mai unter dem Präsidium des Staatsministers Eichhorn zusammentrat u. während 3 Monaten an der neuen Kirchenverfassung in einem Sinne arbeitete, welcher zwischen den beiden extremen Parteien der Kirche zu vermitteln suchte (s. u. Protestantische Kirche); doch kamen ihre Beschlüsse in den wesentlichsten Punkten nicht zur Ausführung. Bereits zu Anfange des Jahres war auf Anregung des Königs eine Evangelische Conferenz von geistlichen Abgeordneten Deutscher Bundesstaaten berathend zusammengetreten (s. ebd.). Gegenüber der von den Freien Gemeinden erhobenen Opposition gegen das Glaubensbekenntniß der Evangelischen Kirche schritt die Regierung jetzt entschiedener vor u. suspendirte mehre ihrer Prediger (s. u. Freie Gemeinden). Am 6. Mai kam eine Couvemion mit Dänemark wegen Erneuerung des Handelsvertrages von 1818 zu Stande.

Inzwischen war die Zeit wieder näher gerückt, in welcher sich die Provinziallandtage von Neuem versammeln sollten, u. wieder bereitete sich ein nun noch viel stärkerer Petitionssturm an die Stände vor, um diese anfzufordern, die endliche Gewährung einer reichsständischen Verfassung u. derjenigen Institutionen, welche das Wesen eines freien Staats bedingen, von der Krone zu verlangen. Es kam dazu, daß sich die Gerüchte über die nahe bevorstehende Verleihung einer Verfassung in immer bestimmterer Weise verbreiteten, u. wirklich erschien am 3. Febr. 1847 ein königliches Patent, betreffend die ständischen Einrichtungen, nach welchem der König, fortbauend auf die vom Könige Friedrich Wilhelm III. gegebenen Gesetze, namentlich auf das Staatsschuldengesetz vom 17. Januar 1820 u. das Gesetz über die Anordnung der Provinzialstände vom 5. Juni 1823, die Entschließung gefaßt hatte: die Provinzialstände sollen zu einem Vereinigten Landtag versammelt werden, so oft die Bedürfnisse des Staates entweder neue Anleihen od. die Einführung neuer od. die Erhöhung der bestehenden Steuern erfordern möchten; ferner soll ein vereinigter ständischer Ausschuß periodisch zusammenberufen werden; dem Vereinigten Landtage u. in dessen Vertretung dem vereinigten ständischen Ausschusse wird übertragen: in Beziehung auf den ständischen Beirath bei der Gesetzgebung diejenige Mitwirkung, welche bisher den Provinzialständen beigelegt war, ferner die durch das Gesetz vom 17. Jan. 1820 vorgesehene ständische Mitwirkung bei der Verzinsung u. Tilgung der Staatsschulden; endlich das Petitionsrecht über innere, nicht blos provinzielle Angelegenheiten. Die dem Patente beigegebene Verordnung über die Bildung des Vereinigten Landtages bestimmte: die acht Provinziallandtage sollen zu einem Landtage vereinigt werden, so oft dazu nach obigem Patent Veranlassung gegeben ist od. der König es sonst[538] für angemessen erachtet; der Landtag findet in zwei Versammlungen statt, in der Herrencurie, vertreten durch die königlichen Prinzen, die früheren reichsunmittelbaren Fürsten u. Standesherren u. anderweiten vom Könige gewählten Mitgliedern; u. in der Dreiständecurie, gebildet von den Abgeordneten der Ritterschaft, der Städte u. Landgemeinden. Weiter wurde über die Art u. Weise der Berathungen bestimmt, daß bei Propositionen über Staatsanleihen u. Steuerveränderungen der Herrenstand mit den übrigen Ständen zu einer gemeinschaftlichen Berathung zusammentreten, in allen übrigen Fällen in abgesonderter Versammlung berathen solle. Eine dritte Verordnung betraf den Vereinigten ständischen Ausschuß, welcher, ausgestattet mit allen Befugnissen des Vereinigten Landtags, die Steuerbewilligung u. das Petitionsrecht in Verfassungsangelegenheiten ausgenommen, spätestens aller vier Jahre zusammentreten sollte. Endlich wurde hinsichtlich der ständischen Deputation für das Staatsschuldenwesen verordnet, daß dieselbe aus acht auf dem Vereinigten Landtage zu wählenden Mitgliedern bestehen u. jährlich zur Erledigung ihrer Geschäfte vom Minister des Innern einberufen werden sollte. Indeß fand sich mit dieser königlichen Anordnung keine Partei befriedigt; die strengen Royalisten betrachteten das Patent mit Argwohn, die Liberalen mochten überhaupt von dem Ständewesen nichts wissen; die Partei des Rechtsstandpunktes hielt die älteren Gesetze über die Volksrepräsentation für verletzt. Eine Cabinetsordre vom 8. Februar berief den ersten Vereinigten Landtag auf den 11. April nach Berlin. Wenige Tage vor der Eröffnung erschien noch eine Reihe bedeutender Gesetze; das Gesetz vom 30. März, betreffend die Bildung neuer Religionsgesellschaften, stellte es Jedem frei, unbeschadet seiner staatsbürgerlichen Rechte aus seiner bisherigen Kirche auszuscheiden u. sich neuen Religionsgesellschaften anzuschließen; doch sollen die Beamten der letzteren Amtshandlungen mit civilrechtlicher Gültigkeit nicht vollziehen dürfen, wenn sie nicht bes. von der Staatsbehörde dazu befugt seien, vielmehr sollten die civilrechtlichen Acte von den Ortsgerichten aufgenommen werden. Ein zweites Gesetz vom 3. April betraf die Einrichtung von Handelsgerichten. Endlich erschienen noch zwei auf das Gerichtsverfahren bezügliche Verordnungen, wodurch die Öffentlichkeit auch für Civiluntersuchungen zugelassen u. allen männlichen Staatsbürgern der Zutritt zu den Gerichtsverhandlungen gestattet war. Am Tage der Landtagseröffnung wurde außerdem noch das Geschäftsreglement des Vereinigten Landtags publicirt: der König ernennt Marschall u. Vicemarschall für beide Curien; alle Reden müssen an den Marschall gerichtet werden; gestattet ist die vollständige Veröffentlichung der stenographischen Berichte, selbst unter Nennung der Namen der Redner etc.

Am 11. April fand die Eröffnung des Vereinigten Landtages in Berlin durch den König persönlich statt; derselbe sprach sich dabei u.a. dahin aus: der seit Beginn der provinzialständischen Wirksamkeit empfundene Mangel an Einheitspunkten des ständischen Lebens sei durch die Bildung der ständischen Ausschüsse nur unvollständig beseitigt worden; das Staatsschuldengesetz verlange hierin eine Ergänzung, u. diese werde nicht durch eine künstlich willkürliche, sondern durch eine durch die Vereinigung der Provinziallandtage natürlich gegebene Versammlung dargeboten, welcher er nicht nur jene aus dem Gesetz von 1820 hervorgehenden Rechte, sondern auch das Recht der Steuerbewilligung in nothwendigen Grenzen zuerkannt habe u. welche er öfter berufen wolle, wenn die gegenwärtige ihm den Beweis gebe, daß er es könne, ohne höhere Regentenpflichten zu verletzen; eine gemachte od. gegebene Constitution könne P. nicht ertragen u. ihn werde nichts bewegen, das natürliche Verhältniß zwischen Fürst u. Volk in ein constitutionelles zu verwandeln, daß sich zwischen Gott u. das Land ein beschriebenes Blatt eindränge, um durch seine Paragraphen zu regieren u. durch sie die alte Treue zu ersetzen. Am 12. April fand die erste Plenarsitzung der Vereinigten Curien statt, u. es wurde eine Antwortsadresse an den Thron zu erlassen beschlossen, worin dem höchsten Ermessen anheim gegeben wurde, ob durch die Gesetze vom 3. Febr. den durch die früheren Erlasse, bes. das Staatsschuldengesetz von 1820, gegebenen Verheißungen Genüge geleistet worden sei. Die Antwort des Königs erkannte zwar andere Berechtigungen als die durch die Gesetze vom 3. Febr. verliehenen nicht an, u. erklärte diese Gesetzgebung als in ihren Grundlagen unantastbar, enthielt aber doch auch den Zusatz, daß der König diese Gesetzgebung als bildungsfähig betrachte, Veränderungsvorschläge der Stände berücksichtigen werde u. für jetzt schon verspreche, die allgemeinen Stände innerhalb der Frist von vier Jahren wieder zu berufen. Bei den darnach angefangenen Arbeiten des Landtags, wobei es namentlich die liberale Partei in der Dreiständecurie nicht an Opposition fehlen ließ, wurde die Regierungsvorlage hinsichtlich der Ausschließung bescholtener Personen von ständischen Versammlungen fast unverändert angenommen; die wenigen von der Dreiständecurie vereinbarten Verbesserungsanträge zu dem Geschäftsreglement wurden von der Herrencurie fast ohne Ausnahme verworfen. In der Dreiständecurie wurde ein von der Regierung vorgelegtes Gesetz über die Abschätzung bäuerlicher Grundstücke u. die Beförderung gütlicher Auseinandersetzungen über den Nachlaß des bäuerlichen Gesammtbesitzes, sowie eine Regierungsvorlage wegen Übernahme der Garantie des Staates bei Errichtung von Rentenbanken zur Ablösung bäuerlicher Reallasten, deshalb abgelehnt, weil es den Ständen an einem genügenden Einblick in das Staatshaushalts-, wie in das Staatsschuldenwesen fehle, dagegen beantragt, daß über die Errichtung von Rentenbanken den nächsten Provinziallandtagen weitere Vorlagen gemacht u. die von diesen gefaßten Beschlüsse dem nächsten Vereinigten Landtage zur Beschlußnahme über die Garantien des Staates vorgelegt werden möchten. Bei den Verhandlungen über die Veränderung der ständischen Gesetzgebung hatte die Dreiständecurie sich geeinigt den König zu bitten, die Einberufung des Landtags alle zwei Jahre auszusprechen u. die ständischen Ausschüsse in Wegfall kommen zu lassen, u. ferner beschlossen, daß keine Garantie über eine Staatsschuldenverpflichtung irgend einer Art ohne Zustimmung des Vereinigten Landtags übernommen werde; daß das Recht des ständischen Beirathes dem Vereinigten Landtag über alle Steuergesetze zustehe; daß die Krone gebeten werden solle eine Declaration zu geben, wie rücksichtlich der früheren Gesetzgebung in den rechtlichen Verhältnissen der Domänen u. Regalien nichts geändert sei, u. die[539] Verfassungsgesetze ohne ständische Zustimmung nicht zu ändern. Die Regierung hatte ferner verlangt, der Landtag solle die Zustimmung zur Aufnahme einer Anleihe von 32 Mill. behufs der Ausführung der Ostbahn geben, diese Zustimmung wurde versagt, aber beschlossen, den König zu bitten, behufs der Ausführung der Ostbahn dem nächsten Vereinigten Landtage eine Proposition vorlegen u. bis da hin die an derselben begonnenen Arbeiten in geeigneter Weise fortsetzen zu lassen. Die von der Regierung gemachte Proposition wegen Abschaffung der Mahl- u. Schlachtsteuer u. deren Ersetzung durch eine Einkommensteuer auf Grundlage der Selbstabschätzung wurde verworfen; bei den Berathungen des Gesetzes über die Verhältnisse der Juden wurden diesen unter Festhaltung der Idee des Christlichen Staates die ständischen Rechte abgesprochen, dagegen ihre Befähigung zu Ämtern des Staats, der Gemeinden u. Untergemeinden, mit Ausschluß des Elementarunterrichts, anerkannt; die Ehe zwischen Juden u. Christen wurde für giltig erklärt. In der Herrencurie erhielt der Rezierungsentwurf auch einige mildernde Modificationen. Dieselbe Herrencurie erklärte sich bei der Verhandlung über die Abänderung der ständischen Gesetzgebung für die Periodicität des Vereinigten Landtags, ohne sich jedoch für eine bestimmte Zeit auszusprechen. Hinsichtlich der auf das Staatsschuldenwesen bezüglichen Anträge sprach sie sich zunächst dafür aus den König zu bitten, daß olle für Friedenszwecke zu contrahirenden Anlehen nur mit Zustimmung des Vereinigten Landtages aufgenommen werden könnten, daß dasselbe auch von Darlehen für Kriegszwecke gelten möge, daß aber in letzter Hinsicht, wenn die Berufung des Vereinigten Landtags unausführbar sei, dem Könige das Recht vorbehalten bleibe, dergleichen Anlehen rechtsgültig zu contrahiren. Dagegen wurde der Antrag, dem aboldsmallzusolge die Verfassungsgesetze nicht ohne Zustimmung der Stände abgeändert werden sollen, abgelehnt. Der Antrag wegen Aussetzungen der Wahlen zu den ständischen Ausschüssen u. der Staatsschuldendeputation wurde, sehr modificirt, angenommen. Den abgeänderten Vorschlägen der Herrencurie hinsichtlich der Verfassungsanträge, mit alleiniger Ausnahme des vierten Antrags, hinsichtlich der ohne ständische Zustimmung zu contrahirenden Kriegsschulden, trat dann auch die Dreiständecurie bei. Inzwischen hatte sich letztere auch mit mehren an sie gerichtete Petitionen beschäftigt. Unmittelbar auf die letzten Berathungen folgte am 24. Juni die königliche Entscheidung über die ständische Gesetzgebung in zwei königlichen Botschaften an beide Curien; zugesichert war darin, daß allerdings jede Vermehrung der Staatsschuld in Friedenszeiten der ständischen Zustimmung bedürfe, nicht aber sei die ständische Mitwirkung bei Verwaltungsschulden erforderlich; hinsichtlich der fünf Anträge wegen Abänderung der Februarpatente waren zwar mehre beruhigende Erklärungen abgegeben, aber die Frage wegen der Periodicität des Vereinigten Landtages blieb unentschieden, da der König sich die Entschließung darüber so lange vorbehalten wollte, bis die Februarverordnungen zur Ausführung gekommen sein würde, die Wahl des ständischen Ausschusses aber müsse erfolgen, da demselben das neue Strafgesetzbuch zur Berathung vorgelegt werden solle. Durch eine dritte Botschaft wurde der Landtagscommissär beauftragt, die Versammlung zu schließen. Vorher wurde noch die Wahl des ständischen Ausschusses vollzogen. Der Landtagsabschied erschien am 24. Juli; viele Vorschläge der Dreiständecurie waren ganz unberücksichtigt geblieben, wie der bezüglich der Erweiterung des Petitionsrechtes u. Prüfung des Hauptfinanzetats durch die Stände; andere Anträge wurden zurückgewiesen, so der über die Ehe zwischen Christen u. Juden u. über die Eisenbahnanleihe; hinsichtlich anderer Gesetze, wie des Bescholtenheits- u. Judengesetzes, wurde den ständischen Anträgen möglichste Berücksichtigung zugesagt. Gewährt wurde z.B. die Öffentlichkeit der Stadtverordnetenversammlungen, die Ausdehnung des neuen Gerichtsverfahrens auf die ganze Monarchie. Die gewünschten Abänderungen in dem Geschäftsreglement des Vereinigten Landtages sollten in Erwägung gezogen werden.

Hinsichtlich der auswärtigen Politik trat P., vereinigt mit Österreich u. Rußland, für die Sache des Sonderbundes in der Schweiz in die Schranken; über die betreffs der Sonderstellung Neuenburgs gegenüber den Schweizer Wirren seitens der preußischen Regierung gethanen Schritte s. u. Neuenburg S. 811. Ein Wechsel im Ministerium trat dadurch ein, daß v. Rohr das Portefeuille des bisherigen Kriegsministers v. Boyen übernahm. Seit dem 2. Aug. wurde in Berlin der Polenproceß wegen der Posener Verschwörung von 1846 verhandelt; von den nahezu 190 Angeklagten wurden laut des am 2. Dec. eröffneten Erkenntnisses acht zum Tode verurtheilt (unter ihnen Mieroslawski u. Kosinski), 135 freigesprochen, die Übrigen mit theilweise lebenslänglicher Freiheitsstrafe belegt; die Mehrzahl der Verurtheilten appellirte an die zweite Instanz, während Einzelne die königliche Gnade anriefen. Der allgemeine Nothstand des Jahres machte sich auch in P. schon seit dem Frühjahr vielfach fühlbar u. war auf der einen Seite die Ursache mehrfacher von der Regierung erlassener Ausfuhrverbote, auf der andern Seite vieler Tumulte, wie dergleichen in Berlin selbst vorkamen. Auf die höchste Höhe steigerte sich die materielle Noth bes. im Winter 1847 zu 1848 in Schlesien, wo die Hungersnoth einen furchtbaren Typhus hervorgerufen hatte, welcher sich allmälig über alle Klassen des Volkes verbreitete. Die Regierung versäumte nichts, die Noth mit den wirksamsten Mitteln zu bekämpfen u. sorgte zugleich für die zahlreichen ihrer Altern beraubten Kinder. Am 17. Jan. 1848 traten die Ausschüsse zusammen, um den neuen Strafgesetzbuchentwurf zu begutachten, welcher jedoch, auch außer der am Französischen Rechte hängenden Rheinprovinz, wegen seiner besonderen Rechtstheorien u. sehr harten Strafbestimmungen fast allgemein keinen Anklang gefunden hatte. Während der Berathung desselben langte die Nachricht von der französischen Februarrevolution an, u. noch unter dem ersten Eindrucke derselben erfolgte am 6. März die Schließung des Vereinigten Ausschusses, nachdem derselbe ausdrücklich gebeten hatte, daß das Strafgesetz nicht eher Gesetzeskraft erhalten möge, bis es noch einmal dem Vereinigten Landtag vorgelegt worden wäre. Hierbei erfolgte denn nun auch die königliche Erklärung, daß die durch das Februarpatent den Vereinigten Ausschüssen gewährte Periodicität auf den Vereinigten Landtag übertragen u. die Befugnisse der ersteren demgemäß beschränkt werden sollten.

[540] Wie in früheren Jahren, so nahm auch jetzt die politische Bewegung ihren Anfang in der Rheinprovinz. In Köln wurde schon am 3. März von einer großen Volksmasse dem Gemeinderathe eine Petition um Schutz der Arbeit u. Sicherstellung der menschlichen Bedürfnisse für Alle, vollständige Erziehung aller Kinder auf öffentliche Kosten etc. überreicht u. auf dessen Beitritt bestanden, bis das Militär die Menge zerstreute. Von größerem Gewichte war eine am nächsten Tage von Bürgern beschlossene Adresse an den König, in welcher die allgemeinen Forderungen des deutschen Volkes erhoben wurden. Ähnliches geschah fast gleichzeitig von Aachen, Coblenz, Düsseldorf, Elberfeld aus. In Westfalen folgten bes. die Landgemeinden dem Beispiele der Rheinländer, in der Provinz Sachsen eröffnete Magdeburg den Reihen. Hier u. da entstanden auch schon bedeutendere Tumulte, wie in Magdeburg gegen die Chefs des Consistoriums u. der Polizei u. in Erfurt, an welchem letztern Orte die Häuser mehrer mißliebigen Einwohner vom Pöbel demolirt wurden u. das Einschreiten des Militärs einigen Menschen das Leben kostete. In Schlesien begann Breslau, in der Provinz Preußen Königsberg u. Elbing die Adreßbewegung, auch hier kam es zu mehrfachen Conflicten zwischen dem Militär u. der aufgeregten Volksmenge. Inzwischen hatte sich die Bewegung auch der Hauptstadt Berlin mitgetheilt. Während der Stadtrath noch am 7. März den Antrag, den König um schleunige Einberufung des Landtages u. Gewährung freierer Institutionen zu bitten, abgelehnt hatte, war an demselben Tage von einer Volksversammlung im Thiergarten eine Adresse beschlossen worden, welche neben den allgemeinen deutschen Forderungen auch um eine Amnestie wegen politischen Vergehen u. schleunige Einberufung des Landtages bat; doch verweigerte der König die Annahme derselben. Eine Cabinetsordre vom 8. März brachte bezüglich des Bundesbeschlusses vom 3., wegen Freigebung der Presse, die Entschließung des Königs, daß die Aufhebung der Censur von einer Vereinbarung mit den übrigen Bundesstaaten abhängen sollte. Als am 14. März das Stadtverordnetencollegium u. der Stadtrath dem König eine im Wesentlichen mit der des Volksausschusses übereinstimmende Petition überreichte, gab der König die Antwort, daß der Vereinigte Landtag bereits auf den 27. April einberufen sei, die übrigen Bitten könnten jedoch erst durch diesen ihre Lösung finden. Diese Eröffnung befriedigte so wenig, daß die Aufregung in fortwährendem Steigen war. Zudem war gegen die Volksversammlungen am 13. März durch Militär eingeschritten worden, wobei es zu den ersten ernsten Conflicten kam. Am 14. u. 15. März wiederholten sich die Zusammenrottungen in verstärktem Maße, u. da jetzt zugleich die ersten Gerüchte von Wiens Erhebung sich verbreiteten, so blieb auch die Bekanntmachung von der beabsichtigten Eröffnung eines Fürstencongresses ohne alle beruhigende Wirkung. Am Abend des 15. März erneuten sich die Collisionen in ernstester Weise; die von den Bürgern gebildeten Schutzcommissionen vermochten nichts mehr über die tobende Menge; an vielen Orten wurde zugleich, zum Theil hinter Barrikaden, gekämpft; da das Militär jetzt auch von der Schußwaffe Gebrauch machte, so war die Zahl der Todten u. Verwundeten nicht gering. Dieselben Auftritte wiederholten sich am 16. März namentlich am Palast des Prinzen von P.; der 17. verging dagegen in Ruhe. Dies hatte seinen Grund darin, daß man von einer an diesem Tage erwarteten Deputation aus Köln, welche die bestimmtesten Forderungen stellen würde, einen gewissen Erfolg erwartete. In den Provinzen hatte nämlich die Bewegung, zumal nach der Cabinetsordre vom 8. März u. da die Erwartung von Zugeständnissen noch immer nicht befriedigt wurde, bedeutend um sich gegriffen. In Breslau waren, nachdem das Volk in Folge mehrer Conflicte mit dem Militär sich eigenmächtig bewaffnet hatte, die meisten Behörden verschwunden, der Magistrat theilte seine Autorität mit einer Volksdeputation, welche ziemlich offen für communistische Zwecke arbeitete. Eine von dieser Seite aus an den König entsandte Deputation verlangte zugleich die Herstellung einer wahren Volksvertretung statt der Einberufung des Vereinigten Landtages. Im Riesengebirge griffen zugleich die Bauernaufstände um sich. In gleicher Weise traten communistische Elemente mehr u. mehr auch in Westfalen u. in der Rheinprovinz hervor; Arbeiter zerschlugen die Maschinen u. Fabrikgebäude ihrer Brodherren, während ganze Banden das Land durchzogen, die Schlösser der Adeligen zerstörten u. gegen die Juden wütheten. Um so dringender fühlte man das Bedürfniß, durch Concessionen des Königs beruhigtere Zustände zu erhalten, u. es. waren in diesem Sinne schon wiederholt Vorstellungen aus der Rheinprovinz an den Thron gelangt. Jetzt hatten sich dort alle bedeutenden Städte vereinigt, durch Deputationen entschiedene Erklärungen in Berlin zu erhalten. Am Morgen des 18. März wurde die Kölner Deputation vom König empfangen u. ihre Adresse beifällig aufgenommen, wobei der König erklärte, er werde sich an die Spitze der Bewegung Deutschlands stellen u. im Innern die nöthigen Freiheiten geben, wie überhaupt ein in Kürze zu Potsdam zusammentretender Fürstencongreß die deutschen Angelegenheiten ordnen werde. Dem Drängen der Deputation auf bestimmte Zusagen wurde mit der Versicherung entgegnet, daß in wenigen Stunden eine befriedigende Proclamation erscheinen werde, u. diese sprach sich in Bezug auf die deutschen Verhältnisse für die Umwandlung des Staatenbundes in einen Bundesstaat u. für Repräsentation des Volkes bei dem Bunde aus; außerdem wurde die Einberufung des Vereinigten Landtages schon für den 2. April verkündet, damit derselbe um so eher die Vorschläge für eine Verfassung des Staates berathen könne. Gleichzeitig erschien ein Preßgesetz, wodurch die Censur aufgehoben u. die Herausgabe von Zeitungen unter Cautionsstellung freigegeben wurde. Damit waren die Petenten zufriedengestellt; da aber verlangt wurde, daß das vor dem Schlosse aufgestellte Militär zurückgezogen werden sollte, so genehmigte der König dies nicht. Gleichzeitig hatte die Cavallerie einige Chargen gegen die Menge gemacht u. aus dem Schloßthor drang ein Infanteriebataillon vor u. trieb das Volk zurück. Dabei fielen (Einige sagen aus den Militärreihen, Andere aus dem Volke) zwei Schüsse, u. dies gab den Führern des Aufstandes die gewünschte Gelegenheit, das Volk zur Rache aufzurufen, u. in Kurzem war die Stadt mit Barrikaden bedeckt. Alle Vorstellungen, welche inzwischen von einzelnen Deputationen bei dem Könige wegen Zurückziehung der Truppen gemacht worden waren, hatten sich[541] erfolglos gezeigt, und so begann der Straßenkampf des 18. März Nachmittags drei Uhr u. wurde unter fortwährendem Gewehr- u. Kanonenfeuer bis um neun Uhr des folgenden Morgens fortgesetzt. Bis dahin waren die Truppen im Besitz des größeren Theiles der Stadt, namentlich der Umgegend des Schlosses. Verschiedene Abordnungen, die selbst in der Nacht zum Könige gedrungen waren, hatten nichts zu erlangen vermocht; endlich gab der König den erneuten Bitten städtischer Deputationen nach, u. das gesammte Militär verließ die Stadt um 10 Uhr. Darauf wurden die Barrikaden geräumt u. anderntheils zur Bewaffnung der Bürger die Waffen mit Genehmigung des Königs aus dem königlichen Zeughaus geliefert. Am Nachmittag erschien die königliche Verordnung, wonach das bisherige Ministerium entlassen u. Graf Arnim zum Vorsitzenden des neuen Ministeriums ernannt war; gleichzeitig wurden Graf Schwerin u. Freiherr von Arnim ins Ministerium berufen; am 20. März übernahm Bornemann die Justiz. Der Prinz von P., welchen die Führer des Aufstandes die Veranlassung der ernsten Regierungsmaßregeln beimaßen, hatte inzwischen Berlin verlassen u. ging den 22. März nach London. So war die Stimmung in Berlin eine ziemlich befriedigte geworden. Nicht so stand es in den Provinzen, wo das Patent vom 18. März nur in geringem Grade befriedigte. Bürger- u. Volksversammlungen u. Gemeindebehörden aus der Rheinprovinz erließen Adressen an den König od. den Vereinigten Landtag, in denen vor Allem die Umwandlung des Vereinigten Landtages, welcher höchstens das Wahlgesetz zu berathen habe, in eine Volksvertretung u. die Entlassung der neuen Minister verlangt wurde; Deputationen aus Breslau u. Liegnitz forderten, daß der Landtag gar nicht zusammentrete. Doch wies der König solche weitgehende Verlangen zurück. Außerdem hatten aber auch die Berliner Ereignisse vom 18. März an vielen Orten das Signal zu den rohsten Gewaltthätigkeiten gegeben, so in Schlesien (Görlitz, Liegnitz, Schmiedeberg, Hirschberger Thal) u. in der Rheinprovinz, wo bes. gegen die Fabriken gewüthet wurde, wie in Düsseldorf, Aachen, Krefeld.

Berlin, welches jetzt völlig der Mittelpunkt der demokratischen Bestrebungen geworden war, befand sich in beständiger Bewegung. Den durch das Amnestiedecret vom 20. März befreiten Polen wurde ihr Abzug aus dem Gefängniß zu einem Trimnphzug gemacht, die am 22. stattfindende Beerdigung der auf Seiten des Volkes am 18. gefallenen Opfer mußte als pomphafte Demonstration dienen. Diese Zustände, zu denen sich noch eine allgemeine Arbeiterbewegung mit socialistischer Färbung gesellte, veranlaßte jetzt eine bedeutende Auswanderung Seitens der höheren Stände aus der Hauptstadt, welche schon deshalb nicht ohne Bedeutung war, weil damit die Brodlosigkeit der ärmeren Volksklassen wuchs. Am 21. hatte inzwischen der König eine Proclamation erlassen, worin er neben der Versicherung, daß P. in Deutschland aufgehen solle, zugleich erklärte, sich an die Spitze der deutschen Fürsten stellen zu wollen, so lange die Gefahr andaure, um die deutschen Errungenschaften zu sichern. An demselben Tage hielt der König einen feierlichen Umzug durch Berlin u. wurde mit Begeisterung vom Volke begrüßt. Die Unhaltbarkeit des neuen Ministeriums hatte sich unterdessen so unverkennbar gezeigt, daß sich der König zur Entlassung des Grafen Arnim entschloß Am 29. März ward das neue Ministerium gebildet, in welchem Camphausen den Vorsitz erhielt u. zugleich das Äußere übernahm, während Hansemann für die Finanzen, Auerswald für das Innere u. General Reyher für den Krieg eintraten; von den früheren Ministern blieben Schwerin, Freiherr von Arnim u. Bornemann. Das neue Ministerium erklärte von nun an die Verantwortlichkeit für alle königlichen Entschließungen übernehmen zu wollen. Am 30. März erhielt Berlin auch wieder eine militärische Garnison, bestehend aus 5 Bataillonen u. 5 Escadrons Linientruppen. Am 2. April erfolgte die Eröffnung des Vereinigten Landtages durch Minister Camphausen. Die erste der königlichen Propositionen betraf das Wahlgesetz für die künftige Constituireude Versammlung, wonach bei indirectem Wahlmodus jeder heimathberechtigte Preuße, welcher das 24. Lebensjahr vollendet, in der Gemeinde, worin er ein Jahr lang gewohnt, stimmberechtigter Urwähler u. jeder über 30 Jahre alter Preuße zum Abgeordneten wählbar sein sollte. Eine zweite Proposition gab bereits einige Verordnungen als Grundlagen der künftigen Verfassung kund: eine Erweiterung der Preßfreiheit durch Aufhebung der Cautionsbestellung; die Aufhebung der Ausnahmegerichte für Staatsverbrechen, sowie des Gesetzes von 1844, welches die Unabhängigkeit des Richterstandes beschränkte; die Gewährleistung des Vereinigungs- u. Versammlungsrechtes u. der politischen Gleichstellung aller Confessionen; endlich die Bestimmung, daß den künftigen Volksvertretern jedenfalls die Zustimmung zu allen Gesetzen, sowie zur Feststellung des Staatshaushaltetats u. das Steuerbewilligungsrecht zustehen solle. Bei der Verathung über die Grundlagen zur künftigen Verfassung wurde die Regierungsproposition, mit Ausnahme der Bestimmungen über das Versammlungsrecht, genehmigt; bezüglich des Wahlgesetzes wurde über Wesen u. Recht der künftigen Constituirenden Versammlung zuförderst festgestellt, daß dieselbe berufen sei, die Staatsverfassung durch Vereinbarung mit der Krone festzustellen u. die seitherigen reichsständischen Befugnisse, namentlich in Bezug auf Bewilligung von Steuern u. Staatsanleihen, für die Dauer ihrer Versammlung interimistisch auszuüben. Das Wahlgesetz selbst wurde mit wenigen Abänderungen nach dem Regierungsentwurf angenommen. Gelegentlich der von der Regierung angeordneten (durch späteren Beschluß der Bundesversammlung übrigens von selbst wieder aufgehobenen) Wahlen für das Frankfurter Parlament durch den Vereinigten Landtag hatten die preußischen u. posenschen Stände ihre Erklärung über eine Einverleibung ihrer Provinzen in den Deutschen Bund abzugeben; die preußischen Stände sprachen sich unbedingt dafür aus, während von den posenschen nur die in der Minorität befindlichen Deutschen dies verlangten u. demgemäß auch für sich wählten; die Polen lehnten die Einverleibung ab. Zuletzt wurde die von dem Ministerium unter Hinweisung auf die Dringlichkeit der Lage, welche eine Verschiebung der Frage bis zu dem Zusammentritt der Volksvertretung unmöglich mache, verlangte Zustimmung zu der Beschaffung außerordentlicher Geldmittel. sowohl zum äußeren Schutz der Monarchie, als zur Wiederherstellung des Credits u. zur Aufrechthaltung[542] der Industrie ertheilt u. darauf der Landtag am 10. April geschlossen.

Inzwischen hatte sich in der Provinz Posen bereits ein blutiger Racenkampf entsponnen. Seit dem 20. März waren die durch die Februarrevolution 1848 neu angeregten Pläne der Polen offener hervorgetreten Ein königlicher Erlaß vom 24. März verhieß die Bereitwilligkeit zur Anbahnung der in einer Petition gewünschten Reorganisation des Großherzogthums. Gleichwohl gab es in der Provinz die gröbsten Excesse; die Kreisbehörden wurden vertrieben, königliche Kassen mit Beschlag belegt, die preußischen Adler herabgerissen; zugleich wurde ein bewaffneter Landsturm organisirt u. die im preußischen Heere dienenden polnischen Soldaten offen zum Übertritt aufgefordert; der polnische Nationalcomité trat als förmliche Behörde auf, warb Truppen, welche unter Mieroslawski's Commando gestellt wurden, u. schrieb für deren Unterhalt eine mehrmonatliche Grundsteuer aus, erklärte sogar Westpolen als zu dem neuen Polen gehörig. Dem Allen gegenüber wuchs die Erbitterung der deutschen Einwohner, welche ihrerseits gleichfalls ein Nationalcomité aufstellten, die Regierung mit ihren Vorstellungen gegen eine Lostrennung von P. angingen u. wenigstens eine Demarcationslinie zwischen den deutschen u. polnischen Kreisen beantragten, wonach nur letztere zur Reorganisation gezogen würden. Das Ministerium sandte im April den General Willisen als Commissär ab, durch welchen zunächst nach der Convention von Jaroslawiec die vier polnischen Heerlager aufgelöst u. eine Demarcationslinie bestimmt wurde, für welche nachher der König festsetzte, daß die deutschen Districte von der nationalen Reorganisation ausgeschlossen bleiben, die polnischen Theile eine eigene constitutionelle Verfassung erhalten, Schulunterricht, Gerichtsverfassung u. Verwaltung national sein, die Beamtenstellen nur mit Landesangehörigen besetzt werden sollten etc. Die Theilung, namentlich der Verlust der Stadt u. Festung Posen, regte die Polen aber von Neuem auf, u. während die Regierung die Reorganisation auf alle Art zu beschleunigen suchte, rüsteten die Polen aufs Neue, u. kurz nach Willisens Abgang brach in einigen Kreisen der Aufstand wieder los. Jetzt sandte die Regierung den General Pfuel nach Posen ab, u. es wurde nun mit Gewalt eingeschritten. Der Kampf begann am 4. Mai; nach mehrern Niederlagen erklärte sich Mieroslawski zur Capitulation bereit, gab aber, noch ehe diese abgeschlossen wurde (9. Mai), den Oberbefehl ab. Mit dem Treffen bei Exin am 12. Mai war der Aufstand unterdrückt. Der Versuch der Regierung, die Reorganisation nun fortzusetzen, scheiterte an dem Widerstande der Polen. Doch waren schon am 22. April auf P-s Antrag bei der Bundesversammlung mehre an das deutsche Gebiet anstoßende Districte Posens (mit 593,000 Seelen) in den Deutschen Bund aufgenommen worden, wie dies bereits am 11. April mit Ost- u. Westpreußen geschehen war. In Berlin ging indessen das Parteitreiben hoch einher, aber jemehr es der demokratischen Partei gelungen war, die Arbeiter u. das Proletariat gänzlich für sich zu gewinnen, desto mehr zog sich die Bürgerschaft von der Betheiligung an den Versammlungen u. Demonstrationen der Demokraten zurück, ja nahm schon mit Stellung gegen sie.

Am 22. Mai wurde die Nationalversammlung, welche die Verfassung berathen sollte, durch den König eröffnet. Der Beginn der einleitenden Arbeiten war insofern ominös, als von der äußersten Linken ein Antrag eingebracht wurde, nach welchem die Versammlung in Anerkennung der Revolution zu Protokoll erklären sollte, daß sich die Kämpfer des 18. u. 19. März wohl ums Vaterland verdient gemacht hätten, u. als die Aufregung der während der Verhandlung vor dem Sitzungslocal versammelten Volkshaufen sich nach dem Schlusse der Sitzung in Schmähungen gegen die Abgeordneten der Rechten entlud. Am Abend desselben Tages, 14. Juni, brachen in Berlin wieder ernstliche Unruhen aus, das Zeughaus wurde unter geringem Widerstand der Bürgerwehr durch Arbeiterhaufen erstürmt u. seiner kostbarsten Waffen beraubt u. andere Unthaten verübt. Da die Nationalversammlung bei Berathung des Verfassungswerks, welches wegen der Zusammensetzung der ersten Kammer (außer 180 auf gewöhnliche Weise gewählten Mitgliedern u. den Prinzen des königlichen Hauses sollten 60 Mitglieder aus den Höchstvermögenden durch den König gewählt werden u. ihr Recht vererben) ihren Beifall nicht gefunden hatte, beschloß, den Entwurf an eine besondere Commission zur Um- od. Ausarbeitung eines neuen Entwurfes zu verweisen, so gab das Ministerium seine Entlassung. In das neue, am 25. Juni vollständige Ministerium trat nun Hansemann als Finanzminister wieder ein, Ministerpräsident u. provisorischer Minister des Auswärtigen wurde von Auerswald, Bruder des ausgetretenen Ministers; von Schreckenstein übernahm den Krieg, Märker die Justiz, Kühlwetter das Innere, Milde den Handel, Giercke den Ackerbau u. Rodbertus den Cultus (Letztere drei waren verschiedenen Fractionen der Nationalversammlung bis zum linken Centrum entnommen). Das Programm des neuen Cabinets enthielt wesentliche Concessionen: Begründung der ersten Kammer auf volksthümlicher Basis, Gesetze über die Bürgerwehr, die Entlastung des Eigenthums, die Gemeindeordnung, Reorganisation der Rechtspflege, Reformen in der Steuergesetzgebung, Beschaffung von Beschäftigung durch öffentliche Arbeiten etc. Übrigens trat Rodbertus schon nach wenigen Tagen wieder aus dem Cabinet in Folge einer Meinungsverschiedenheit in der deutschen Frage, da die preußische Regierung die Bestätigung der Wahl des Reichsverwesers nur unter dem Vorbehalt ertheilte, daß aus ihr nicht das Recht der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt auf einseitige Erlassung von Gesetzen hergeleitet werde. Inzwischen setzte die Versammlung ihre Arbeiten rasch fort, nahm die Geschäftsordnung an, bewilligte auf die Erklärung des Finanzministers, nach welcher ein Mehrbedürfniß über den Voranschlag des Jahres 1848 von 30 Millionen in Aussicht erscheine, welches nur zur Hälfte durch die Bestände des Staatsschatzes gedeckt werden könnte, eine Anleihe von 15 Millionen; berieth die Gesetze über die Aufhebung des eximirten Gerichtsstandes in Criminal- u. fiscalischen Untersuchungssachen u. über die Abschaffung der Todesstrafe. Der Gang der Verhandlungen wurde durch eine Frage wegen der Stellung des Militärs in der neuen Ordnung der Dinge unterbrochen. In Folge einer Ministerialverfügung vom 13. Juli, wonach alle Civilbeamte mit Entsetzung bedroht wurden, welche ihren amtlichen Einfluß zur Verwirklichung reactionärer Bestrebungen mißbrauchen würden,[543] wurde diese Frage nun auf das Militär übergetragen. Es war schon von den Mitgliedern der Linken als beklagenswerth bemerkt worden, daß sich allmälig immer mehr Truppen um die Hauptstadt sammelten u. daß die dem Reichsverweser darzubringende Huldigung durch einen königlichen Heerbefehl vom 29. Juli ersetzt wurde. Jene Partei in der Versammlung hatte auch nie abgelassen, das Ministerium mit Beschwerden über das Verhalten des Militärs zu drängen. Als nun in Schweidnitz am 31. Juli bei einem Pöbelauflauf das Militär auf die Bürgerwehr gefeuert hatte, wobei 6 Menschen getödtet u. 14 verwundet wurden, so wendeten sich die Schweidnitzer an die Nationalversammlung, u. diese beantragte zunächst am 9. August die Entfernung der compromittirten Truppen aus Schweidnitz, verlangte aber dann auch, der Kriegsminister möge in einem Erlaß sich dahin aussprechen, daß die Offiziere allen reactionären Bestrebungen fern bleiben u. Conflicte jeder Art mit dem Civil vermeiden, ja daß die Offiziere, mit deren politischen Überzeugungen dies nicht vereinbar sei, ganz aus der Armee austreten sollten (gegen letztern Zusatz als einen Gewissenszwang protestirte die Minorität noch ausdrücklich in der nächsten Sitzung). In Folge eines Tumults in Charlottenburg am 20. August, wo der Volksverein von Bürgern gesprengt u. seine Mitglieder gemißhandelt worden waren, waren an diesem u. dem nächsten Tage die Gebäude der Ministerien des Handels u. des Innern von Volkshaufen angegriffen, der Justizminister auf offener Straße beleidigt, das Hotel des Ministerpräsidenten förmlich belagert worden; dies veranlaßte das Ministerium ein Tumult- u. Versammlungsgesetz am 22. August vorzulegen, dessen Dringlichkeit die Nationalversammlung anerkannte. Am 20. Aug wurde das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit angenommen. Als am 4. Sept. ein Schreiben des Kriegsministeriums in Beziehung auf den Antrag vom 9. Aug. einlief, welches sich gegen die Zweckmäßigkeit eines allgemeinen Erlasses an das Heer aussprach u. für nothwendig erklärte, daß dem Kriegsminister die Wahl der Mittel, um den von der Versammlung erstrebten Zweck zu erreichen, überlassen bleibe; so wurde die Frage aufgeworfen, ob das Ministerium überhaupt verpflichtet sei, die Beschlüsse der Versammlung unbedingt auszuführen, u. am 7. September wurde der Antrag, daß es die dringendste Pflicht des Staatsministeriums sei, den von der Nationalversammlung am 9. August beantragten Erlaß ohne Weiteres ergehen zu lassen, angenommen. Hiermit hatte sich die Versammlung als wirklich decretirende auf den Boden der Revolution gestellt, aber in Folge davon wurde die Stimmung der Provinzen (Schlesien, Sachsen u. den Rhein ausgenommen) eine der Nationalversammlung überwiegendungünstige; das Ministerium reichte am 9. Septbr. seine Entlassung ein. Während der Bildung des neuen Cabinets waren die nach Abschluß des Waffenstillstandes von Malmöe aus dem Dänischen Kriege zurückkehrenden Truppen in die Nähe Berlins verlegt worden, wie überhaupt die Truppenmassen sich täglich um die Hauptstadt häuften; zugleich erließ der General Wrangel, welcher zum Oberbefehlshaber der Truppen in der Mark ernannt worden war, am 17. Sept. einen Heerbefehl, worin er das Einschreiten des Militärs bei allen weiteren Unordnungen ankündigte. Am 21. Septbr. erschien die königliche Cabinetsordre, wonach General Pfuel zum Ministerpräsidenten u. Kriegsminister, Eichmann zum Minister des Innern, Bonin zum Finanzminister, Graf Dönhoff zum Minister des Auswärtigen ernannt wurden; einige Tage später übernahm Kisker das Justizministerium; Cultus, Handel u. Ackerbau blieben unbesetzt. Obgleich das neue Ministerium ein ziemlich unbestimmtes Programm vorlegte, gewann es sich immer mehr Vertrauen durch die Offenheit, mit welcher es der Versammlung entgegenkam, u. durch die Bereitwilligkeit, mit welcher es billigen Anforderungen entsprach, wie es namentlich schon am 3. October die Aufhebung des am 26. Septbr. über Köln wegen grober Excesse u. der Widersetzlichkeit der Bürgerwehr verhängten Belagerungszustandes u. am 9. Octbr. den Erlaß der beantragten Amnestie für die in Posen begangenen politischen Verbrechen anzeigte. Die Arbeiten der Versammlung bezogen sich inzwischen auf die Gesetze zum Schutz der persönlichen Freiheit, wegen Sistirung der bäuerlichen Ablösungs- u. Separationsverhältnisse bis zum Erlaß eines diesen Gegenstand vollständig regelnden Gesetzes; über das Bürgerwehrgesetz, über die unentgeltliche Aufhebung des Jagdrechtes auf fremdem Grund u. Boden, welche die Regierung genehmigte; dagegen war das Gesetz über Aufhebung der Todesstrafe mit einer Rückäußerung des Königs nochmals zur Berathung zurückgegeben worden. Am 12 Octbr. wurde endlich auch die Berathung der Verfassung begonnen. Am 16. Octbr. kam es in Berlin zwischen den aufrührerischen Kanalarbeitern u. der Bürgerwehr zu einem förmlichen Straßenkampfe, in welchem es auf beiden Seiten Todte u. Verwundete gab; da nun die Arbeiter hierauf eine Petition an die Nationalversammlung überreichten, worin sie um Bestrafung der Bürgerwehr baten, u. die Linke diese Petition unterstützte, so spaltete sich von da an die Versammlung in zwei völlig feindliche Lager. Am 26. Oct. legte Grabow, der Präsident, sein Amt nieder, worauf v. Unruh zum Präsidenten der Nationalversammlung ernannt wurde. Inzwischen war die bedrohte Lage der Wiener Revolution von den demokratischen Führern, deren Zahl durch den am 27. in Berlin eröffneten, jedoch sehr niederschlagende Resultate ergebenden Demokratencongreß verstärkt worden war, zu einer neuen Bewegung der Massen benutzt u. zum Gegenstande einer beabsichtigten Monstrepetition an die Nationalversammlung gemacht worden Während der Berathung eines Antrags, welcher dahin ging, das Ministerium aufzufordern, mit allen Mitteln zum Schutze der in Wien bedrohten Volksfreiheit einzuschreiten, hatte am 31. Octbr. ein gewaltiger Volkshaufen das Sitzungslocal, welches seit 19. Sept. in das Schauspielhaus verlegt worden war, förmlich belagert, um vor der Abstimmung Niemand heraus zu lassen, u. erst durch herangezogene Verstärkung der Bürgerwehr war es gelungen, den Abgeordneten Bahn zu machen. Diese Vorfälle hatten das Maß des Zuwartens voll gemacht; in der Sitzung des 2. Novbr. benachrichtigte ein Schreiben des Ministerpräsidenten die Versammlung, daß er seine Entlassung gegeben habe, ein zweites Schreiben des Generals Grafen Brandenburg zeigte an, daß er mit Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt sei. Vergebens bat die den entschiedenen Charakter des Grafen kennende Versammlung durch eine Deputation den König um einen andern Chef des Ministeriums, dasselbe[544] war bis zum 8. Novbr. gebildet u. bestand aus dem Grafen Brandenburg als Präsidenten u. provisorischem Minister des Äußeren, v. Ladenberg als Unterrichtsminister, v. Manteuffel für das Innere u. provisorisch den Ackerbau, v. Strotha für den Krieg; Kühne übernahm die Finanzen u. v. Pommer-Esche Handel, Gewerbe u. öffentliche Arbeiten, Rintelen erhielt am 12. die Justiz. Am 9. Novbr. erschien das Ministerium in der Nationalversammlung, u. Graf Brandenburg ließ eine königliche Botschaft verlesen, wonach die Versammlung wegen der Unfreiheit ihrer Berathungen, unter Vertagung bis zum 27. Novbr., nach Brandenburg verlegt werden sollte. Hierauf verließen die Minister mit der Rechten den Saal, die Zurückgebliebenen aber faßten den Beschluß, daß sich die Versammlung in bleibender Wirksamkeit erklärte, der Krone das Recht zur Vertagung, Verlegung u. Auflösung bestritt, die Minister für unfähig zur Verwaltung der Geschäfte, sowie einer schweren Pflichtverletzung schuldig erkannte u. die Veröffentlichung dieser Beschlüsse anordnete. Am Abend fuhr man in der Berathung des Lastengesetzes fort. Die Mitglieder der Rechten protestirten jedoch gegen alle seit der Vertagung gefaßten Beschlüsse. Da die Bürgerwehr sich nicht dazu verstehen wollte, den nächsten Morgen das Sitzungslocal abzusperren u. den Abgeordneten den Eintritt zu wehren, so rückte am 10. Nov, nachdem die Versammlung den ganzen Tag beisammen geblieben war u. in der Berathung des Lastengesetzes fortgefahren hatte, General Wrangel mit 15,000 M. in Berlin ein, besetzte den Gendarmenmarkt u. forderte die Versammlung zum Auseinandergehen auf. Gleichzeitig wurde die Bürgerwehr aufgelöst. Jetzt verließ die Nationalversammlung mit der Bürgerwehr das Sitzungshaus. Am 11. fand sich die Versammlung, noch 247 Mann stark, in dem Schützenhause ein. Eine Reihe von Beschlüssen wurde hier gefaßt; eine Commission sollte untersuchen, ob gegen die Minister Anklage zu erheben sei; die fehlenden Abgeordneten, im Weigerungsfalle ihre Stellvertreter sollten einberufen werden; die Auflösung der Bürgerwehr wurde für ungesetzlich erklärt u. ein Antrag auf Steuerverweigerung eingebracht. Am Abend des 12. Novbr. ward Berlin in Belagerungszustand erklärt, welche Maßregel die deshalb noch denselben Abend zusammentretende Versammlung für ungesetzlich erklärte; die Steuerverweigerung ging noch nicht durch. Am 13. Novbr. wurde die Versammlung, welche inzwischen Unruh wieder zu ihrem Präsidenten erwählt hatte, durch militärische Gewalt zum Auseinandergehen genöthigt. Als am 15. Novbr. die Entwaffnung der Bürgerwehr begann, fanden sich am Abend 227 Abgeordnete zu einer Sitzung im Mielentzschen Local ein; der Antrag wegen Steuerverweigerung sollte endlich zur Abstimmung kommen, da drang abermals Militär in den Saal u. forderte die Auflösung der Versammlung, ließ jedoch vorher noch die Abstimmung geschehen, welche darin bestand, daß dem Ministerium Brandenburg die Steuerverweigerung ausgesprochen wurde. 240 Abgeordnete hatten schriftlich erklärt, in Berlin bleiben u. für dringende Fälle des Rufes ihres Präsidenten stets gewärtig sein zu wollen.

In der Stadt war es bei diesem Handel zu keiner offenen Ruhestörung gekommen; Alles hing nun von der Haltung der Provinzen ab. Anfangs schien es, als ob das Land den von der Nationalversammlung geleisteten Widerstand aufnehmen u. im Großen fortsetzen wolle. An vielen Orten bildeten sich Sicherheitsausschüsse als Centralpunkte des passiven Widerstandes; in Frankfurt an der Oder erklärte die Bürgerwehr kein Militär nach Berlin abziehen lassen zu wollen; in Potsdam wurden deshalb die Schienen aufgerissen, in Halle besetzten Bürger den Bahnhof zu gleichem Zwecke. In der Provinz Sachsen sprachen sich die meisten Ortschaften für die Nationalversammlung aus; ebenso gerieth Schlesien in die gewaltigste Bewegung. Westfalen u. die Rheinprovinz wurden von der Aufregung weniger ergriffen; nur die eigentliche Demokratie betheiligte sich an der Bewegung. Die übrigen Provinzen verhielten sich fast ohne Ausnahme ruhig. Überhaupt hatte der ganzen Bewegung der Zusammenhang u. der Rückhalt gefehlt; der besitzende Stand, das Bürgerthum, war durch die socialistischen Wühlereien längst jeder Erhebung abhold geworden. Dazu schritt die Regierung jetzt auch überall energisch ein, so wurde Breslau sehr bald mit einer starken Militärmacht umgeben, Düsseldorf in Belagerungszustand erklärt, die Coblenzer Bürgerwehr aufgelöst, größeren Tumulten, wie dem zu Berncastel am 26. Novbr., durch militärische Besatzung ein rasches Ende gemacht. Die conservative Partei, die Preußenvereine an der Spitze, waren aber für die Ruhe nicht minder thätig; die Zahl der Vertrauensadressen an das Ministerium wuchs mit jedem Tage. Endlich erklärte auch die Frankfurter Nationalversammlung am 20. Novbr. die Steuerverweigerung der in Berlin zurückgebliebenen Versammlung als rechtswidrig u. die Staatsgesellschaft gefährdend für nichtig So war denn der Sieg des Ministeriums vollständig. Als aber die Versammlung am 27. Novbr. im Dome zu Brandenburg durch den Ministerpräsidenten eröffnet wurde, war, weil die Linke u. das linke Centrum nicht erschienen waren, die anwesende Zahl von Abgeordneten zur Beschlußfähigkeit nicht hinreichend. An demselben Tage erließ die Fraction Unruh in Berlin eine von 168 Abgeordneten unterzeichnete Proclamation, worin die Brandenburger Versammlung für ungesetzlich, dagegen nur sie, die Unterzeichneten, für die wahre Volksvertretung erklärt, zugleich gegen eine etwa octroyirte Verfassung u. gegen die außerordentlichen Militäranstalten der Regierung protestirt u. dieselbe als unfähig bezeichnet wurde, vom nächsten Jahre über das Staatsvermögen zu verfügen, da das Budget noch nicht bewilligt sei. Am 1. Decbr. endlich erwies sich die Versammlung in Brandenburg, da sich die meisten Mitglieder noch eingefunden hatten, als beschlußfähig. Als jedoch der von der Opposition auf Vertagung bis zum 14. Decbr. gestellte Antrag abgeworfen wurde, verließ dieselbe wieder die Sitzung. Von da ab faßte die Minorität von 72 Abgeordneten den Beschluß auf Einberufung der Stellvertreter u. auf Vertagung bis zum 7. Decbr. Dagegen erschien am 5. Decbr. eine königliche Verordnung, wodurch die Vereinbarungsversammlung wegen des Steuerverweigerungsbeschlusses u. des Verlassens der Sitzung am 1. December für aufgelöst erklärt wurde, u. zugleich wurde die Urkunde einer octroyirten Verfassung veröffentlicht, welche auf den wichtigsten Beschlüssen u. Entwürfen der aufgelösten Nationalversammlung u. den Bestimmungen des Frankfurter Parlaments fußend, der Revision der nächsten Kammern unterliegen sollte. Die Einberufung beider Kammern[545] ward auf den 26. Febr. 1849 festgesetzt; für die erste Kammer sollte, da die in der Verfassungsurkunde bestimmte Wahl wegen des noch nicht erfolgten Erscheinens der Kreis-, Bezirks- u. Provinzialordnung noch nicht ausführbar war, ein provisorisches Wahlgesetz erlassen werden. Angefügt war neben der Ankündigung der für die nächste Volksvertretung bestimmten Vorlagen die Angabe mehrer Gesetze, welche zur Genehmigung noch den künftigen Kammern unterbreitet werden sollten, als: Verordnungen über die Aufhebung der Circulare vom 26. Febr. 1799 u. die Abänderung der Injurienstrafen, über die bäuerliche Erbfolge in der Provinz Westfalen (beide publicirt am 18. Decbr.); über die interimistische Regelung der gutsherrlichbäuerlichen Verhältnisse in Schlesien (publicirt am 20. Decbr.); über Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit u. des eximirten Gerichtsstandes (publicirt am 2. Jan. 1849); über Einführung des müudlichen u. öffentlichen Verfahrens mit Geschworenen in Untersuchungssachen (publicirt am 3. Jan. 1849). Unter dem 6. Decbr. erschienen die Wahlgesetze für die erste u. zweite Kammer. In Betreff der Wahl zur zweiten Kammer war das allgemeine Wahlrecht festgehalten, jedoch unter der Beschränkung, daß nur selbständige Männer wahlberechtigt seien; für die erste Kammer knüpfte sich die Berechtigung eines Urwählers außer einem Alter von 30 Jahren an einen Grundbesitz im Werthe von mindestens 5000 Thlrn. od. eines jährlichen Einkommens von 500 od. einer directen Steuerzahlung von mindestens 8 Thlrn. Wählbar zur ersten Kammer waren nur solche, welche das 40. Lebensjahr überschritten hatten.

Die Stimmung im Lande äußerte sich jetzt im Ganzen befriedigt. Nur hier u. da waren noch einzelne Excesse vorgekommen, dagegen gab es znhl. reiche, von der Regierung verfügte Verhaftungen; nicht allein die jüngste Steuerverweigerung. gab Anlaß zu Processen gegen Beamte u. Abgeordnete: es fanden jetzt auch noch Excesse aus den Märztagen her ihre Verurtheilung, wozu mehresogenannte Enthüllungen (s.d. 2) Veranlassung boten: die Gerichtshöfe zu Berlin, Ratibor, Münster u. Bromberg protestirten gegen den Wiedereintritt ihrer Präsidenten od. Mitglieder, welche in der Nationalversammlung zur Opposition gehört hatten; in Berlin waren Zeitungsverbote u. Ausweisungen an der Tagesordnung. Vor dem Zusammentritt der Kammern erfolgte noch ein theilweiser Ministerwechsel, seit den 6. Decbr. war das Ministerium für Handel, Gewerbe etc. auf v. d. Heydt übergegangen u. das seitdem vom Grafen von Bülow interimistisch verwaltete Ministerium des Auswärtigen übernahm am 24. Febr. 1849 Graf von Arnim; an demselben Tage trat von Rabe als Finanzminister ein. Am 26. Febr. 1849 erfolgte die Eröffnung der Kammern. Die Thronrede war sehr gemessen gehalten, berührte die Auflösung der Nationalversammlung nur als Factum u. ließ die Stellung zur Deutschen Frage ungelöst. Die nächste Verhandlung galt der Adreßfrage; gegen den Willen der Linken wurde der Erlaß einer Adresse beschlossen, u. die zweite Kammer hatte somit die octroyirte Verfassung rechtsgültig anerkannt; gleiches war schon früher von der ersten Kammer geschehen. Schon bei der Adreßdebatte stellte es sich jedoch heraus, daß den Meisten die Deutsche Frage u. die Stellung zum Parlament in Frankfurt mindestens gleich wichtig erschien als die Verfassungsfrage. P. hatte sich durch die Circularnote vom 23. Jan. zum ersten Male offiziell über die deutsche Angelegenheit ausgesprochen, auf die mögliche Sonderstellung Österreichs hingewiesen, die Aufrichtung einer deutschen Kaiserwürde nicht für nothwendig u. eine andere Form zur Befriedigung des deutschen Einigungsverlangens für wünschenswerth erklärt. Darauf war ein rascher Notenwechsel zwischen Österreich u. P. gefolgt; Österreich hatte gegen das Gagernsche Programm wie gegen jede Unterordnung unter einen andern deutschen Fürsten protestirt, P. hatte eine beruhigende Antwort gegeben u. daneben mit den meisten deutschen Regierungen Abänderungsvorschläge zu der Frankfurter Verfassung gestellt. Zuletzt war im Frankfurter Parlamente die Übertragung der deutschen Kaiserwürde an den König von P. beantragt u. angenommen worden. So standen die deutschen Angelegenheiten zur Zeit der Berathung der Antwortsadresse in den Kammern. Die erste Kammer sprach sich für die Bildung des engeren Bundesstaates aus; die zweite ging noch weiter u. wies schon auf die Ausschließung mehrer Bundesglieder vom engeren Bunde hin. Indessen war (1. April) die Kaiserdeputation in Berlin angelangt u. erhielt am 3. April von dem König eine zweideutige Antwort (s. u. Deutschland XIII. C) d). Der Kammer aber wurde eine neue Circulardepesche mitgetheilt, worin abermals die Bereitwilligkeit des Königs, an die Spitze Deutschlands zu treten, als von dem Einverständniß der deutschen Fürsten abhängig bezeichnet wurde. Am 21. April erklärte sich die zweite Kammer für die Rechtsgültigkeit der Frankfurter Verfassung. Überhaupt aber hatte die Majorität die Politik des Ministeriums in der Deutschen Frage verworfen u. beide Kammern die Octroyirung der neuen Gerichtsorganisation gemißbilligt, dem zufolge der Justizminister Rintelen seine Entlassung nahm; er erhielt am 11. April Simons zum Nachfolger. Als aber die zweite Kammer am 25. April einen Antrag auf sofortige Aufhebung des Berliner Belagerungszustandes annahm, wurde sie am 27. April aufgelöst u. die erste vertagt, worauf am 28. April die Regierung eine Erklärung nach Frankfurt abgab, worin die Ablehnung der Kaiserwürde auf Grund der Verfassung vom 28. März unumwunden ausgesprochen u. die Versammlung noch einmal zur Abänderung der Verfassung aufgefordert wurde. Ein von der Centralgewalt nach Berlin gesandter Commissär erlangte nicht den geringsten Erfolg. Als zur Bewältigung des Dresdner Aufstandes die preußische Regierung am 3. Mai Truppen abgeschickt u. die Nationalversammlung zu Frankfurt dieses Einschreiten Preußens am 10. Mai für einen Bruch des Reichsfriedens erklärt hatte, entgegnete die preußische Regierung (14. Mai), daß sie die Nationalversammlung nicht länger als berechtigte Vertretung der Deutschen Nation anerkenne u. sich gegen alle weiteren Beschlüsse derselben verwahre, erklärte zugleich das Mandat der preußischen Abgeordneten für erloschen u. befahl denselben, sich jeder weitern Theilnahme an der Versammlung zu enthalten. Hierauf erfolgte die königliche Proclamation vom 15. Mai, durch welche eine den Bedürfnissen der Deutschen Nation entsprechende Regelung der Bundesangelegenheit, eine auf Grund der Frankfurter Verfassung errichtete Verfassung mit einer Executivgewalt u. Volksvertretung verheißen wurde. Dieselbe trug wesentlich zur Beruhigung der Gemüther[546] bei, denn auch in P. hatte die angeblich für die Reichsverfassung geschehene Erhebung bereits weit um sich gegriffen, namentlich erhob sich in Breslau eine vom 5.–7. Mai immer drohender werdende Bewegung, welche erst nach heftigem Straßenkampf in der Nacht vom 7. zum 8. Mai unterdrückt werden konnte, worauf Breslau in Belagerungszustand erklärt wurde; zugleich hatte sich die Bewegung von Süddeutschland aus nach der Rheinprovinz u. Westfalen fortgepflanzt. Städtetage in Köln am 8., in Münster am 9. Mai faßten die extremsten Beschlüsse zur Durchführung der Reichsverfassung. Noch drohender aber war der Geist in der Landwehr, welche sich am 6.–10. Mai in Elberfeld, Krefeld, Neuß, Dortmund, Warendorf etc. der Einstellung widersetzte; am 10. wurde das Landwehrzeughaus zu Iserlohn u. 17. Mai von Freischärlern das in Prüm geplündert, am 11. Mai wurde Gleiches gegen das Siegburger Zeughaus versucht. Zu einem ernsten Straßenkampfe kam es am 8. Mai zuerst in Düsseldorf, wo der Abzug der Truppen nach dem empörten Elberfeld verhindert werden sollte, während von Essen, Remscheid, Solingen etc. Zuzug nach Elberfeld ging. In letzter Stadt hatte sich seit dem 9. Mai ein Sicherheitsausschuß gebildet, welcher einen argen Terrorismus übte. Da jedoch die Erhebung vereinzelt blieb u. gewaltige Truppenmassen sich um die Stadt zusammenzogen, sank der Aufstand in sich selbst zusammen. Iserlohn, wo aus vielen Orten der Mark Zuzug eingetroffen war, so daß an 5000 Mann unter den Waffen standen, wurde am 17. Mai von drei Regimentern erstürmt. Damit endeten in P. die Bewegungen für die Reichsverfassung, u. so sah sich die Regierung auch im Stande auf den Antrag der betheiligten Mächte eine bedeutende Truppenmacht zur Unterdrückung des Pfälzer u. Badischen Aufstandes zu verwenden (13. Juni bis 23. Juli), s. u. Baiern (Gesch.) X. D) u. Baden (Gesch.) V. C) f).

Inzwischen war der neue Plan P-s wegen Bildung eines engeren Bundes unter seiner Leitung u. eines weiteren Bundes zwischen diesem u. Österreich weiter verfolgt worden. Das Wiener Cabinet hatte jedoch auf die hierüber ihm zugefertigte Denkschrift ablehnend od. mindestens ausweichend geantwortet. Dennoch wurden die Conferenzen über den Gegenstand in Berlin fortgesetzt u. schließlich unter dem 26. Mai ein Bündniß zwischen P., Sachsen u. Hannover abgeschlossen, s. u. Deutschland (Gesch.) XIII. C) e). Hinsichtlich der inneren Angelegenheiten hatte das Ministerium ein neues Wahlgesetz vom 30. Mai für die Kammern octroyirt, nach welchem die geheime Abstimmung in eine öffentliche verwandelt u. die Wähler, nach Maßgabe des von ihnen entrichteten Steuerbetrags, in drei Klassen getheilt wurden, von denen jede 1/3 der zu wählenden Wahlmänner u. Abgeordneten ernennen sollte. Da die Demokratie, durch dies Gesetz aufs Empfindlichste betroffen, u. viele Andere, von der öffentlichen Stimmgebung abgeschreckt, sich der Wahl enthielten, so blieben die. Wahlen zur zweiten Kammer allerdings Minoritätswahlen. Die gewählten Abgeordneten gehörten zum großen Theil dem Beamtenstande an, u. von jetzt an gab es nur wieder den Gegensatz zwischen Altliberalen u. Ultraconservativen. Nachdem am 28. Juli der Belagerungszustand in Berlin aufgehoben worden war, fand am 7. Aug. die Kammerneröffnung durch den Ministerpräsidenten Statt. Beide Kammern trugen zunächst auf einstweilige Suspension der Bürgerwehr an. Beider Revision der octroyirten Verfassung wurden die meisten der als Märzverheißungen in der Verfassung noch festgehaltenen Rechte theils beschränkt, theils aufgehoben; die Beeidigung des Heeres auf die Verfassung wurde aufgehoben; das evangelische Kirchenregiment der Krone zuerkannt, wenigstens die Möglichkeit einer künftigen Pairskammer offen gehalten; rücksichtlich der Steuerbewilligung sollte den Kammern lediglich das Recht zu Bewilligung neuer Steuern zustehen; rücksichtlich der Bildung der ersten Kammer wurde die erbliche Pairie, wenn auch unter etwas anderen Voraussetzungen als in der Regierungsvorlage (gleiche Zahl der erblichen Pairs mit den zu wählenden u. zu ernennenden, u. Verschiebung der Einführung des ganzen Instituts bis zum 7. Aug. 1852, an welchem das Mandat der bestehenden ersten Kammer abgelaufen) angenommen; die Vorschläge der Regierung über Ministerverantwortlichkeit (dem Könige u. dem Lande) u. Fideicommisse (nur vorläufig sollte die Errichtung neuer Fideicommisse untersagt sein, die künftige Errichtung der Gesetzgebung vorbehalten bleiben) wurden verworfen; der Bestellung eines Staatsgerichtshofs zur Aburtheilung politischer Verbrechen wurde zugestimmt. Darauf erklärte eine königliche Botschaft vom 31. Jan. die Revision für beendigt, verkündigte die Verfassungsurkunde als Staatsgrundgesetz u. am 6. Febr. wurde die Verfassung vom König, den Ministern u. den Abgeordneten beschworen. Nachdem die Kammern zum Bau der Ostbahn u. einiger anderer Bahnen einen Credit von 21 Millionen Thlrn. u. 18 Mill Thlrn. zu allfällig nöthig werdenden Kriegsrüstungen verwilligt hatten, wurden sie 26. Febr. 1850 geschlossen. Von berathenen Gesetzen sind noch zu nennen das Gesetz zum Schutze persönlicher Freiheit (publicirt am 13. Febr. 1850), über die Bestrafung der Vergehen gegen die Telegraphenanstalten (publicirt am 4. Jan.), die Genehmigung der Verordnung vom 9. Febr. 1848 wegen Errichtung von Gewerberäthen u. verschiedenen Abänderungen der allgemeinen Gewerbeordnung, die Genehmigung der Verordnung vom 20. Dec. 1848 über die provisorische Regelung der gutsherrlich bäuerlichen Verhältnisse in Schlesien, das Gesetz über die Verwaltung des Staatsschuldenwesens u. die Bildung einer Staatsschuldencommission (publ. am 24. Febr.), über das Vereinswesen, über die Verpflichtung der Gemeinden zum Ersatz des bei Aufläufen angerichteten Schadens, über die Gemeindeordnung u. die Kreis-, Bezirks- u. Provinzialordnung, über die Polizeiverwaltung, über den Staatshaushalt für 1849 u. 1850 (sämmtliche letztere publicirt am 11. März); ferner das Ablösungsgesetz u. das über Errichtung von Rentenbankenb etc. In der Deutschen Frage hatte das Ministerium ein Vertrauensvotum Seitens der Kammern erhalten. Aber die Bestrebungen P-s nach außen hin, namentlich für die Begründung des engeren Bundes, hatten eben nicht günstige Erfolge gehabt, wenngleich nach der am 29. Juli erfolgten Übernahme des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten durch von Schleinitz mehr Festigkeit u. Stetigkeit in der äußeren Politik eingetreten war. Über den bis Ende August erfolgten Beitritt der meisten kleineren deutschen Staaten zum Bündniß vom 6. Mai, den österreichischen Protest, die gegnerischen Bestrebungen Baierns, den am 18.Juni eröffneten[547] Verwaltungsrath u. die Einsetzung des Bundesschiedsgerichts, die Verhandlungen des Verwaltungsrathes wegen Einberufung eines Reichstages, die Sonderstellung Hannovers u. Sachsens zum Bündniß, endlich den Vertrag mit Österreich vom 30. Sept. wegen Errichtung einer provisorischen Bundescentralgewalt s. u. Deutschland (Gesch.) XIII. C) e) u. f). Mit Dänemark war am 18. Juli 1849 ein Waffenstillstand abgeschlossen worden. Durch Übereinkommen vom 7. Decbr. 1849 mit den Fürsten von Hohenzollern-Hechingen u. Sigmaringen nahm P. deren Lande in Besitz u. gewann damit eine Vermehrung von circa 21 QM. u. 70,000 Ew., s. Hohenzollern (Gesch.) II. A) u. B). Im Laufe des Jahres 1849 hatte P. Militärconventionen abgeschlossen mit Braunschweig (1. Decbr.), Mecklenhurg-Strelitz (2. April), Anhalt-Dessau u. Köthen (27. April) u. mit Bernburg (16. Mai).

Trotz der österreichischen Proteste u. der Mißgunst Rußlands gegen das Bündniß, welche beide sogar mit Krieg droheten, hatte der Verwaltungsrath die Wahlen zum Reichstage auf den 31. Jan. 1850 ausgeschrieben, welcher am 20. März zusammentreten sollte. Vor dem Zusammentreten desselben erklärte aber Hannover am 27. Februar seinen Rücktritt vom Bündnisse officiell, worauf P. am 6. März seinen Gesandten aus Hannover zurückrief, wie es auch in Folge der in der Thronrede des Königs von Württemberg gegen P. gefallenen Äußerungen den diplomatischen Verkehr mit diesem Staate abbrach. Darauf schlossen die vier Königreiche Baiern, Hannover, Sachsen u. Württemberg das Bierkönigsbündniß, s. Deutschland XIII. C) f). Auf der Versammlung der Abgeordneten der verbündeten Staaten zu Erfurt (20. März bis 29. April) wurde von dem Volks- u. dem Staatenhause die Maiverfassung nebst der Additionalacte angenommen u. die verlangte Zustimmung dazu gegeben, daß die Regierungen von den nachträglich vom Frankfurter Parlamente beschlossenen Abänderungen annähmen, was ihnen beliebe, währendes im andern Falle bei dem ursprünglichen Wortlaute sein Bewenden haben solle (s. u. Deutschland ebd.). Im preußischen Ministerium war unterdessen bereits ein, als ungünstig für die Union gedeuteter Wechsel erfolgt, nämlich der Kriegsminister v. Strotha war am 27. Februar ausgeschieden u. durch Stockhausen ersetzt worden. Die kriegerischen Pläne u. Vorschläge v. Radowitz' gegenüber den drohenden Bewegungen Rußlands u. Österreichs u. der zweideutigen Stellung der beiden Hessen stießen auf entschiedenen Widerspruch im Ministerium. Wirklich waren aber die Verhältnisse immer verwickelter geworden. Österreich hatte unter dem 26. April eine Aufforderung an sämmtliche deutsche Regierungen erlassen, Bevollmächtigte zur Bildung der Bundesplenarversammlung nach Frankfurt zu senden; hiergegen protestirte P. unter dem 3. Mai, wenigstens wollte es eine solche Versammlung nur als eine frei berathende Zusammenkunft von Regierungsbevollmächtigten anerkennen. Zugleich lud der König von P. die ihm verbündeten Fürsten zu einem Congreß nach Berlin ein (s. Deutschland ebd.), dessen geringe Ergebnisse auf die Bildung eines neuen Provisoriums bis zum 15. Juli 1850 (provisorische Unionsregierung, bestehend aus dem Unionsvorstand, dem Fürstencollegium u. einem Unionsministerium) u. auf den Beschluß hinausliefen, den Frankfurter Congreß zu beschicken, jedoch ohne eine Verpflichtung hierzu anzuerkennen. In der öffentlichen Meinung betrachtete man jetzt die Sache der Union für verloren, um so mehr, da eine Partei in P., welche von vornherein Gegnerin des Maibündnisses gewesen war u. nur in einem Zusammengehen mit Österreich Heil für den Staat erblickte, von wachsendem Einfluß wurde. So war es zu erklären, daß P. jetzt selbst Rußlands Vermittelung anrief; der Prinz von P. hatte mit dem Kaiser von Rußland u. Fürst Schwarzenberg eine Zusammenkunft in Warschau. Die Erklärungen des Kaisers gegen die Union als eine Verletzung. der Verträge von 1815 hatte jedenfalls den wesentlichsten Einfluß auf den dem nächstigen Gang der preußischen Politik. Das kümmerliche Dasein der Union bis zu ihrem endlichen Absterben zeugte hinlänglich hierfür, wie Solches schon die Geschichte des am 12. Juni eingesetzten Fürstencollegiums nachweist (s. Deutschland ebd.). Auf dem Congreß der Bevollmächtigten dieses Collegiums wurde, außer der Vereinigung mehrer Gesetze der Bundesstaaten, das Provisorium bis zum 15. October verlängert, wobei die Bevollmächtigten die Erklärung abgaben, daß ihre Regierungen die Versammlung in Frankfurt nicht als Bundesversammlung anerkennten, in der Frage des Bundes gemeinsam verfahren, jeden Angriff von außen u. innen abwehren würden u. die neuerliche Zwischenstellung der beiden Hessen als unverträglich mit dem Bündnisse vom 26. Mai ansähen. Am 27. Juli erfolgte von Seiten P-s die Anzeige über das gänzliche Fehlschlagen der Unterhandlungen mit Österreich u. der deshalb erfolgten Abberufung der preußischen Bevollmächtigten in Frankfurt; die verbündeten Regierungen wurden zu derselben Maßregel aufgefordert. Der preußischen Verwahrung vom 25. August gegen den Bundestag schlossen sich sämmtliche Unionsregierungen an. Die Seiten Österreichs angemuthete Unterzeichnung des ersten Protokolls der neuen Bundesversammlung wurde abgelehnt u. überhaupt die Anerkennung u. Beschickung des Bundestages von Neuem verweigert. Nachdem v. Radowitz am 26. September zum Minister des Äußeren ernannt worden war, empfing das Fürstencollegium, ganz einverstanden mit dem hierdurch bezeichneten festeren Auftreten P-s, in seinen Sitzungen vom 18.–27. Sept. die Mittheilungen über die Verhandlungen in der hessischen Angelegenheit, welche die Absicht P-s andeuteten, die Streitpunkte zwischen dem Kurfürsten, welcher am 22. Juli aus der Union ausgeschieden war, u. seinen Ständen zu einer schiedsgerichtlichen Entscheidung zu bringen. Inzwischen war es immer klarer geworden, daß die Unionsidee nicht weiter verfolgt werden könne, u. nur das sollte festgehalten werden, daß die Union Schutz gegen innere u. äußere Angriffe jeder Art gewähre, die gemeinschaftliche u. übereinstimmende Handlung in Betreff der Neugestaltung des Deutschen Bundes sichere u. die Vereinbarung der Constituirung der Union auf Grund der erforderlichen Abänderungen der Verfassung vom 28. Mai 1849 vorbehalte. Nachdem die Vertreter der Unionsstaaten, weil Österreich u. seine Verbündeten den Protest gegen die Auffassung der Frankfurter Versammlung als der Bundesversammlung zurückgewiesen hatten, Frankfurt gänzlich verlassen hatten, wurde der preußischen Politik auf allen Seiten Schwierigkeiten bereitet. Hatte Österreich gegen die von P. mit den kleineren Staaten abgeschlossenen [548] Militärconventionen bereits früher protestirt, so wurde jetzt, nachdem am 25. Mai 1850 eine ähnliche Convention zwischen P. u. Baden abgeschlossen worden war, diesem Proteste auch eine praktische Folge zu geben versucht, indem die zur Reorganisation nach P. bestimmten badischen Truppen von dem österreichischen Commandanten in Mainz an ihrem Weitermarsche verhindert wurden u. auch Hannover die Genehmigung zum Durchmarsch verweigerte. Am 2. Septbr. hatte sich Österreich mit seinen Verbündeten, trotz den erneuten Protesten P-s, als Bundestag constituirt, u. eine gewaltsame Collision zwischen den beiden um Macht u. Vorrang streitenden Mächten schien jetzt fast unvermeidlich. Die Gelegenheit hierzu bot sich alsbald in den hessischen Conflicten. Die kurhessische Regierung hatte sich nach Frankfurt um Unterstützung gegen ihre Stände gewandt, u. die Bundesversammlung hatte Baiern mit der Execution in Hessen beauftragt, wozu freilich die Truppen eines gegen P. nicht freundlich gesinnten Staates zwischen die beiden Theile des Preußischen Staates hineingeschoben wurden. Hierzu kam noch, daß die Bundesversammlung gleichzeitig beschlossen hatte, den am 2. Juli von P. mit Dänemark abgeschlossenen Friedensvertrag ebenfalls durch Executionsvollstreckung in Holstein in Ausführung zu bringen. Dem gegenüber schien P. nun auch endlich zu thätlichem Widerstande entschlossen zu sein, doch wurde erst noch einmal die russische Vermittelung in Anspruch genommen. Auf der am 15. Octbr. abgehaltenen zweiten Warschauer Conferenz zwischen P., Österreich u. Rußland erklärte sich P. bereit zur Herstellung des engeren Bundesrathes u. verlangte den Eintritt Gesammtösterreichs in den weiteren Bund; dagegen forderte es Wechsel im Vorsitz zwischen Österreich u. P., Übertragung der vollziehenden Macht im Bunde auf diese beiden Staaten, Verzicht auf die Volksvertretung beim Bunde. u. freies Unirungsrecht innerhalb des Bundes; Österreich aber lehnte die Gleichstellung im Bunde ab u. verlangte vor Allem, daß P. die Verfassung vom 28. Mai aufgebe u. die Bundesversammlung anerkenne. Unter solchen Umständen mußten sich die Verhandlungen zerschlagen; die Dinge waren jetzt auf die äußerste Spitze getrieben. Am 1. Novbr. waren die Baiern in Hessen eingerückt, trotzdem daß P. gedroht hatte, sich dem nöthigenfalls mit Gewalt zu widersetzen; am 2. Novbr. rückten deshalb auch Preußen in Kassel ein. Als darauf Österreich den Abzug der Preußen verlangte (vgl. Deutschland, Gesch. XIII. C) f) u. Hessen-Kassel, Gesch. V.), rief der König unterm 6. Novbr. die gesammte preußische Wehrkraft unter die Waffen. An diesem Tage war an der Stelle des am 2. Novbr. zurückgetretenen Radowitz u. an der des 6. Novbr. verstorbenen Grafen Brandenburg, v. Manteuffel zum Ministerpräsidenten u. Minister des Äußern ernannt, während ihm v. Westphalen in dem Ministerium des Innern folgte u. v. Raumer das des Cultus übernahm. Ungeachtet der Rüstungen P-s blieb Österreich bei seinen Forderungen u. drohte mit sofortiger Kriegserklärung, welcher sich auch Rußland anschloß. Jetzt mußte die letzte Entscheidung fallen, u. sie fiel im Sinne der Friedenspartei. v. Manteuffel hatte am 27. Novbr. mit Fürst Schwarzenberg eine Zusammenkunft in Olmütz, die am 29. Novbr. geschlossene Übereinkunft (s. Deutschland, Gesch. XIII. C) f) bezog sich vorzugsweise auf ein gemeinschaftliches Verfahren in Kurhessen u. Holstein u. die Abhaltung von Ministerialconferenzen in Dresden zur Feststellung der deutschen Bundesangelegenheiten. Die Union war völlig aufgegeben.

Kurz vorher hatte am 21. Novbr. die Eröffnung der Kammern in Berlin stattgefunden, doch wurden sie, da ihre Mehrheit wegen der Olmützer Punctation eine der Regierung sehr ungünstige Haltung zeigte, bereits am 4. Decbr. bis zum 3. Jan. 1851 vertagt. Durch Erlaß vom 10. Decbr. wurde die allmälige Entwaffnung des Heeres bis auf seinen früheren Stand angeordnet; übrigens war es durch die Mobilisirung der Armee auch möglich geworden die von Österreich längst dringend geforderte Räumung Badens (s.d. Gesch. V.) u. Hamburgs (s.d. Gesch.) von preußischen Truppen zu bewerkstelligen. Was nun die Stellung P-s zu den am 23. Decbr. eröffneten, am 15. Mai 1851 geschlossenen Dresdener Conferenzen, mit denen ein entschiedener Wendepunkt für die preußische Politik eintrat, sowie die darauf folgende Rückkehr zum Bundestage anlangt, so s. darüber Deutschland XIII. C) f). In Betreff Schleswig-Holsteins schloß sich P., nachdem es sich Anfangs mit Entschiedenheit den Londoner Beschlüssen widersetzt hatte, in Folge der Olmützer Punctation den Maßregeln zur Pacificirung der Herzogthümer an. Im Innern wandte die Regierung in dieser Zeit der Presse eine große Aufmerksamkeit zu, bes. nach dem erneuten Mordversuch auf den König durch den entlassenen Unteroffizier Sefeloge (s.d.) am 22. Mai. Die Verordnung vom 5. Juni 1850 gewährte der Regierung die Macht, die Presse durch Entziehung des Postdebits, der Gewerbebefugniß in Betreff aller bei Erzeugung od. Verbreitung von Drucksachen beschäftigten Personen, durch das Verbot auswärtiger Druckschriften u. durch Cautionen in den ihr nöthig dünkenden Grenzen zu halten. Darum häuften sich jetzt auch die Preßprocesse sehr ansehnlich; neben ihnen gaben die politischen Vergehungen der letzten Jahre noch Veranlassung zu zahlreichen Untersuchungen. Im Zollwesen blieb es bei dem Alten, nachdem die österreichischen Vorschläge hinsichtlich eines allgemeinen Zollverbandes in Berlin keinen Eingang gefunden hatten. Dagegen wurde ein wesentlicher Fortschritt erzielt durch den mit Österreich u. Baiern in Berlin abgeschlossenen Postvertrag vom 6. April 1850, nach dessen Grundsätzen dann auch das innere Postwesen verbessert wurde, s. u. Post S. 419. Außerdem wurde der Telegraphenvertrag am 25. Juli in Dresden geschlossen. Daneben wandte die Regierung der Förderung des Eisenbahnwesens eine besondere Aufmerksamkeit zu (Ostbahn, Westfälische u. Saarbrücker Bahn etc.) u. sorgte für Vermehrung der Kriegsschiffe durch Neubauten u. Ankäufe in England. Die Vereinigung der Fürstenthümer Hohenzollern mit dem preußischen Staatsgebiet wurde durch Gesetz vom 12. März 1850 festgestellt.

Am 3. Januar 1851 erfolgte das Wiederzusammentreten der Kammern, deren Stimmung sich ganz zu Gunsten der Regierung geändert hatte u. welche bis zum 9. Mai tagten, wo sie geschlossen wurden. Als erheblichste Früchte ihrer Thätigkeit sind außer der Gutheißung der Zurücknahme der Gemeindeordnung vom 11. März 1850 (wegen der in der Verschiedenheit der Verhältnisse liegenden Unmöglichkeit der Durchführung) zu nennen: das Gesetz zur Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit[549] u. des bevorzugten Gerichtsstandes wie über die anderweite Bildung der Gerichte (publicirt am 22. April, mit Zusätzen vom 26. April); das neue Strafgesetzbuch (durch Gesetz vom 14. April eingeführt); das Gesetz über Einführung einer Klassen-u. klassificirten Einkommensteuer (publicirt am 1. Mai); über Aufhebung der Darlehnskassen u.Vermehrung der unverzinslichen Staatsschuld (vom 30. April); über Abänderung od. Ergänzung der Artikel der Verfassung bezüglich der Wahlen zur zweiten Kammer u. Neubildung der ersten Kammer (publicirt am 30 April); das Disciplinargesetz gegen Nichter vom 7. Mai, das Preßgesetz vom 12. Mai, das Gesetz wegen Tilgung der freiwilligen Anleihe von 1848 u. der Staatsanleihe von 1850 (publicirt am 7. Mai), wegen Kriegsleistungen u. deren Vergütung u. über die Sporteltaxe für Gerichte u. Notare (vom 11. Mai), endlich die Gesetze über den Belagerungszustand, die Gemeinheitstheilungen in der Rheinprovinz, Neuvorpommern u. Rügen, über das Verfahren bei Gemeinheitstheilungeu u. Ablösungen auf dem linken Rheinufer (vom 13. Juni) etc. Unmittelbar nach dem Schlusse der Kammersitzung ging die Regierung auf dem nun von ihr eingeschlagenen Wege mit großer Entschiedenheit weiter; es wurden alsbald Verfügung wegen Einstellung der Einführung der Gemeindeordnung u. Wiederherstellung der gutsherrlichen Polizeiverwaltung erlassen u. Ende August die alten, obgleich durch die Verfassung aufgehobenen Provinzialstände behufs der Wahl der Einschätzungscommissionen einberufen. Am conservativsten zeigten sich die Mark, Pommern, Westfalen, Sachsen u. Schlesien; in Posen trat sehr bald der Nationalitätskampf auf dem Landtage wieder hervor, zunächst in dem Proteste gegen die Bezeichnung der Polen als Preußen, fand jedoch eine nachdruckliche Abwehr von Seiten der deutschen Partei. Ein größerer Widerspruch gegen das Vorschreiten der Regierung fand sich in Preußen u. der Rheinprovinz; der preußische Landtag in Königsberg ersuchte den König, den nächsten Kammern ein Gesetz vorlegen zu lassen, durch welches bestimmt werde, daß dir Provinzialstände rücksichtlich der Vertretung der Provinz in rechtlicher Wirksamkeit bleiben sollen, bis die Provinzialvertretung durch ein Gesetz anderweit geregelt sei, daß aber ein derartiges Gesetz ohne den Beirath der Provinzialstände nicht erlassen werden dürfe. Ähnlich sprachen sich die rheinischen Provinzialstände aus. Rücksichtlich anderweiter Verhältnisse u. Erscheinungen im Staate während des Jahres 1851, ist zunächst das Wiederausscheiden der Provinzen Ost- u. Westpreußen u. des deutschen Antheils von Posen aus dem Deutschen Bunde zu gedenken. In kirchlicher Beziehung traf die Einsetzung des Evangelischen Oberkirchenrathes als oberster Verwaltungsbehörde für die inneren evangelischen Kirchensachen, auf vielfachen Widerspruch sowohl bei den strengen Lutheranern, als auch bei den Unirten; bes. aber gab die vom Oberkirchenrath angeordnete kirchliche Gemeindeordnung Veranlassung zu vielen Gegenvorstellungen, so daß die Einführung auch auf einige Provinzen beschränkt bleiben mußte. Zur Unterdrückung der Freien Gemeinden wurden vorbereitende Schritte durch immer engere Beschränkung ihrer Existenz gethan, dagegen wurde die Genehmigung zu Jesuitenmissionen im Preußischen Staate ertheilt, wie dies schon eine Verfügung der Regierung zu Minden vom 17. März aussprach, u. es wirkten nun dergleichen Missionen in der Rheinprovinz, in Westfalen, Westpreußen u. Schlesien. Einer der folgereichsten Vorgänge war der zwischen P. u. Hannover abgeschlossene Zollvertrag vom 7. September. In Folge dessen sah sich jedoch P. zugleich genöthigt, den bisher bestandenen Zollverein zu kündigen; über die daraus sich entwickelnden Verhandlungen u. die Erneuerung des Zollvereins am 4. April 1853, nach dem Abschluß des Handelsvertrages zwischen P. u. Österreich am 19. Febr. 1853, s. u. Zollverein. Die hierauf von Österreich erlassene Einladung zu Conferenzen in Wien um über den Abschluß eines Handelsvertrages u. zugleich über die nach sechs Jahren zu bewirkende vollständige Zolleinigung zu berathen, lehnte P. durch Note vom 5. December ab, weil es vor dem Wiederabschluß der Zollverträge sich auf Unterhandlungen nicht einlassen könne. Ein neuer Handelsvertrag wurde Namens des Zollvereins mit den Niederlanden zu Stande gebracht u. am 31. December unterzeichnet; mit Belgien eine Zusatzacte zu dem Handels- u. Schifffahrtsvertrage von 1844 am 18. Februar 1852 ratificirt; endlich wurde ein Handelsvertrag mit der Pforte am 16. October abgeschlossen. Postverträge schloß P. mit Holland am 26. Januar, mit Belgien am 31. Jan. u. mit Dänemark. Die Staatsanleihe von 16 Mill. Thlrn. zum Zweck des Eisenbahnbaues kam im Lande selbst zusammen. Der König nahm im Aug die Erbhuldigung der Hohenzollernschen Lande persönlich entgegen u. stiftete hierauf den Hohenzollernschen Hausorden.

Am 27. November fand die Wiedereröffnung der Kammern statt. Der Streit derselben über die Neubildung der ersten Kammer fand seine Erledigung durch eine am 28 April beiden Kammern übergebene königliche Proposition folgenden Inhalts: Die Artikel 65-68 der Verfassung treten mit dem 7. August 1852 außer Wirksamkeit; von diesem Zeitpunkt an erfolgt die Bildung der ersten Kammer auf Grund königlicher Anordnung. Zwar verwarf die zweite Kammer diese Regierungsvorlage, aber die Frage blieb bis zu dem am 19. Mai erfolgenden Schluß der Kammern unentschieden. Auch eine im August erscheinende königliche Verordnung, wonach die Bezirke für die directe Wahl von 90 Abgeordneten der ersten Kammer bestimmt werden sollte, trug nur einen provisorischen Charakter, indem die Zustimmung der Kammern vorbehalten blieb. Die Verhandlungen mit den Genossen des Zollvereins (s.d.) dauerten fort. Der außerordentliche Nothstand im Winter von 1851/52, welcher bes. in Schlesien, Westfalen u, Preußen hervortrat, wurde Seitens der Regierung durch außerordentliche Maßregeln zu mildern gesucht. In kirchlicher Beziehung verursachten bes. die feindlichen confessionellen Bestrebungen eine lebhafte Bewegung; wegen der immer mehr sich ausbreitenden Jesuitenmissionen sah sich die Regierung endlich zu der Bestimmung veranlaßt, daß dieselben in Gegenden, wo die katholische Bevölkerung nicht überwiegend zahlreich sei, nicht mehr zugelassen werden sollten. Die Erinnerung an eine ältere Verordnung, wonach den katholischen Theologen in P. der Besuch von Jesuitenschulen untersagt u. die Niederlassung von Jesuiten in P. verboten war, rief den lebhaftesten Protest von Seiten der rheinisch-westfälischen Bischöfe hervor. Nachdem in Berlin schon seit längerer[550] Zeit eine Commission mit der Berathung über die nothwendigen Abänderungen der Verfassung beschäftigt gewesen war, erfolgte am 29. November durch den Ministerpräsident die Eröffnung der neugewählten Kammern. In der zweiten Kammer hatte das Verhältniß der Parteien eine wesentliche Änderung durch die Bildung einer ganz neuen Partei, einer specifisch katholischen, erfahren, welche, von bestimmten politischen Tendenzen absehend, ihre Stimmen bald dieser, bald jener Seite zuwandte, je nachdem sie von derselben Zugeständnisse für die Katholische Kirche erwartete. Vereinbart wurden Gesetze betreffend die Aufhebung der Gemeinde-, Kreis-, Bezirks- u. Provinzialordnungen von 1850 (die Vertretung der Gemeinden, Kreise etc. sollte nach den einzelnen Provinzen durch bes. Gesetze geregelt werden), publicirt 24. Mai; die Vorlage über die Neubildung der ersten Kammer (dieselbe sollte vom 1. August k. I. an durch königliche Anordnung gebildet u. aus Mitgliedern zusammengesetzt werden, welche mit erblicher Berechtigung od. auf Lebenszeit berufen würden), publicirt 7. Mai; die Bestallung des Kammergerichts als Staatsgerichtshof (wodurch dem Schwurgerichtshofe die Entscheidung politischer Processe entzogen wurde), publicirt 15. April; einige Abänderungen des Strafgesetzbuches, eine Novelle zur Hypothekenordnung, die Feststellung zweifelhafter Competenzverhältnisse, eine Ermäßigung der Kosten in Untersuchungssachen; das Gesetz über die Besteuerung der Eisenbahnen u. ein Gesetz in Betreff der jugendlichen Fabrikarbeiter. Der Schluß der Kammern fand am 13. Mai statt. Noch vorher war am 19. Februar ein Handels- u. Schifffahrtsvertrag auf 12 Jahre, vom 1. Jan. 1854 bis 31. Decbr. 1865, mit Österreich, u. am 22. März der Zollvereinsvertrag mit Einschluß des Septembervertrages mit allen zum Zoll- u. Steuerverein gehörigen Regierungen auf weitere 12 Jahre abgeschlossen worden, welche Letztere dann auch zugleich am 4. April dem Preußisch-österreichischen Handelsvertrage beigetreten waren. In der Orientalischen Frage ging, äußerem Anschein nach, die Regierung ganz Hand in Hand mit Österreich, nach beiden Seiten hin die Rolle des Vermittlers übernehmend. In diesem Sinne unterzeichnete P. jetzt auch noch die mit den Westmächten vereinbarten Protokolle. Die auch bereits durch einen Besuch des österreichischen Kaisers im December 1851 in Berlin neu angeknüpften freundschaftlichen Beziehungen zu Österreich erhielten eine neue Bestätigung durch den Gegenbesuch, welchen der König im Mai in Wien abstattete. Auch mit dem Kaiser von Rußland hatte der König wiederholt persönliche Zusammenkünfte, in Gemeinschaft mit dem Kaiser von Österreich Anfangs October in Warschau u. dann in Berlin, jedoch ohne daß der Gang der Politik P-s hierdurch eine sichtbare Veränderung erfuhr. Zu den wichtigsten Erfolgen der auswärtigen Politik gehörten die unter dem 20 Juli u. 1. Decbr. mit Oldenburg abgeschlossenen Verträge, wodurch P., welches keinen einzigen geräumigen u. tiefen Hafen in der Ostsee besaß, um 500,000 Thlr. das Recht zur Anlegung eines Kriegshafens im Jahdebusen (s.d.) u. dazu ein Gebiet von 5500 Morgen erkaufte. Unter den mit auswärtigen Regierungen abgeschlossenen Verträgen waren die wichtigsten der Handels- u. Schifffahrtsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika vom 30. Decbr., dessen Bestätigung jedoch erst im Juli k. I. erfolgte, ferner eine Übereinkunft mit Toscana, welcher gemäß die Schiffe beider Staaten vom 1. September d. I. an in den beiderseitigen Häfen rücksichtlich aller Hafenabgaben den einheimischen gleich behandelt werden sollten. Bezüglich der inneren Verhältnisse war die Aufmerksamkeit der Regierung bes. noch der Ausbildung des Heerwesens zugewendet. Das Bedürfniß der Landwehr an kriegserfahrenen Hauptleuten u. Rittmeistern wurde durch eine ansehnliche Vermehrung solcher Stellen im stehenden Heere für vorkommende Fälle gedeckt; die Reserveinfanterie wie die Landwehr erhielten einen Zuwachs von 12 Bataillonen; die Landwehrcavallerie wurde in bes. Regimenter formirt, in welche die ausgedienten Leute der Linienreiterei übertreten sollten; für das zweite Aufgebot der Landwehr wurden die sämmtlichen Offiziercorps gebildet u. diese Abtheilung des Heeres mit der Ausrüstung für den Kriegsdienst versehen, um seiner Zeit die Vertheidigung der Festungen zu übernehmen. Auch die veralteten Kriegsartikel wurden revidirt u. das geänderte Gesetz am 20. Febr. publicirt. Nicht minder erfuhren die Marineverhältnisse wesentliche Umgestaltungen. Durch Ordre vom 14. Nov. wurde die Trennung der Marineangelegenheiten von dem Kriegsministerium u. die Errichtung einer eigenen Centralbehörde verfügt, welche. unter dem Namen der Admiralität, in welcher der Ministerpräsident den Vorsitz führte, in drei Abtheilungen zerfallen sollte, für Commando, für Technische- u. Verwaltungsangelegenheiten. Das Eisenbahnwesen fand auch im Jahre 1853 namhafte Förderung, die vollendete Aachen-Düsseldorfer Bahn wurde am 17. Januar, die Ostbahn am 1. August eröffnet. Daneben wurden kleinere Bahnstrecken dem Betriebe übergeben, so am 15. Juli die von Freiburg in Schlesien über Waldenburg nach Hermsdorf, am 2. Juli die von Paderborn bis Marburg zur Vollendung der Westfälischen Staatsbahn etc. Auf dem kirchlichen Gebiete wies ein königlicher Erlaß vom 11. October, gegenüber den Sonderbestrebungen der Altlutheraner, auf die Nothwendigkeit der Einheit der Kirche hin; den Deutsch-katholischen Gemeinden wurde der Mitgebrauch evangelischer Kirchen zu ihren gottesdienstlichen Handlungen untersagt; den Überresten der Freien Gemeinden wurde weniger durch Verordnungen von obenher, als durch das Einschreiten der Polizei mehr u. mehr an Boden für ihre Existenz entzogen. Gegen Ende des März wurde ein demokratisches Complott in Berlin entdeckt, dessen Fäden sich bis nach Mecklenburg hinüberzogen.

Die Eröffnung der Kammern für 1853, 54 fand am 28. November statt. Die Bildung einer Pairskammer gemäß dem neuerlassenen Gesetze war noch nicht erfolgt, sondern die bisherigen Mitglieder der ersten Kammer waren noch einmal einberufen. Von den den Kammern gemachten Vorlagen wurden genehmigt der Vertrag mit Oldenburg wegen Erwerbung des Jahdehafens, der Gesetzentwurf über die Conflicte bei gerichtlichen Verfolgungen u. über Abänderungen an dem Vereinszolltarif; ein Gesetz über die Competenz der Gerichte zur Aburtheilung der politischen u. Preßvergehen, die königliche Verordnung vom 13. Juni vor. I. wegen Aussetzung der Verwandelung der Reallasten, welche Kirchen u. Schulen zufließen, in Geldrenten, der Gesetzentwurf wegen des ländlichen Gesindes, beziehentlich der Bestrafung widerspenstigen [551] Gesindes; das Gesetz zur Herstellung der Rechte der Standesherrn, die Gesetze wegen Befreiung der Städte von der Tragung der Criminalkosten u. über die gerichtliche Verfolgung wegen Amts- u. Diensthandlungen der Beamten. Die Creditforderung von 30 Million Thlrn. zum Bedarf der Militärverwaltung für das laufende Jahr, welche die Regierung brauchte, um, auch ferner an der durch die Wiener Protokolle eingenommenen Stellung festhaltend, jedem Bundesgenossen treu zur Seite stehen zu können, welcher durch seine geographische Lage früher als P. berufen sein möchte, zur Vertheidigung deutscher Interessen das Schwert zu ziehen. Dagegen wurden mehre andere Regierungsvorlagen durch die zweite Kammer abgeworfen, u.a. über die Entschädigung für das aufgehobene Jagdrecht u. über die Herstellung der grundherrlichen Polizeigewalt, od. gingen so verändert aus den Berathungen hervor, daß die Regierung sie zurückzog, wie die verschiedenen Gemeindeordnungen. Am 29. April 1854 fand der Schluß der Kammern statt. Am 4. Mai erhielt der Kriegsminister von Bonin seine Entlassung, u. an seine Stelle trat Graf Waldersee. Trotz dem mit Österreich abgeschlossenen Schutz- u. Trutzbündniß vom 20. April 1854, welches zunächst gegen Rußland gekehrt zu sein schien, hielt die Regierung streng an ihrer Vermittlerrolle fest (s. Deutschland, Gesch. XIII. D). Mit der Räumung der Donaufürstenthümer Seitens der Russen u. der Erklärung Rußlands, von jedem Angriff auf österreichische Truppen abzustehen, hielt P. den Zweck des Aprilvertrages u. seines Zusatzartikels vom 26. Nov. für erledigt u. verweigerte daher auch die Aufstellung von Streitkräften zur Deckung des österreichischen linken Flügels, welche Österreich im December beantragte. So war im Äußeren wenigstens die Stellung P-s zu der Orientalischen Frage am Schlusse des Jahres noch unverändert dieselbe, wie beim Beginn desselben. So frei jedoch auch P. nach allen Seiten hin dastand, wahrte es sich dennoch das Recht, als europäische Großmacht an den neu beginnenden Friedensverhandlungen Theil zu nehmen. Am 23. Nov. erfolgte die Besitzergreifung des Jahdegebietes, nachdem schon durch Cabinetsordre vom 9. Febr. die Admiralität ermächtigt worden war, zur Ausführung der Arbeiten auf den königlichen Kriegswerften ein militärisch organisirtes Werftcorps zu bilden. Der im Jahre 1831 mit Mexico geschlossene Handels- u. Schifffahrtsvertrag wurde im Laufe des Jahres vom Präsidenten dieser Republik gekündigt. Die Militärconvention mit Braunschweig kündigte P. selbst. Im Innern wurde der preußische Staat im Jahre 1854 vorzugsweise von großen Nothständen heimgesucht, im März hatten Ost- u. Westpreußen durch Wasserschaden schwer gelitten; in Unglück in Schlesien, in dessen Fabrikbezirken ohnehin die Nahrungslosigkeit den höchsten Grad erreicht hatte, richteten vom 21._– 30. Aug. Überschwemmungen der Oder, bes. in den Regierungsbezirken Oppeln, Liegnitz u. Breslau, Verheerungen an, deren Schaden auf 25–27 Millionen Thaler berechnet wurde. Unter den im Laufe des Jahres erscheinenden Erlassen sind bes. die drei Verordnungen des Cultusministers vom 1._– 3. October über die Einrichtung des evangelischen Seminar-, Präparanden- u. Elementarunterrichts (wo nach der Lehrstoff für die Volksschule auf einen nur engen Kreis beschränkt wurde) zu bemerken, welche sehr verschiedene Beurtheilung erfuhren. Der Wiederberufung der Kammern im November war die Einberufung des Staatsrathes im Juli vorhergegangen, dessen wichtigsten Aufgaben in der Berathung neuer Vorlagen betreffend der ländlichen Gemeinde- u. der Polizeiverfassung, eines Jagdpolizeigesetzes, der Kreis- u. Provinzialordnungen u. eines Armengesetzes bestanden hatten. Ebenso hatten vorher, im September u. October, die verschiedenen Provinziallandtage getagt. Endlich war durch königliche Verordnung vom 12. October eine neue erste Kammer geschaffen worden, deren Bestand fortan die königlichen Prinzen, erbliche Pairs u. auf Lebenszeit, theils auf Präsentation, theils aus eigener Bewegung vom Könige ernannte Mitglieder bilden sollten. Doch schien auch diese Form der Pairskammer den rechten Anklang noch nicht finden zu wollen; wenigstens setzten ihr in der Folge die berufenen Standesherren durch ihr Ausbleiben einen beständigen passiven Widerstand entgegen, so daß ein bestimmter Gesetzentwurf zur Feststellung ihrer Beschlußfähigkeit nöthig wurde. Da auch die zweite Kammer eine große Anzahl neuer Mitglieder erhalten hatte, so konnte die neuberufene Versammlung als eine fast durchaus neue gelten, doch war die Parteistellung dieselbe wie in der vorjährigen Kammer. Am 30. Nov. fand die Eröffnung der Kammern durch den König statt, wobei derselbe Betreffs der auswärtigen Politik die Zusicherung gab, daß die Regierung im festen Verein mit Österreich u. dem übrigen Deutschland es nach wie vor für ihre Aufgabe erkennen werde, dem Frieden, der Anerkennung fremder Selbständigkeit u. der Mäßigung das Wort zu reden; zugleich wurde jedoch auch für den Fall, daß dieser Haltung ein erhöhter Nachdruck gegeben werden müsse, auf die vollständige Kriegsbereitschaft des Heeres hingewiesen. Der eingebrachte Staatshaushalt wies für das künftige Jahr in Einnahme u. Ausgabe die Summe von 111,841,581 Thalern nach; davon 107,248,367 Thlr. an fortdauernden u. 4,593,214 Thlr. an einmaligen u. außerordentlichen Ausgaben, letztere bestritten von der 30-Mill. – Anleihe, welche erst zur Hälfte flüssig gemacht u. nur bis zu 1/6 verwendet worden war. Da aber die Regierung die Ermächtigung verlangte, den Credit für den Rest der 30 Mill. auf unbestimmte Zeit fortbestehen zu lassen, so bewilligten die Kammern, deren Mitglieder zum Theil mit der Haltung der Regierung in der auswärtigen Politik in der Orientalischen Frage nicht zufrieden waren, indem sie dieselbe den russischen Interessen zugeneigt glaubten, den verlangten Credit nur bis zum Ende des laufenden Jahres. Angenommen wurde der Gesetzentwurf zur Ergänzung der früheren Gesetze, betreffend der Verpflichtung der Armenpflege u. der Aufnahme neu anziehender Personen, sowie über das Concursgesetz, die Bewilligung zur Forterhebung der Steuerzuschläge bis April des nächsten Jahres, Gesetze über die Namensveränderung der Landesvertretung in Herrenhaus, Haus der Abgeordneten u. Allgemeiner Landtag, über die Zulassung ausländischer Schiffe zur Küstenschifffahrt, die Ergänzung der Verordnung über die Besteuerung des ausländischen Rübenzuckers, über das Verbot des fremden Papiergeldes unter 10 Thalern etc. Der Antrag auf Befestigung des Sundzolles fand in beiden Kammern eine nur laue Befürwortung. Bezüglich der auswärtigen Politik in der Orientalischen [552] Frage (s. Deutschland XIII. D) änderte sich im Jahre 1855 in der Stellung P-s nichts Wesentliches. Die fortgesetzten Bemühungen Österreichs, Deutschland u. P. zu einer mehr activen Betheiligung an den Ereignissen zu vermögen, scheiterten beständig an dem Widerspruche des Berliner Cabinets; andererseits war dasselbe jedoch auch darauf bedacht, das Recht P-s als Großmacht, bei der Leitung der europäischen Angelegenheiten zugezogen zu werden, zu wahren (Note vom 5. Januar). Die Verhandlungen mit den Westmächten über die Stellung P-s wurden fortgesetzt, u. es gingen deshalb selbst General von Wedell nach Paris u. von Usedom nach London; doch wurde dadurch in keiner Weise ein bestimmter Erfolg erzielt, ja mehrmals, wie namentlich zufolge von Äußerungen des preußischen Bundestagsgesandten, wurde die Sprache zwischen dem preußischen u. französischen Cabinet eine sehr gereizte. Trotz der sorgfältigen Beflissenheit der Regierung, auch selbst den Schein einer Parteinahme nach der einen od. anderen Seite hin zu vermeiden, wurde aber doch nichts unterlassen, um dem Staate eine achtunggebietende Kriegsbereitschaft zu geben; namentlich wurden zur Sicherung der Landesgrenze die betreffenden Festungen gehörig in Stand gesetzt u. im April die Ausrüstung der gesammten Landwehr u. des nicht mit Zündnadelgewehren versehenen Theils der Linie mit Miniégewehren angeordnet. Erst im Herbste traten wesentliche Erleichterungen u. Beschränkungen in der Kriegsbereitschaft ein. Den Werbungen für die englische Fremdenlegion trat die Regierung überall entgegen u. am 9. Juni ward sogar ein Secretär des englischen Consuls zu Köln, welcher sich in dieser Hinsicht schuldig gemacht hatte, verhaftet, wodurch Verhandlungen mit der großbritannischen Regierung herbeigeführt wurden, bis die Angelegenheit eine gütliche Beilegung fand. Zu Anfang des Jahres wurden die diplomatischen Beziehungen zu dem Darmstädter Hofe wieder hergestellt. Bezüglich der inneren Verwaltung machte sich namentlich im Jahre 1855 eine strenge Beaufsichtigung der Presse sowohl Betreffs der Besprechung der auswärtigen Politik, als auch der inneren Angelegenheiten bemerkbar, indem sofortige Suspendirung einer Zeitschrift schon bei Einleitung des Concessionsentziehungsverfahrens angedroht wurde. Durch Cabinetsordre vom 18. März wurde verfügt, daß den 1848 an den politischen Bewegungen betheiligten Beamten, falls sie seitdem Beweise ihrer geänderten politischen Gesinnung gegeben hätten, kein weiteres Hinderniß ihrer Wiederanstellung in den Weg gelegt werden solle. Höchst bemerkenswerthe Symptome zeigten sich auf dem Gebiete des kirchlichen Lebens. Die Ehescheidungsfrage, welche beim Landtage nur von der ersten Kammer berathen u. dabei eine strengere Fassung als in der Regierungsvorlage bekommen hatte, erhielt bereits eine praktische Bedeutung u. wurde zu einer brennenden, indem sich in allen Theilen des Landes Vereine von Geistlichen der strengkirchlichen Richtung bildeten, welche sich unter einander verpflichteten, geschiedenen Eheleuten unter allen Bedingungen eine weitere Trauung zu versagen. Überhaupt machte sich die strengkirchliche Richtung der Landeskirche nach jeder Seite hin geltend; die katholischen Vereine gewannen, bes. in Westfalen, beständig an Ausdehnung; allenthalben, u. bes. auch in der Mark Brandenburg, wurden neue Missionsstationen errichtet u. der Einfluß der Jesuiten, zumal in der Rheinprovinz, war in stetem Steigen. Eine furchtbare Calamität für das Land waren, neben der allgemeinen Nahrungslosigkeit u. der Wiederkehr des Hungertyphus in Schlesien, die erneuten Überschwemmungen am Niederrhein, an der Oder u. der Weichsel, welche die vorjährigen an Umfang u. Verderblichkeit noch überstiegen. Der Eisenbahnbau war auch in diesem Jahre wieder wesentlich gefördert worden, am 9. Juli erfolgte die Eröffnung der Soest-Dortmunder Bahn. Am 3. Oct. fand die Grundsteinlegung zu einer festen Rheinbrücke bei Köln statt. Im Mai war die Telegraphenlinie nach Rußland der öffentlichen Benutzung übergeben worden.

Die Wahl für die Kammer der Abgeordneten am 27. Sept. fiel im Sinne des Gouvernements aus. Auch wurde der bis dahin beobachtete Widerstand der betreffenden Mitglieder des Herrenhauses beseitigt, nachdem unter dem 12. Nov. zwei Verordnungen erschienen waren, deren eine Jenen die Wiederherstellung des privilegirten Gerichtsstandes zusicherte, während die zweite die Ausführung der weiteren Maßregeln zur Herstellung des Rechtszustandes der einst reichsunmittelbaren Fürsten u. Grafen betraf. So erfolgte die Eröffnung des Allgemeinen Landtages am 29. Nov. durch den König, welcher bezüglich der auswärtigen Politik der Regierung abermals das Festhalten an dem bisherigen Standpunkte verhieß. Das Budgetgesetz stellte die Einnahmen u. Ausgaben für 1856 auf 118,864,071 Thlr. fest. Der vom Ministerium ausgehende, früher bereits abgelehnte Antrag auf Abänderung des §. 42 der Verfassung (Gewährleistung der Theilbarkeit des Grundeigenthums wie der Ablösung der Grundlasten) u. Aufhebung des §. 114 (Bestimmungen über die ländliche Polizeiverwaltung), sowie der Gesetzentwurf über Wiederherstellung der gutsherrlichen Polizeigewalt u. das richterliche Disciplinargesetz (wonach es u.a. Richtern gestattet sein sollte, auch andere Staatsämter anzunehmen), wurde von beiden Häusern angenommen, wie sich auch beide über die Beschränkung der Wechselfähigkeit einigten. Die Westfälische Städte- u. Landgemeindeordnung, so wie der Entwurf einer Städteordnung für die Rheinprovinz fanden Annahme, obgleich die beiderseitigen Provinzialabgeordneten dagegen Widerspruch erhoben. Die Forterhebung des Zuschlags zu der klassificirten Einkommen- u. Klassensteuer wurde nur bis zum Jahresschlusse genehmigt u. die Verwendung des verbliebenen Bestandes der 30-Mill. – Anleihe zur Bestreitung der auf 14 Mill. veranschlagten Kosten mehrer Eisenbahnbauten bewilligt. Zu der großen Zahl der eingebrachten u. meist durch Tagesordnung beseitigten Anträge gehörte auch der auf Einführung einer Tabaksregie. Am 3. Mai 1856 wurde der Landtag geschlossen. Zwei Ereignisse, welche in die Sitzungszeit des Landtags fielen, waren in demselben auch, wenn schon in sehr verschiedener Weise zur Sprache gekommen; dies waren der Tod des Generalpolizeidirectors von Hinkeldey (s.d.) in einem Pistolenduell mit dem Lieutenant von Rochow, ein Ereigniß, welches übrigens auch wegen seiner tiefer liegenden Veranlassung in den weitesten Kreisen großes Aufsehen machte; u. dann die Entdeckung eines Depeschendiebstahls, durch welchen die Correspondenz zwischen dem Generaladjutanten von Gerlach u. dem Cabinetsrath Niebuhr verrathen[553] worden war. Bezüglich der auswärtigen Politik hatten die Orientalische Frage u. die Verhandlungen über die Stellung P-s bei deren endlicher Beilegung wieder die erste Stelle eingenommen. Es wurde allseitig anerkannt, daß P-s Einfluß wesentlich zu den friedlichen Entschließungen Rußlands mitgewirkt habe; doch fanden über seinen Beitritt zu der Unterzeichnung der Friedensprätiminarien noch immer aufhältliche Verhandlungen mit Österreich statt, da Österreich diesen Beitritt anfänglich von Frankreichs u. Englands Zustimmung abhängig machen wollte, P. aber ihn gemäß seiner Stellung als Großmacht für selbstverständlich erklärte. Die Frage erledigte sich durch den Beschluß der Pariser Friedensconferenz vom 10. März 1856, wonach P., obgleich es am Kriege nicht theilgenommen habe, doch wegen seiner Theilnahme an dem Londoner Vertrag von 1841, im europäischen Interesse zu den Friedensverhandlungen eingeladen werden sollte. Hierauf trat auch der Ministerpräsident von Manteuffel am 18. als preußischer Bevollmächtigter den Conferenzsitzungen bei u. betheiligte sich an der Unterzeichnung des Friedensvertrages vom 30. März, u. dieser Vertrag erhielt am 18. April seine Ratification auch durch den König. Dänemark gegenüber nahm sich die preußische Regierung, zunächst durch Depesche vom 1. Juni, im Verein mit Österreich des Rechtes der Deutschen Herzogthümer an, wodurch sich ein längerer Depeschenwechsel mit dem Kopenhagener Cabinet entspann.

Eine Verwickelung ernstester Art wurde für P. durch den am 2./3. Sept. unternommenen Versuch Neuenburger Royalisten, den Canton durch einen Gewaltstreich wieder in den Besitz der Krone P. zu bringen, herbeigeführt. Nachdem derselbe mißglückt u. die Urheber in eidgenössische Gefangenschaft gerathen waren, verlangte die preußische Regierung zunächst, daß der wider diese erhobene Hochverrathsproceß niedergeschlagen u. die Gefangenen in Freiheit gesetzt würden. Die fortgesetzte Weigerung des schweizer Bundesrathes führte zu der Abberufung des preußischen Gesandten u. zu den Vorbereitungen für die Mobilmachung einer Truppenmacht von 130,000 Mann. Zugleich erließ die preußische Regierung unter dem 8. Dec. Erklärungen über ihre Stellung zu der Frage an die Großmächte u. brachte unter dem 18. eine dem entsprechende Vorlage an den Deutschen Bundestag; sie fand dabei allseitig Zustimmung, Bedenken wurden nur von Österreich wegen des von P. verlangten Durchmarsches seiner Truppen durch Bundesgebiet erhoben, jedoch erledigte sich diese Frage durch den Gang der Ereignisse von selbst, indem bereits im Jan. 1857 durch Vermittelung des Kaisers von Frankreich der schweizer Bundesrath sich zur Annahme von vorläufigen Vermittelungsvorschlägen bestimmen ließ, wonach die Neuenburger Gefangenen freigegeben werden, aber bis zum Abschluß eines definitiven Arrangements das Bundesgebiet verlassen sollten, wogegen P. alle militärischen Demonstrationen gegen die Schweiz einzustellen u. alle feindlichen Schritte zu unterlassen hätte. Die schweizer Bundesversammlung trat in ihren beiden Körperschaften bis zum 16. Jan. diesen Vorschlägen bei, aber die definitive Erledigung des Conflictes verzögerte sich noch bis zum 26. Mai, wo ein Vertrag zu Stande kam, in welchem das preußische Königshaus auf die Souveränetätsrechte in Neuenburg verzichtete, welcher Vertrag am 24. Juni proclamirt wurde, s. Neuenburg (Gesch.). Dagegen fand die Sundzollangelegenheit (s.d.) durch Ablösung eine auch für P. befriedigende Erledigung.

Unter den Verhandlungen des Landtages, welcher vom 29. Nov. 1856 bis 12. Mai 1857 abgehalten wurde, nahmen vorzugsweise diejenigen die erste Stelle ein, welche das neue Ehescheidungsgesetz u. die Finanzvorlagen betrafen, wonach dem Staate neue Einnahmequellen, bes. durch Erhöhung der Salzsteuer u. Anordnung einer Häusersteuer, eröffnet werden sollten. Das Ehescheidungsgesetz, demgemäß eine Scheidung außerordentlich erschwert werden sollte, wurde von dem Hause der Abgeordneten verworfen, ebenso die neue Häusersteuer u. die Erhöhung der Salzsteuer. Dagegen genehmigten die Kammern die Ausdehnung der Gewerbesteuer auf die Actiengesellschaften, ebenso die Vorschläge über die Verwendung des Restbestandes des für das Heer früher bewilligten außerordentlichen Credits von 30 Mill. Thlrn. u. das Gesetz wegen nachträglicher Ersatzgewährung für die präcludirten Kassenanweisungen u. Darlehnskassenscheine; auch nahmen sie unverändert den vorgelegten Staatshaushaltsplan an, nämlich Einnahmen 120,242,312 Thlr., ordentliche Ausgaben 115,140,298 Thlr., außerordentliche Ausgaben 5,082,528 Thlr., nebst 19,486 Thlrn. in Hohenzollern. Regierung u. Kammern einigten sich über eine passendere Zeit der Einberufung des Landtags, u. durch Abänderung des §. 76 der Verfassung wurde die Regierung ermächtigt, die Einberufung der Kammern in der Zeit vom November bis zum 15. Januar des folgenden Jahres anzuberaumen. Außerdem kamen zahlreiche wichtige Gesetze zu Stande über die Ablösung der den geistlichen u. Schulinstituten, sowie den milden Stiftungen zustehenden Reallasten, über die Verjährung von Ansprüchen auf Regulirung der gutsherrlichen u. bäuerlichen Verhältnisse behufs der Eigenthumsverleihung, über die Vereinfachung des Taxverfahrens für kleinere Grundstücke, über das unerlaubte Creditgeben an Minderjährige, u. andere, welche den Zweck haben zu ergänzen, zu verbessern od. unklare u. zweifelhafte Rechtsverhältnisse zu ordnen. Der unter dem 24. Jan. 1857 zwischen den Zollvereinsstaaten u. der österreichischen Regierung geschlossene Münzvertrag ordnet die auf das deutsche Münzwesen bezüglichen Verhältnisse, zu deren Sicherstellung ein Gesetz, welches die Zahlungsleistung mittelst ausländischer Banknoten verbietet, beschlossen wurde, in der Hoffnung, dadurch bald zu einer Verständigung über gemeinsame Grundsätze in Betreff der Ausgabe solcher Werthzeichen zu gelangen. Mit Rußland kamen Verträge zur Herstellung der preußisch-russischen Eisenbahnverbindungen zu Stande, durch welche eine Eisenbahnverbindung von Königsberg mit Petersburg, von Bromberg mit Lowicz u. von Kattowitz mit Zombkowice festgestellt wird; ebenso ein Vertrag mit Sachsen über eine Bahn zwischen Leipzig u. Bitterfeld.

Hatte sich Österreich schon bei der Neuenburger Angelegenheit abgeneigt gegen P. bezeigt, so konnte letzteres um so weniger ruhig zusehen, als Österreich die Absicht zu erkennen gab, die Bundesfestung Rastadt ganz allein besetzen zu wollen Der politische Horizont P-s schien sich immer mehr zu umwölken Die Zusammenkunft des Kaisers[554] von Frankreich mit dem Kaiser von Rußland in Stuttgart u. die des Kaisers von Österreich mit dem Kaiser von Rußland in Weimar bereitete sich vor; Prinz Nepoleon machte im Mai 1857 eine Reise nach Berlin u. Dresden. Dabei zeigte der Gesundheitszustand des Königs Veränderungen, welche zu ernsten Besorgnissen Veranlassung gaben. Der Aufenthalt des Königs in Marienbad im Juni bewirkte keine Heilung, denn nachdem er den Kaiser von Österreich in Wien besucht hatte u. am 13. Juli in Pillnitz angekommen war, erfolgte der erste Anfall der tödtlichen Krankheit, welcher er später erlag. Scheinbar wieder hergestellt, reiste er nach Berlin zurück, jedoch schon am 6. October kehrten die Krankheitserscheinungen mit größerer Heftigkeit wieder, nachdem der Kaiser u. die Kaiserin von Rußland am preußischen Hofe zum Besuche anwesend gewesen waren. Die Einsetzung einer Regentschaft machte sich erforderlich u. sie erfolgte wenigstens thatsächlich durch eine vom Könige selbst unterzeichnete Cabinetsordre vom 23. Octbr. 1857, wodurch dem Prinzen Wilhelm von Preußen als Stellvertreter des Königs vorläufig auf drei Monate die Regierungsgeschäfte übertragen wurden, ohne jedoch denselben zum Prinzregenten zu erklären. Der Prinz von Preußen sprach hierauf in einem Erlaß an das Staatsministerium vom 24. October den festen Willen aus, unter gewissenhafter Beobachtung der Landesverfassung u. Landesgesetze nach den ihm bekannten Absichten des Königs so lange die Regierungsgeschäfte zu führen, als es der König erforderlich erachte. Die bisherigen Minister blieben in ihren Stellen. Schon am 6. Jan. 1858 verlängerte der König die Stellvertretung wieder auf drei Monate. Am 25. Januar fand in London die Vermählung des Prinzen Friedrich Wilhelm, des Sohnes des Prinzen von Preußen, mit Prinzessin Victoria, der ältesten Tochter der Königin von England, statt. Die Reise des jungen fürstlichen Ehepaares von der Grenze bis zur Hauptstadt glich einem Siegeszuge u. war ein politisches Ereigniß, welches ebenso von Selbstgefühl zeugte, als die Freude über ein in Aussicht stehendes festes Bündniß mit England kundgab. Die Kammern waren am 12 Jan. eröffnet worden. Unter den Vorlagen der Regierung befand sich auch eine Verordnung vom 29. Novbr. 1857, wodurch in Anbetracht der Geldkrise für die Dauer von drei Monaten die bestehenden Beschränkungen des vertragsmäßigen Zinsfußes außer Kraft gesetzt wurden in der Weise, daß höhere als die bisher zulässigen Zinsen für einen längeren als zwölfmonatlichen Zeitraum nicht bedungen werden konnten. Die Kammern ertheilten ihre nachträgliche Genehmigung, ohne daß jedoch die erste Kammer diese Maßregel im Allgemeinen befürworten wollte, während die zweite Kammer der Aufhebung des gesetzlichen Zinsfußes geneigter zu sein schien. Überhaupt beschäftigten sich die Verhandlungen mehr mit Fragen des geschäftlichen Lebens als mit Politik, obgleich die zweite Kammer verfassungsmäßig nach einem dreijährigen Bestehen einer gänzlichen Neuwahl entgegenging. Der Gesetzentwurf über die Erhöhung der Rübenzuckersteuer, Folge einer unter den Zollvereinsstaaten am 16. Febr. 1858 zu Stande gekommenen Übereinkunft, veranlaßte in beiden Kammern heftige Auslassungen, da man eine Beeinträchtigung eines der wenigen schwunghaft betriebenen vaterländischen Fabrikationszweige befürchtete. Indessen überwogen zuletzt politische Rücksichten, so daß der Entwurf in beiden Kammern durchging. Auch die Forderung für die geheimen Ausgaben, jährlich 80,000 Thlr., gaben zu lebhaften Verhandlungen Veranlassung, indem man sich über Überschreitungen der Polizei beklagte u. das Beamtenthum im Allgemeinen angriff. Die Einnahmen wurden für 1858 auf 126,409,778 Thlr. erhöht u. die ordentlichen u. außerordentlichen Ausgaben erreichten dieselbe Summe. Im Sommer reiste der König nach Tegernsee im baierischen Oberlande, ohne daß das Fortschreiten der Krankheit irgendwie gehemmt worden wäre, so daß endlich am 7. Octbr. 1858 durch königliches Decret die bisherige Stellvertretung aufhörte u. der König dem Prinzen von Preußen die Leitung der Staatsgeschäfte mit völliger Unabhängigkeit nach seinen persönlichen Ansichten in der Eigenschaft eines Regenten übertrug u. hierauf mit der Königin über Tyrol nach Rom reiste. Ein Erlaß des Prinz-Regenten vom 9. Octbr. erklärte die Annahme u. berief auf Grund des Att. 56 der Verfassung beide Häuser des Landtags (die Neuwahlen hatten noch nicht stattgefunden) auf den 20. October. Der seitherige Minister des Innern, von Westphalen, welcher als einer der Hauptträger des mit dem Namen der Olmützer Politik bezeichneten Systems bezeichnet wurde, erhielt schon am Tage vorher seine Entlassung. Am 20. Octbr. eröffnete der Prinz-Regent persönlich den außerordentlichen Landtag, worauf er, nachdem beide Häuser einstimmig die Nothwendigkeit der Regentschaft anerkannt hatten, vor den vereinigten Häusern am 26. den Eid auf die Verfassung leistete u. der Ministerpräsident den Schluß des Landtags erklärte. Sämmtliche zeitherige Minister erachteten ihr vom König erhaltenes Mandat für erloschen u. baten den Prinz-Regenten um eine Willensäußerung wegen Fortführung der Geschäfte. Ein Decret des Regenten vom 6. November bewies, daß das bisherige Ministerium aufgelöst war; an seine Stelle trat als Premierminister Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen, Rud. v. Auerswald als Staatsminister, äußere Angelegenheiten Alex. v. Schleinitz, Finanzen v. Patow, Ackerbau u. Forsten v. Pückler, Kirche u. Schule v. Beethmann-Hollweg, Inneres Graf Schwerin-Putzar u. Krieg v. Bonin; v. d. Heydt als Handels- u. Simons als Justizminister behielten ihre Portefeuilles. Der Premierminister nahm bes. die oberste Leitung der Seemacht in die Hand, u. man hoffte von ihm, daß er dieselbe hohe Stellung, von welcher vor acht Jahren Graf Brandenburg durch den Tod abberufen wurde, mit muthigen Hoffnungen u. mannhaften Entschlüssen erhalten habe. Jedenfalls war mit der sogenannten Olmützer Politik vollständig gebrochen, das erkannte man in P., wie im übrigen Deutschland, jedoch keineswegs mit der Vergangenheit überhaupt. In einer Ansprache des Regenten an das neugebildete Ministerium am 8. November sagte er, die Ansichten der neuen Räthe der Krone seien seine eigenen, daß nämlich von einem Bruche mit der Vergangenheit nicht die Rede sein solle, es solle nur die sorgliche u. bessernde Hand angelegt werden, wo sich Willkürliches u. gegen die Bedürfnisse der Zeit Laufendes zeige; Versprochenes müsse man treu halten, ohne sich der bessernden Hand dabei zu entschlagen; Nichtversprochenes muthig hindern. Vor Allem warnte er vor der Phrase, daß die Regierung sich fort u. fort treiben lassen müsse, liberale [555] Ideen zu entwickeln, weil sich dieselben sonst selbst Bahn brächen. Wenn in allen Regierungshandlungen sich Wahrheit, Gesetzlichkeit u. Consequenz ausspreche, so sei eine Regierung stark, weil sie ein reines Gewissen habe. Absichtlich überspannten Ideen müsse energisch, aber gesetzlich entgegengetreten werden. Eine der schwierigsten u. zugleich zartesten Fragen sei die kirchliche, da auf diesem Gebiete in der letzten Zeit viel vergriffen worden sei. Zwischen beiden Confessionen müsse Parität walten, in beiden müsse aber mit allem Ernste den Bestrebungen entgegengetreten werden, die Religion zum Deckmantel politischer Bestrebungen zu machen. In der evangelischen sei eine Orthodoxie eingekehrt, welche mit ihrer Grundanschauung nicht verträglich sei u. die sofort Heuchler in ihrem Gefolge habe. Diese Orthodoxie habe die Union dem Zerfalle nahe gebracht; die letztere aufrecht zu erhalten u. weiter zu entwickeln, sei sein fester Entschluß. Heuchelei, Scheinheiligkeit, kurzum alles Kirchenwesen als Mittel zu egoistischen Zwecken, sei wo nur möglich zu entlarven. Im Heerwesen seien Verbesserungen nothwendig, dazu gehören Ruhe u. Geld. P. müsse mit allen Großmächten im freundlichen Vernehmen stehen, ohne sich fremden Einflüssen hinzugeben u. sich durch Verträge frühzeitig die Hände zu binden. In Deutschland müsse P. moralische Eroberungen machen, durch eine weise Gesetzgebung bei sich, durch Hebung aller sittlichen Momente u. durch Ergreifung von Einigungselementen, wie der Zollverband, welcher indeß einer Reform werde müssen unterworfen werden. Ein festes, consequentes u., wenn es sein müsse, energisches Verhalten in der Politik, gepaart mit Klugheit u. Besonnenheit, müsse P. das politische Ansehen u. die Machtstellung verschaffen, welche es durch seine materielle Machtstellung allein nicht zu erreichen im Stande sei. So das Regierungsprogramm, demgemäß sich auch die Minister bei vorkommenden Gelegenheiten öffentlich aussprachen. Am 12. Jan. 1859 wurde der Landtag, dessen Abgeordnete neu gewählt u. in der großen Mehrheit mit der Regierung Eines Sinnes waren, eröffnet. Die Thronrede bezeichnete den allgemeinen Zustand des Landes als befriedigend, verhieß wegen weiterer Ausdehnung u. Vervollkommnung des Eisenbahnnetzes Vorlagen, gedachte der erfreulichen Erscheinung erheblicher Abnahme der Untersuchungen u. Strafgefangenen, wies auf den günstigen Finanzzustand hin, jedoch sei ein Mehraufwand zur Aufrechthaltung der Würde der Krone, zur Kräftigung des Heeres u. der im Aufblühen begriffenen Seemacht, u. zu einer nach allen Richtungen gedeihlichen Entwickelung zu des Vaterlandes Wohl erforderlich, dessen Bewilligung von den Häusern zu erwarten sei. In den friedlichen Beziehungen zum Auslande sei keine Veränderung eingetreten, die freundschaftlichen Verhältnisse zu den Großmächten ungetrübt. Im Vereine mit den übrigen deutschen Bundesregierungen seien die Bemühungen der Regierung fortdauernd darauf gerichtet gewesen, die unter dänischem Scepter stehenden deutschen Herzogthümer endlich in voller Übung derjenigen Rechte zu sehen, auf welche ihnen die Bundesgesetze u. die zwischen dem Deutschen Bunde u. Dänemark getroffenen Vereinbarungen wohlbegründeten Anspruch verliehen.

Die öffentliche Aufmerksamkeit u. die Thätigkeit der Staatsmänner wurde zu Anfange des Jahres 1859 bald ganz von der Italienischen Frage in Anspruch genommen, welche zu einer Europäischen herangewachsen als Gegenstand der gemeinschaftlichen Sorge der fünf Großmächte betrachtet werden mußte. Die Interessen P-s u. Deutschlands fielen hier ganz zusammen, während Österreich als italienische Macht andere Interessen zu vertreten hatte, u. so blieb es die Aufgabe der vorzugsweise deutschen Großmacht, die Stellung der deutschen Nation unter den Mächten Europas zur Geltung zu bringen. P. neigte mehr zu Österreich hin, Rußland mehr zu Frankreich. Österreichs Meinung war, daß es der deutschen Nation nicht zustehe, eine selbständige Politik zu verfolgen, daß es vielmehr ihre Pflicht sei für Österreich zu kämpfen, u. die Begeisterung des Deutschen Volkes gegen Frankreich war vorherrschend dieser Politik günstig, wogegen P. bestrebt war, die Selbständigkeit Deutschlands zu wahren. Im Februar 1859 verhandelte Österreich ohne Vorwissen P-s mit mehren deutschen Regierungen, um am Bundestag einen Beschluß zu erzielen, wodurch P. gezwungen, werden sollte, sein Heer zum Bundesheer für Österreich zu stellen. Da dies ohne Erfolg blieb, erschien Erzherzog Albrecht in politischer Sendung in Berlin (vom 14. bis 21. April), um mit P. für den Fall eines Krieges über dessen Mitwirkung zu unterhandeln, dabei von der Voraussetzung ausgehend, der Krieg in Italien sei Nebensache, der Hauptschauplatz des Krieges am Rhein. In diesem Deutsch-französischen Kriege, welcher allerdings auf Kosten Deutschlands die französische Hauptmacht von den österreichischen Besitzungen in Italien abgezogen hätte, wollte Österreich 260,000 Mann unter den Befehlen des Erzherzogs Albrecht stellen, welchem sich das siebente u. achte Bundesarmeecorps anschließen sollte, u. das preußische Heer mit dem neunten u. zehnten Bundesarmeecorps sollte unter preußischem Befehl ein Nordheer bilden, daneben, von der Bundeskriegsverfassung absehend, ein Hauptquartier bestehen, in welchem der Kaiser von Österreich u. der Prinzregent von Preußen sich mit einander ins Einvernehmen zu setzen gehabt hätten. Damit war unverträglich, daß England u. Rußland darauf drangen, für den Fall eines Krieges denselben auf Oberitalien zu beschränken, daß Baiern ein selbständiges drittes Commando in Anspruch nahm u. daß man in P. mit Hinblick auf die Ereignisse zu Anfang des 19. Jahrh. der Ansicht war, daß die Geschicke Deutschlands von einem innigen Zusammengehen P-s mit Süddeutschland, namentlich mit Baiern, abhangen. Gegen die Absicht Österreichs an Sardinien ein letztes Wort zu richten, erhob P. die ernstesten Vorstellungen, machte geltend, daß ein angriffsweises Vorgehen Österreichs dessen politische Lage, zu deren Gunsten P. unausgesetzt thätig sei, hoffnungslos machen müsse, da England dann eine feindselige Haltung annehmen werde, u. erklärte, daß, wenn aller Warnungen ungeachtet u. ohne Rücksicht auf das eigene, wie namentlich auch auf Deutschlands Interesse Österreich zum Angriff überginge, P. von allen Consequenzen eines solchen Schrittes sich lossagen müsse. Inmitten dieser Beredungen traf der Vorschlag Englands ein, welcher Österreichs Länderbesitz festhielt u. jede Einmischung in dessen innere Angelegenheiten von der Berathung des zur Lösung der Italienischen Frage beabsichtigten Congresses ausschloß. Um die österreichische Regierung[556] zu überzeugen, daß P. seinen Friedensbestrebungen auch durch die Waffen nöthigenfalls Nachdruck geben werde, wurden am 20. April durch königliche Verordnung drei Armeecorps auf Kriegsfuß gestellt; allein alle Friedenshoffnungen, welche auch Erzherzog Albrecht theilte, wurden durch Österreichs rasches Vorgehen vereitelt. Am 19. April war an Sardinien die Aufforderung zu entwaffnen abgegangen, der Ausbruch des Krieges unvermeidlich. Unter diesen Umständen richtete P. ein Rundschreiben an die übrigen deutschen Staaten (22. April), worin es den Schritt Österreichs bedauerte, die Verantwortlichkeit der bevorstehenden Ereignisse ablehnte, an Art. 46 u. 47 der Wiener Schlußacte erinnerte u. schließlich erklärte, daß es sich vollständige Freiheit des Handelns vorbehalte. Von dem Augenblicke des österreichischen Angriffes an konnte P. auf keine Mitwirkung Englands u. Rußlands bei vermittelnden Schritten mehr rechnen. Am Bundestage hatte es die Kriegsbereitschaft der übrigen deutschen Contingente beantragt, nach Ausbruch des Krieges setzte es sein ganzes Heer in Marschbereitschaft. Die Regierung gab in beiden Häusern des Landtages Erklärungen über ihre Politik u. erlangte durch deren einstimmigen Beschlüsse nicht nur Gutheißung ihrer Politik, sondern auch die Bewilligung aller zur Mobilmachung des ganzen Heeres nothwendigen Mittel. P. proclamirte Aufrechthaltung des europäischen Rechtszustandes u. bewaffnete Vermittelung. Die Thronrede des Regenten zum Schlusse des Landtages am 14. Mai bestätigte dies Programm, dessen leitende Gedanken Deutschlands Sicherheit u. Wohlfahrt u. die Unabhängigkeit Europas waren, während auf der anderen Seite ein unbedingtes Eingehen auf Österreichs damals noch rückwärts schauende Politik u. ein Unterordnen der deutschen Interessen unter die österreichischen von der Hand gewiesen wurde. Die öffentliche Meinung in P. erkannte, daß beim Ausbruch eines Krieges das Wohl u. Wehe der industriellen Bevölkerung von der französischen Seemacht abhing, welche die Handelsschiffe zerstören u. die Häfen der Nord- u. Ostsee sperren konnte. Zudem mußten erst erhebliche Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt werden, um die Lage der deutschen Dinge zu verbessern, damit Deutschland nicht blos Krieg führen lebhaft wolle, sondern auch mit Aussicht auf Erfolg könne. Vor allen Dingen beanspruchte P. im deutschen Interesse die oberste Leitung des Krieges u. der diplomatischen Verhandlungen, um klar zu werden, für welche Zwecke es eigentlich im Bunde mit Österreich kämpfen sollte. Zu dem Ende sandte die Regierung General Willisen nach Wien, u. Österreich begehrte schließlich nur Gewährleistung seiner Länderbesitze u. räumte der preußischen Regierung die für eine einheitliche, allein mögliche Kriegführung erforderliche militärische u. politische Leitung Deutschlands während des Krieges ein. Diese letztere konnte P., da im voraus nicht dafür gesorgt war, nur auf dem Wege der Verhandlung mit den übrigen deutschen Bundesgenossen erlangen, von denen einige Regierungen der Mittelstaaten wohl den Prinzregenten zum Oberfeldherrn des deutschen Bundestages, welchem Österreich präsidirt, ernennen, aber nicht P., unabhängig vom Bundestage nach Art. 46 der Wiener Schlußacte, die oberste Leitung der deutschen Angelegenheiten auf die Dauer des Krieges übertragen wollten. In diesem Sinne schlug Hannover am 13. Mai dem Bundestage vor, ein Observationscorps am Rheine aufzustellen, worauf P. in der Sitzung vom 19. Mai dagegen protestirte u. die Hoffnung aussprach, daß seine Bundesgenossen ihm die Anregung der nothwendigen Maßregeln überlassen würden. Baiern äußerte auch die Geneigtheit, P. die Initiative zu überlassen. Trotz dieser Hindernisse hatte die Regierung schon vor der Schlacht bei Magenta die vom Landtage bewilligte Anleihe ausgeschrieben, welche am Tage des Abschlusses, 11. Juni, mehr als zur Genüge gedeckt war. Am 14. Juni erging der Mobilmachungsbefehl in die Provinzen u. die Recrutenaushebung wurde beschleunigt. Zugleich sprach sich die Regierung in einer Depesche von demselben Tage an ihren Gesandten in Wien dahin aus, sie wolle, daß der Italienische Krieg nicht zum Umsturz des europäischen Rechtszustandes führen, daß vielmehr Österreich im Besitz der ihm durch die Verträge von 1815 zugefallenen italienischen Besitzungen bleibe; zu dem Ende werde P. eine bewaffnete Vermittelung versuchen, behalte sich jedoch die Entscheidung über die Rechtzeitigkeit vor u. hoffe, daß ihm die Leitung Deutschlands für die Kriegszeit werde überlassen werden, auch daß Sonderbündnisse nicht stattfinden würden. Durch eine Note vom 19. Juni gab sie den auswärtigen Regierungen zu erkennen, die kriegerischen Maßregeln fänden statt, weil der Krieg sich den südlichen Grenzen Deutschlands nähere; P. habe keine andere Absicht, als der Krise, welche die Ruhe Europas bedrohe, ein Ende zu machen, sich selbst u. dem übrigen Deutschland den gebührenden Einfluß zu sichern u. die Kräfte seiner Bundesgenossen mit den seinigen zu einem gemeinschaftlichen Handeln zu vereinigen. In mehren Mittheilungen an die englische u. russische Regierung wurde das dringende Bedürfniß einer Vermittelung geltend gemacht. Am 24. Juni eröffnete P. seinen Bundesgenossen, daß es den Länderbestand Österreichs erhalten wolle, daß es den Krieg nicht suche, daß es sich aber nicht verhehle, wie seine Bemühungen zu einem Kriege führen könnten. Mit militärischen Bevollmächtigten, welche die vier außerpreußischen u. außerösterreichischen Bundesarmeecorps im Namen ihrer Regierungen vertraten, wurde in Berlin eine Verständigung über gemeinsame Kriegsmaßregeln erzielt. Sodann begehrte P. am 25. Juni die Ermächtigung, seine Truppen auch auf außerpreußischem Bundesgebiete aufstellen zu dürfen, u. beantragte, das siebente u. achte Bundesarmeecorps mobil zu machen u. Baiern den Befehl über diese vereinigte Aufstellung zu übertragen. Diese Anträge wurden von der Bundesversammlung am 2. Juli angenommen. Am 4. Juli endlich beantragte P. am Bundestage die fernere Mobilmachung des neunten u. zehnten Bundesarmeecorps, welche sich dem preußischen Heere am Niederrheine anschließen sollten, zugleich aber eine bundesmäßige Übertragung des Oberbefehls über sämmtliche außerpreußische u. außerösterreichische Bundesarmeecorps auf Grund des Art. 46 der Bundeskriegsverfassung, vermöge dessen die Bundesversammlung die Leitung von zwei Corps bereits Baiern anvertraut hatte. Allein schon war in den österreichischen Entschließungen ein Umschlag eingetreten. In einer Depesche vom 22. Juni erklärte sich die österreichische Regierung gegen das Vorgehen P-s, da dasselbe nach den Verträgen von 1815 nichts anders wollen könne, als mit Aufbietung[557] aller seiner Kräfte Österreichs Besitzstand erhalten. Zwar protestirte P. unter dem 5. Juli gegen eine solche Anschauung u. erklärte, daß es auf die Herstellung eines dauerhaften Friedens hinarbeiten werde, welcher den Interessen Europas u. Deutschlands entspräche. Allein nachdem ein selbständiges Vorgehen Deutschlands, auch zu Gunsten Österreichs, von P. eingeleitet war, nachdem die von P. in Petersburg u. London gethanen Schritte u. die Vorgänge in Deutschland im französischen Hauptquartiere zum Gegenstand ernster Erwägungen geworden waren, erschien plötzlich Fürst Windischgrätz in Berlin als außerordentlicher österreichischer Gesandte, um im Auftrage seines Kaisers zu fordern, daß P. seine selbständige Vermittelungspolitik abbreche u. den Krieg am Rhein sofort beginne, als dessen Endzweck bezeichnet wurde die Herstellung des Standes der Dinge vor dem Kriege nicht nur in Betreff des österreichischen Länderbesitzes, welchen P. förmlich gewährleisten sollte, sondern auch in Betreff der Specialverträge mit den italienischen Fürsten, von denen der Kaiser als von Familienverträgen nicht abgehen könne (obgleich dies am 29. Mai von P. entschieden verweigert worden war). Um die Annahme des preußischen Vorschlags vom 4. Juli am Bundestage zu vermitteln, stellte Österreich am 7. Juli den Antrag, das gesammte Bundesheer kriegsbereit u. marschfertig zu machen u. den Prinzregenten von P. zum Oberfeldherrn des Deutschen Bundes zu ernennen, freilich ohne daß derselbe von der Unterstellung unter die Deutsche Bundesversammlung mit Österreichs Präsidium losgebunden ward. An demselben Tage schlug Napoleon III. einen Waffenstillstand vor mit Rücksicht auf die Vermittelungsversuche, welche P. angeregt, u. auf die preußischdeutschen Rüstungen u. bevorstehenden Truppenaufstellungen, da allerdings von dem Prinzregenten ein Befehl zur gänzlichen Mobilmachung auch des zweiten Aufgebots u. den drei östlichen Corps bereits unterzeichnet war. Österreich u. Frankreich schlossen einen Waffenstillstand, dessen Dauer bis zum 15. August bestimmt war. Unterdeß blieben die preußischen Truppen auf dem Marsche an den Rhein u. beharrte P. bei seiner Politik der bewaffneten Vermittelung, u. obgleich Fürst Windischgrätz seiner Regierung auf telegraphischem Wege abrieth Frieden zu schließen, da die Dinge in P. günstig ständen, so kam dennoch der Frieoe von Villafranca am 11. Juli zu Stande. Am 25. Juli wurde das Heer wieder auf Friedensmaß gesetzt.

Vom Landtage waren die Vorlagen der Regierung wegen Aufhebung der Grundsteuerfreiheit u. der dafür zu gewährenden Entschädigung u. wegen Einführung der Civilehe verworfen worden; aber in finanzieller Hinsicht hatten beide Häuser den Forderungen der Regierung in verschiedenen Richtungen entsprochen, bes. auch zur Wehrhaftmachung P-s zur See. Die Seemacht bestand 1859 aus 55 Kriegsschisleu mit 265 Kanonen; die Verwaltung wurde neu eingerichtet; die Häuser bewilligten für Herstellung eines Kriegshafens in der Nordsee, welcher in 5–6 Jahren vollendet sein sollte, 500,000 Thaler; desgleichen zum Bau eines Kriegshafens im Jasmunder Bodden in der Ostsee jährlich 100,000 Thlr. auf zehn Jahre. Die Verwirklichung des Regierungsprogramms des Regenten wurde sichtlich angestrebt, u. es hing damit zusammen, daß am 3. Juli 1859 Graf Schwerin-Putzar Minister des Innern u. am 5. Decbr. d. I. von Roon Kriegsminister wurde. Das seit 1850 eingerichtete Preßbureau, der verborgene Mittelpunkt, von welchem aus man beabsichtigt hatte die öffentliche Meinung zu leiten, Zeitungen unterstützt, Redactoren u. Correspondenten angestellt u. bezahlt worden waren, wurde auf die Leitung der amtlichen Preußischen Zeitung beschränkt, das Vereinsbureau, der Mittelpunkt der geheimen politischen Polizei, zur Überwachung erlaubter u. der Aufspürung verbotener Vereine gänzlich aufgehoben. Den deutschen Nationalverein (einer Vereinigung von Männern aus allen Theilen Deutschlands mit der Signatur des constitutionellen Liberalismus von 1848) mit seinen lebhaft ausgesprochenen Wünschen nach einer festen Centralgewalt mit diplomatischer u. militärischer Oberleitung (diese Centralgewalt sollte in P-s Hände gelegt werden) u. nach einer deutschen Volksvertretung neben der Centralgewalt ließ die Regierung gewähren u. sogar seine Generalversammlung in Berlin abhalten, obgleich die hervorragenden Mitglieder dieses Vereins aus P. selbst durchaus nicht absolute Bewunderer der Maßregeln der Regierung des Vaterlandes waren. Die Theilnahme der preußischen Truppen an der Friedensbesatzung in Rastadt wurde endlich zugestanden. In Betreff der kurhessischen Verfassungsfrage entwickelte die preußische Regierung in einer Denkschrift vom 10. Oct. 1859 den Standpunkt, welchen sie in dieser Sache, namentlich dem von dem vorherigen Ministerium mitgefaßten Bundesbeschlüsse, gegenüber einnahm. Sie widersprach der Befugniß des Bundes die kurhessische Verfassung von 1831 aufzuheben; diese, durch den Bundesbeschluß von 1852 nur provisorisch außer Wirksamkeit gesetzt, bestehe noch zu Recht, u. um eine feste u. klare Grundlage zu erlangen, sei daher auf die Verfassung von 1831 zurückzugehen u. das als bundeswidrig Erkannte auf verfassungsmäßigem Wege auszuscheiden. In demselben Sinne gab sie ihr Votum in der kurhessischen Angelegenheit in der Sitzung des Bundestags vom 12. Nov. ab. In der holsteinischen Angelegenheit ging sie mit Österreich. Eine Zusammenkunft des Prinzregenten mit dem Kaiser von Rußland in Breslau. am 23. Octbr. fand mit Zuziehung der Minister des Äußeren beider Reiche statt. Mit Sardinien wurde ein Zusatzvertrag zu dem Zollvertrag vom 23. Juni 1845 u. mit der Argentinischen Republik ein Zoll- u. Handelsvertrag für P. zugleich im Namen des Deutschen Zollvereins abgeschlossen. Gleich zu Anfang des Jahres 1860 ging P. mit Vorschlägen wegen Verbesserung der Bundeskriegsverfassung am Deutschen Bundestage vor u. eröffnete der Bundesversammlung am 26. Januar, daß es mit den deutschen Uferstaaten der Nord- u. Ostsee, mit Ausnahme Hannovers, sich wegen der Küstenbefestigung geeinigt habe, sowie derselben auch angezeigt wurde, daß, auf Grund eines Vertrages vom 17. Mai 1850, vom 1. Jan. 1860 an die oberherrlichen Rechte, welche der Fürst von Lippe-Detmold über einen Theil von Lippstadt (1300 Einwohner) gehabt hatte, an P. übergegangen waren. Bei der Eröffnung des preußischen Landtages am 12. Jan. sprach der Regent seine Bereitwilligkeit aus, an einem europäischen Congresse theilzunehmen, welcher die geeignetsten Mittel für die Beruhigung Italiens u. die dauernde Befestigung seiner staatlichen Zustände in Erwägung ziehen solle, erklärte in Bezug auf den vielfach kundgegebenen Wunsch einer Bundesverfassungsveränderung,[558] P. für den natürlichen Vertreter des Strebens durch zweckentsprechende Einrichtungen die Kräfte der Nation zu heben u. zusammenzufassen, sowie überhaupt durch Maßregeln von wahrhaft praktischer Bedeutung, die Gesammtheit der deutschen Interessen wirksamst zu fördern, indem seine Regierung wünsche, die Thätigkeit der Deutschen Bundesversammlung in ihrem Verhältnisse zu den Verfassungen der Einzelstaaten auf das genaueste Maß ihrer competenzmäßigen Wirksamkeit sich beschränken zu sehen Unter den vom Landtage zu berathenden Gegenständen wurden hervorgehoben eine neue Grundsteuergesetzgebung mit Aufhebung der bisherigen Steuerfreiheit, eine Umänderung des bestehenden Eherechtes u. eine Neugestaltung des Heeres, jedoch ohne die Absicht mit dem Vermächtniß einer großen Vergangenheit zu brechen. Die Grundzüge dieser letzteren Maßregel waren: Dauer des Kriegsdienstes acht Jahre, wovon ununterbrochen drei bei der Infanterie u. vier bei der Reiterei; strenge Durchführung der allgemeinen Verpflichtung zum Kriegsdienste, Erhöhung der Zahl der jährlichen Ausgehobenen von 40,000 auf 60,000 Mann, nach achtjähriger Dienstzeit im Heere elf Jahre Dienstzeit in der Landwehr, Verdoppelung der Zahl der Stämme des Fußvolkes, Aufhebung der Landwehrreiterei u. Errichtung 18 neuer Reiterregimenter; zu dem Ende sollte das Kriegsbudget um 91/2 Mill. Thlr. erhöht werden. Das Heer sollte dadurch in das richtige Verhältniß zur gesteigerten Bevölkerung u. der gesteigerten Staatseinnahme gebracht werden, während die Gliederung in stehendes Heer u. Landwehr blieb u. in ihren einzelnen Theilen sich kräftigte. Die Ausgaben für das Heer im Jahr 1860, einschließlich 1,300,000 Thlrn. außerordentlichen Ausgaben, würden sich auf 32,797,520 Thlr. bei einer Gesammteinnahme von 130,799,713 Thlrn. belaufen, also nach Abzug der Staatsschuldenverzinsung u. Tilgung etwa den vierten Theil aller Jahreseinnahmen. Indessen wurden alle diese Fragen bis zum nächsten Landtag verschoben, indem man sich dahin einigte, den provisorischen Zustand des Heeres auf Grund der vorjährigen Marschbereitschaft bis zum 30 Juni 1861 fortdauern zu lassen u. dazu 9 Mill. Thlr. zu verwilligen, welche theils aus Verwaltungsüberschüssen des vorigen Jahres, theils durch Forterhebung des bisherigen Steuerzuschlages bis zum 1. Juli 1861 beschafft werden sollten. Die Aufhebung der Beschränkung des Zinsfußes, welche die Capitalisten, die Börse u. die große Industrie wünschten, aber den ländlichen u. städtischen Grundbesitz u. den kleinen Gewerbstand wegen des ohnehin schon großen Übergewichts des Capitals fürchteten, scheiterte am Widerstand des Herrenhauses, ebenso die Aufhebung der Grundsteuerbefreiung u. die Einführung eines Ehegesetzes mit Civilehe. Auch die verfassungsmäßige Gleichstellung der Juden fand im Herrenhause Widerstand, obgleich die nunmehrige Regierung im Widerspruch mit der vorhergehenden sie durchzuführen suchte. Ein Gesetz zur Feststellung der Wahlbezirke für das Haus der Abgeordneten wurde angenommen, die Ablösung der Reallasten in einigen Punkten erleichtert, das Postregal zu Gunsten des freien Gewerbebetriebes beschränkt, der Bergbau möglichst freigegeben. Zu einer im Interesse des gesammten Zollvereins unternommenen Expedition nach den Ostasiatischen Gewässern, woran unter Leitung des Grafen Eulenburg zwei preußische Kriegsschiffe u. Vertreter des Handels, der Gewerbe u. des Landbaues auch aus anderen Zollvereinsstaaten theilnahmen, wurden im Ganzen 350,000 Thlr. bewilligt, die Ausführung der Rhein-Nahe-Bahn u. der Rheinbrücke bei Coblenz gesichert. In der kurhessischen Verfassungsfrage hatten Österreich u. die Mehrheit am Bundestage den 24. März 1860 beschlossen, daß selbstverständlich bis zur schließlichen Feststellung des kurhessischen Verfassungswerkes die Verfassung von 1852 sammt Wahlgesetz in Wirksamkeit bleibe; vom preußischen Bundestagsgesandten wurde dagegen sofort die Erklärung abgegeben, daß die preußische Regierung den soeben gefaßten Beschluß nach ihrer festen Überzeugung weder mit der nach dem Bundesrechte allein zulässigen Auslegung des früheren Beschlusses vom 27. März 1852, noch überhaupt mit den der Befugniß des Bundes durch seine Grundgesetze gezogenen Grenzen in Übereinstimmung finden könne u. daher alle für sie aus demselben etwa herzuleitenden Folgerungen u. Verpflichtungen ausdrücklich ablehnen müsse. Hierauf wurde folgende Präsidialerklärung vorgeschlagen u. von der Mehrheit angenommen: die Bundesversammlung beziehe sich gegenüber der eben abgegebenen verwahrenden Erklärung des preußischen Gesandten auf den gefaßten Beschluß, zu dessen Anerkennung sämmtliche Bundesglieder bundesverfassungsmäßig verpflichtet seien. In Bezug hierauf erklärte das Haus der Abgeordneten (in seinen Sitzungen 20. u. 21. April), daß es den Schritten der königlichen Staatsregierung, der kurhessischen Verfassung von 1831 rechtliche Anerkennung zu sichern, mit lebhafter Zustimmung gefolgt sei u. das Vertrauen hege, daß dieselbe den von ihr eingenommenen Standpunkt mit Energie festhalten werde, auch den von der Mehrheit der deutschen Regierungen am 24. März d. I. in Frankfurt gefaßten Beschlüssen gegenüber. Am Bundestage hatten mit P. nur die Sächsischen Häuser (12. Curie) gestimmt. Außer dieser Angelegenheit waren es auch noch die Schritte P-s in Bezug auf die Küstenbefestigung Deutschlands, die Vorschläge wegen Verbesserung der deutschen Kriegsverfassung, welche in der Bundesversammlung am 20. April abgelehnt wurden, weil eine allgemeine Abänderung der organischen Bestimmungen des Bundes nicht nothwendig erscheine, u. die Ansichten der preußischen Regierung wegen der Dinge in Schleswig, welche mit den Zielpunkten der österreichischen Politik in Widerspruch geriethen. Die letztere Frage wurde am 4. Mai auch im Hause der Abgeordneten verhandelt u. der Beschluß gefaßt die Erwartung auszusprechen, daß die Regierung in Gemeinschaft mit den deutschen Verbündeten Nichts unterlassen werde, um den Herzogthümern Schleswig u. Holstein endlich zum vollen Genusse ihrer schwer gekränkten Rechte zu verhelfen, nachdem der Minister des Äußeren die Überzeugung ausgesprochen hatte, daß der Bundestag sich kaum länger der Verpflichtung entziehen dürfe, die dermalige Lage Schleswigs in Erwägung zu nehmen. Außerdem war durch den Landtag. eine Verbesserung der Preßverhältnisse zu Stande gekommen. Über die Richtung, welche die preußische Regierung in den deutschen Sachen unter dem Prinzregenten eingeschlagen hatte, sprach sich eine preußische Circulardepesche vom 6. Juni 1860 an die Vertreter P-s bei den Regierungen der deutschen [559] Bundesstaaten so aus: sie lege den höchsten Werth auf das Bestehen u. die Erhaltung des Deutschen Bundes u. wisse sich in Übereinstimmung mit der Mehrzahl ihrer Verbündeten in der Ansicht, daß die Verfassung des Bundes der Verbesserung fähig u. ihrer bedürftig sei; sie theile mit ihnen die Überzeugung, daß eine Reform der Bundesverfassung nur unter gewissenhafter Achtung der Rechte Aller, u. mit Aussicht auf Erfolg, nur unter Zeitverhältnissen unternommen werden könnte, welche für die Lösung einer so schwierigen Aufgabe geeignet seien, als solche könne sie die gegenwärtigen nicht betrachten; sie habe demnach ihre Bemühungen darauf beschränkt, auf eine solche Handhabung der bestehenden Bundesverfassung hinzuwirken, wie sie nach ihrer Ansicht dem wahren Geist u. der eigentlichen Aufgabe des Bundes entspreche. Der wesentlichste Zweck des Deutschen Bundes, eines völkerrechtlichen Vereines, sei die Erhaltung der Sicherheit u. Unabhängigkeit Deutschlands u. seiner einzelnen Glieder nach außen hin, während ein Theil der deutschen Verbündeten seine Bemühungen vorwiegend auf eine übereinstimmende Entwickelung der inneren staatsrechtlichen Verhältnisse, insbesondere der Verfassungsverhältnisse der Einzelstaaten, in einer Weise richte, welche in ihrem letzten Auslaufe zu einem umfassenden, tief in die inneren Zustände aller Einzelstaaten eingreifenden obersten Regimente, der Bundesversammlung, führen müsse; deshalb sei an dem Grundsatze festzuhalten, daß die Einwirkung der Bundesversammlung auf die inneren Verhältnisse der Einzelstaaten u. namentlich auf die Verfassungsverhältnisse der letzteren auf das genaueste Maß ihrer allseitig anerkannten Befugniß beschränkt werden müsse. In einer völkerrechtlichen Verbindung von Staaten müßten dieselben in ihrer inneren Besonderheit möglichst unberührt gelassen werden. Zudem bestehe der Bundestag nur aus Gesandten der deutschen Regierungen, nicht auch aus Vertretern der deutschen Staaten, woraus sich von selbst die Nothwendigkeit ergebe, den Schein zu meiden, als wolle die Gesammtheit der Regierungen die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Regierung U. Ständen deshalb vor ihr Forum ziehen, um solche Differenzen von einem einseitigen Punkte aus lösen zu können. Wenn man dem Bunde seinen ursprünglichen Charakter wahre, werde man Besorgnissen ein Ziel setzen, deren Beseitigung im eigenen Interesse der Bundesversammlung liege. Die höchste Aufgabe des Deutschen Bundes, die Unverletzlichkeit der Einzelnen u. der deutschen Nation gegen jede Gefahr zu schirmen, sei noch nie ernster an den Deutschen Bund herangetreten, als Angesichts der heutigen Weltlage; sie werde erleichtert, durch das nationale Bewußtsein Deutschlands, u. die Regierungen würden den Wünschen des Deutschen Volkes entgegen kommen, wenn sie eifrigst dazu beitrügen, den militärischen Kräften Deutschlands eine Verfassung zu geben, geeignet, beim Eintreten äußerer Gefahr sichere Aussicht auf Erfolg zu geben. Gestützt auf die Erfahrung, daß die Sicherheit Deutschlands in besonderem Maße von den Leistungen P-s abhängig sei, dürfe die Regierung des Prinzregenten hoffen, daß ihre Bundesgenossen nicht nur ebenfalls, jeder an seinem Theile, den durch die allgemeinen politischen Verhältnisse gesteigerten Anforderungen nach Kräften entsprechen, sondern daß dieselben auch am Bundestage zu allen Maßregeln willig die Hand bieten werden, welche, im Interesse der Sicherung des gemeinen Vaterlandes, der Ernst der Zeit u. die thatsächlichen Verhältnisse unabwendbar verlangten.

Die Anzeigen häuften sich, daß die französische Regierung auf alle Weise versuchte, am Rhein, in Dänemark u. sonst Verbindungen anzuknüpfen, um den alten, Jahrhunderte hindurch verfolgten Plan der bourbonischen Politik, die deutschen Länder am linken Rheinufer zu erobern, endlich einmal bleibend zu verwirklichen. Die Eröffnung der Rhein-Nahe- u. Saarbahn am 25. Mai gab dem Prinzregenten Gelegenheit in Anwesenheit eines französischen Divisionsgenerals u. des Commandanten von Metz, welche im Auftrage des französischen Kaisers den Prinzregenten begrüßten, an die zahlreich versammelte Menge die Worte zu richten, wie P. niemals zugeben werde, daß auch nur ein Fuß breit deutschen Bodens verloren gehe, was mit dem lautesten Beifall begrüßt wurde als eine Antwort auf die Ausstreuungen, daß P. die Rolle Sardiniens in Deutschland übernehmen werde. Um solchen Andeutungen noch bestimmter zu begegnen, wurde eine Zusammenkunft des Prinzregenten mit mehren deutschen Fürsten in Baden-Baden verabredet, als der französische Kaiser in Berlin durch seinen Gesandten die Eröffnung machen ließ, daß er den Prinzregenten bei dessen Anwesenheit in Baden-Baden zu begrüßen wünsche, indem der Kaiser zugleich hoffe, daß diese Begrüßung das Mißtrauen Deutschlands gegen Frankreich am wirksamsten zu beseitigen geeignet sein werde; die Anwesenheit auch anderer deutschen Fürsten in Baden-Baden werde der Erreichung dieses Zweckes nur förderlich sein. Nachdem der König von Hannover am 13. Juni noch eine persönliche Unterredung mit dem Prinzregenten in Berlin gehabt hatte, fand die Zusammenkunft am 15. Juni in Baden-Baden statt. Außer dem Prinzregenten waren anwesend die Könige von Baiern, Sachsen, Hannover u. Württemberg, die Großherzoge von Baden, Hessen u. Weimar, die Herzoge von Nassau u. Koburg-Gotha. Vor der Zusammenkunft mit dem Kaiser hatten die anwesenden deutschen Fürsten eine Versammlung, wobei sich eine Übereinstimmung der Ansichten über Deutschlands Verhältnisse zum Ausland zeigte, Nachdem am Abend vorher der französische Kaiser wieder nach Paris abgereist war, versammelte der Prinzregent am 18. Juni die deutschen Fürsten, um ihnen seinen Dank auszusprechen, daß sie ihm bei seiner Begegnung mit dem Kaiser der Franzosen zur Seite gestanden, um gemeinsam die friedlichen Versicherungen desselben zu empfangen. Die Wahrung der Unverletztheit Deutschlands werde stets seine erste Sorge sein u. in Erfüllung dieser Aufgabe werde er sich auch dadurch nicht irre machen lassen, daß seine Auffassung über den Gang u. die Ziele der preußischen u. deutschen Politik von einigen seiner Bundesgenossen nicht getheilt werde. Österreich habe Schritte zur Verständigung gethan, auf welche er großen Werth lege; wenn dieselbe erzielt sei, werde er die deutschen Fürsten davon in Kenntniß setzen. Nach einer amtlichen Veröffentlichung der preußischen Regierung hatte der Prinzregent ferner in seinen Unterredungen mit den deutschen Fürsten in Baden unzweideutig erklärt: P. beharre mit voller Entschiedenheit auf seiner inneren preußischen u. auf seiner deutschen Politik; es sei nicht Willens, diese der Richtung zum Opfer zu bringen, welche bisher von einzelnen seiner Genossen[560] innegehalten wurde; so wenig P. der Unversehrtheit Deutschlands etwas zu vergeben gedenke zu Gunsten seiner besonderen Verhältnisse, so wenig sei es gemeint einem leichteren Einverständniß zu Liebe in die alte Bundespolitik einzulenken u. damit die sittliche u. politische Entwickelung des deutschen Volkes zu hemmen u. zu gefährden; P. wolle das völkerrechtliche Band des Deutschen Bundes nach keiner Seite hin erschüttern, aber die staatsrechtlichen Befugnisse, welche der Bundestag zum Schaden der deutschen Fürsten u. Völker in Anspruch genommen, werde P. niemals wieder anerkennen; es werde seine Stellung in der hessischen u. schleswigholsteinischen Sache nicht aufgeben; es werde danach trachten, die Kriegsverfassung des Bundes, durch welche entweder das kriegerische Vorgehen Deutschlands od. die Verfassung eine Täuschung werde, auf natürlichere Grundlagen zu stellen. Über den Inhalt der Unterhaltung des Prinzregenten mit dem französischen Kaiser theilte ein Rundschreiben der preußischen Regierung an ihre Gesandten an nichtdeutschen Höfen mit, der Kaiser habe alle Angriffsideen u. kriegerische Absichten, welche man Frankreich unterschiebe, auf das bestimmteste in Abrede gestellt u. unter Anderem erklärt, die Einverleibung Savoyens u. Nizza's sei durch vollkommen exceptionelle Verhältnisse veranlaßt worden, welche sich auf andere nicht übertragen ließen, namentlich fände eine Analogie zwischen Italien u. Deutschland nicht statt. Bei dieser Gelegenheit habe der Kaiser sein Bedauern ausgesprochen, daß in Deutschland gewisse Blätter sich bemühten, Mißtrauen gegen Frankreich zu säen u. so das sicherste Mittel anwendeten, den Geist beider Völkern zu verbittern. Um den Ernst seiner friedlichen Absichten noch mehr zu bethätigen, trug Frankreich auf Abschluß eines Handelsvertrages mit dem Zollverein an u. versprach darüber nähere Eröffnungen zu machen, sobald die übrigen Zollvereinsstaaten ihre Geneigtheit zu erkennen gegeben hätten. Mit P. allein wollte es sich noch über einen Schifffahrtsvertrag u. einen Vertrag gegen den Nachdruck verständigen.

Um Deutschland möglichst mit gleicher Bewaffnung zu versehen, gab der Prinzregent auf Verlangen mehrer deutscher Regierungen Befehl, den von denselben gesendeten Offizieren alle preußischen Militäranstalten, namentlich aber die Geschützgießereien u. die Anfertigung gezogener Geschütze, in allen Einzelheiten zu zeigen, ließ auch mehren deutschen Regierungen gezogene Geschütze u. Zündnadelgewehre liefern. Als der Bürgerkrieg im Königreich beider Sicilien ausbrach u. die Kunde von der Ermordung der Christen Syriens sich verbreitete, fuhren preußische Kriegsschiffe zum Schutze preußischer Unterthanen nach Syrien u. Neapel. Die zur Befestigung der deutschen Nordküste niedergesetzte Commission hatte sich für Errichtung einer preußischen Seemacht mit wenigstens 10 großen Linienschiffen u. 20 Fregatten, nebst der erforderlichen Zahl von Corvetten u. Kanonenbooten entschieden, bei welcher sich zu beiheiligen den deutschen Küstenstaaten vorbehalten bliebe, während P. das Recht der Aushebung von Matrosen in den Gebieten der theilnehmenden Staaten zugestanden werden sollte. Hatte der König von Baiern schon in Baden-Baden versöhnend gewirkt, so schrieb man es auch seinen Bemühungen zu, daß eus den Wunsch des Kaisers von Österreich eine Zusammenkunft desselben mit dem Prinzregenten in Teplitz stattfand, wobei es sich hauptsächlich um eine freundschaftliche Aussöhnung P-s u. Österreichs u. um eine Verständigung beider Mächte über europäische Fragen handeln sollte. Auf der Hinreise den König von Sachsen in Pillnitz besuchend, traf der Regent am 25. Juli in Teplitz ein, wo ihn der Kaiser bereits erwartete. Im Gefolge beider Regenten waren ihre Minister der äußeren Angelegenheiten. Die beiden Herrscher schieden mit gegenseitiger Befriedigung von einander, u. in einer Note des preußischen Ministers des Äußeren wurde über die Ergebnisse der in Teplitz geführten Verhandlungen gesagt, daß sie diejenigen der Badener Zusammenkunft vervollständigten; P. u. Österreich würden gemeinsam für das europäische Gleichgewicht u. die Erhaltung des allgemeinen Friedens wirken u. die Unverletzbarkeit des deutschen Bundesgebietes schirmen. Auch sonst wurde kund, daß über die wichtigsten Fragen der europäischen Politik eine erfreuliche Übereinstimmung der beiderseitigen Ansichten sich bemerklich gemacht, u. daß Österreich bei dieser Gelegenheit eröffnet habe, es werde hinfüro die Bahn des constitutionellen Staatsrechtes betreten, was von der preußischen Regierung als etwas höchst Wünschenswerthes bezeichnet worden sei. In Bezug auf die wieder auftauchende Orientalische Frage, welche, wie es schien, von Rußland u. Frankreich im gegenseitigen Einverständniß ausgebeutet werden sollte, beharrte der Regent auf der alten preußischen Politik mit Österreich u. England, zur Erhaltung des Türkischen Reiches mitzuwirken, u. nahm in diesem Sinne Theil an den in Paris abgehaltenen Conferenzen der Großmächte zur Ordnung der Wirren in Syrien. Auf eine österreichische Note in Betreff von Verhandlungen mit dem Zollverein zur Herbeiführung weiterer Verkehrserleichterungen, wobei zugleich daran erinnert wurde, daß im Jahre 1853 für das Jahr 1860 eine Vereinigung des österreichischen Zollgebietes mit dem Zollverein in Aussicht gestellt worden war, antwortete die preußische Regierung, daß ihre bis aboldherigen, wiederholt gethanen Vorschläge, die Durchgangszölle aufzuheben, von den übrigen Zollvereinsstaaten nicht genehmigt worden seien, daß sie nichts dagegen habe, die in Art. 25 des Vertrages vom 19. Febr. 1853 vorgesehenen Verhandlungen zu beginnen, daß sie sich aber dabei in der Lage befinden würde, eine Zolleinigung zwischen Österreich u. dem Zollverein bestimmt abzulehnen. In einer Conferenz von Polizeibeamten deutscher Bundesstaaten in Stuttgart wurde Seiten P-s die Ansicht geltend gemacht u. festgehalten, daß zu allgemeinen deutschen politisch-polizeilichen Maßregeln kein Grund vorhanden sei, u. daß gegen den Nationalverein ein polizeiliches Einschreiten erst dann gerechtfertigt sein werde, wenn er sich strafbarer Handlungen schuldig gemacht haben würde. In Betreff der deutschen Bundeskriegsverfassung wurde der preußischen Regierung durch den baierischen Geschäftsträger in Berlin ein Entwurf mitgetheilt, über welchen Bevollmächtigte der deutschen Mittelstaaten in zu Würzburg im Herbste abgehaltenen Conferenzen übereingekommen waren, u. der im Wesentlichen darauf hinausging, den nichtösterreichischen u. nichtpreußischen deutschen Staaten in ihrer Gesammtheit als einer militärisch-politischen Macht eine Stelle im Bunde neben Österreich u. P. einzuräumen, also den schon in den ersten Jahren des [561] Deutschen Bundes aufgetauchten Gedanken Deutschlands als einer Trias zu verwirklichen. Nachdem der Prinzregent am 10. Oct. in Frankfurt a. M. mit dem Kurfürsten von Hessen auf dessen Verlangen zusammengekommen war, in Folge dessen die diplomatischen Verbindungen zwischen P. u. Kurhessen wieder angeknüpft wurden, reiste er mit der damals einen Besuch in Koburg abstattenden Königin von England nach Coblenz, wo zwischen dem preußischen Minister des Äußern u. Lord John Russel Besprechungen stattfanden, um die Interessen zu pflegen, welche P. u. Großbritannien an einander knüpfen. Von Coblenz aus erging unter dem 13. October eine preußische Note mit Bezug auf die Ereignisse in Süd- u. Mittelitalien an die sardinische Regierung, worin die Wichtigkeit der Nationalitätsideeanerkannt, ihre Verwirklichung aber gemißbilligt wurde, wenn sie nicht mit der Achtung bestehender Rechte Hand in Hand gehe. Zur Befestigung des europäischen Friedens hatte es der preußischen Regierung unerläßlich geschienen, eine Versöhnung Rußlands mit Österreich herbeizuführen, u. es war dem Prinzregenten gelungen, eine Zusammenkunft mit dem Kaiser von Österreich in Warschau zu Stande zu bringen, welche am 23. Octbr. 1860 stattfand. Die vertraulichen Besprechungen der Herrscher u. ihrer Minister führten nicht zum Abschluß von Verträgen, sondern das einzige Resultat schien zu sein, daß man sich versprach, bei der Fortdauer einer friedenstörerischen Politik derselben zur Erhaltung des allgemeinen Friedens gemeinschaftlich entgegenzutreten, während man der französischen Regierung versicherte, daß eine Feindseligkeit gegen Frankreich durchaus nicht beabsichtigt werde. Die gesetzliche Bestrafung des bis zum Vergehen sich steigernden Übermuths eines englischen Cabinetscouriers auf einer rheinpreußischen Eisenbahn schien die guten Verhältnisse zwischen England u. P. trüben zu wollen, als die englische Presse u. die tonangebenden englischen Staatsmänner sie unerwarteter Weise als eine Beleidigung der englischen Nation in der Art ausbeuteten, wie es zu geschehen pflegt, wenn die englische Regierung zur Erreichung eines politischen Zweckes Händel sucht; indessen machte die entschlossene Haltung der preußischen Regierung dieser künstlichen Aufregung ein Ende. Zwischen der preußischen Regierung u. der großherzoglich hessischen kamen eine Übereinkunft, die Durchmärsche u. Etappen betreffend, u. ein Vertrag wegen des Baues einer Eisenbahn von Köln nach Gießen zu Stande; für sich u. im Namen des Zollvereins schloß P. mit Paraguay einen Freundschafts-, Handels- u. Schifffahrtsvertrag ab, welcher am 1. August 1860 unterzeichnet wurde u. die Angehörigen des Deutschen Zollvereins den am meisten begünstigten Nationen gleichstellte. Innere Angelegenheiten betreffend war die wichtigste Maßregel des Prinzregenten, die nach dem Schlusse des Landtages anbefohlene u. durchgeführte Neugestaltung des Heeres. Bezüglich der Judenfrage erklärte ein allerhöchster Erlaß vom 23. Mai 1860, in Widerspruch mit den im Herrenhause geoffenbarten Anschauungen, die Juden könnten nicht mehr von der Ausübung der bürgerlichen u. staatsbürgerlichen Rechte ausgeschlossen werden, nachdem das unter ständischem Beirathe gegebene Gesetz vom 6. April 1848 u. die Verfassungsurkunde den Genuß dieser Rechte von dem religiösen Bekenntnisse unabhängig mache; die durch die Staatsregierung angeordnete Zulassung der jüdischen Staatsangehörigen zur Wahrnehmung ständischer Rechte u. zur Verwaltung der ihnen verfassungsmäßig nichtverschlossenen Ämter sei daher nicht ungesetzlich, sondern auf Grund der Verfassung u. Gesetze geschehen. Da überhaupt die bisherige Zusammensetzung das Herrenhaus als allzusehr mit der Regierung in Widerspruch stehend sich gezeigt hatte, ernannte der Prinzregent auf Antrag des Staatsministeriums 18 neue Mitglieder auf Lebenszeit, darunter vier neue Kronsyndiken, gab zugleich den Städten Memel, Greifswald, Halberstadt, Minden u. Bonn das Recht, je einen Vertreter zur Berufung als Mitglied. des Herrenhauses vorzuschlagen, u. verlieh den Städten Elberfeld u. Barmen, welche bisher nur gemeinschaftlich zum Vorschlage eines Mitgliedes berechtigt waren, dies Recht jeder einzelnen für sich. Einer unerwünschten Enthüllung unterlagen die Beispiele von Mißbrauch der Amtsgewalt unter der vorhergehenden Verwaltung, namentlich von Seiten des Justizministeriums, des Ministeriums des Inneren u. der demselben untergeordneten Polizeigewalt; es stellte sich nämlich heraus, daß Politisch-Verfolgte Jahre lang von der Polizei als Arbeitslose in das städtische Armenhaus geschickt worden waren wo die Stadt sie versorgen mußte, bis die Polizei sie wieder abforderte. Beschwerden dagegen waren erfolglos gewesen u. erst im Jahr 1860 war es der Stadt gelungen, für die Ernährung solcher politischer Polizeigefangenen eine Entschädigung von 57,080 Thalern aus der Staatskasse zu erhalten. In Folge dieser Untersuchung trat der bisherige Justizminister Simons am 14. Dec. von seinem Amte zurück u. sein Portefeuille erhielt der bisherige Appellationsgerichtspräsident von Bernuth.

Am 2. Jan. 1861 verschied nach ununterbrochener dreijähriger Krankheit König Friedrich Wilhelm IV., in der ersten Hälfte seiner Regierung gehoben durch das Bewußtsein Edles zu wollen, in der zweiten bewältigt durch das Mißbehagen an der Gegenwart, u. der Prinzregent trat als König Wilhelm I. die Regierung an, die Versicherung der früher verkündeten Regierungsgrundsätze wiederholend. Bezüglich der Bundeskriegsverfassung waren in Berlin Vertreter P-s u. Österreichs zu Verhandlungen zusammengetreten, welche jedoch wiederum zu keinem Abschluß führten. In Bezug auf die schleswigholsteinische Frage waren die deutschen Bundesstaaten der Auffassung P-s u. Österreichs beigetreten, dahin gehend, daß der Bund in seiner Gesammtheit, nachdem Dänemark sich geweigert dem Herzogthum Holstein gerecht zu werden, nunmehr mit geeigneten Maßnahmen vorzuschreiten. Am Tage vor der Eröffnung des Landtages wurde verkündigt, daß der König am 12. Jan. 1861 Amnestie ertheilt hatte wegen Hochverraths-, Landesverraths-, Majestätsbeleidigungsverbrechen u. Vergehen in Beziehung auf Ausübung der Staatsbürgerrechte od. wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt u. Verletzung öffentlicher Ordnung für rechtskräftig Verurtheilte. Denjenigen, welche sich der Untersuchung od. der rechtskräftigen Aburtheilung dieser Verbrechen durch die Flucht entzogen, wurde ungehinderte Rückkehr gestattet, u. bei etwaiger Verurtheilung sollte der Justizminister Gnadenanträge stellen. Für durch Militärgerichte Verurtheilte wollte der König, wenn um Gnade nachgesucht würde, Entschließung fassen. Dieser Gnadenact bezog[562] sich auf alle politische Verbrechen od. Vergehen ohne Ausnahme, welche das Preußische Strafgesetzbuch kennt, vom Hochverrath u. Landesverrath herunter bis zur einfachen Beleidigung eines Beamten, ohne sich auf andere nichtpolitische Vergehen zu erstrecken. Die Thronrede bei Eröffnung des Landtages am 14. Jan. theilte mit, daß es erforderlich gewesen sei für die Verstärkung des Heeres, zu welcher der Landtag die Mittel gewährt hätte, in der Weise zu ordnen, daß nicht blos die Zahl der Truppen gesteigert, sondern auch der innere Zusammenhalt, die Festigkeit u. Zuverlässigkeit der neuen Bildungen gesichert worden wären, u. es bewegten sich die zu diesem Zwecke getroffenen Anordnungen innerhalb der gesetzlichen Grundlagen der Heeresverfassung. Der gegenwärtigen Lage Deutschlands u. Europas gegenüber werde die Landesvertretung sich der Aufgabe nicht entziehen das Geschaffene zu bewähren u. in seiner Entwickelung zu fördern, worauf die Sicherheit Deutschlands u. P-s beruhe. Die stattfindende Zunahme der Einnahme u. eine neue Grundsteuergesetzgebung würde außerordentliche Hülfsmittel entbehrlich machen. Eine weitere Ausdehnung des preußischen Eisenbahnnetzes sei eingeleitet, die Aufhebung der Durchgangsabgaben u. eine beträchtliche Herabsetzung der Rheinzölle mit den betheiligten Regierungen vereinbart. Die endliche Erledigung der Reform des Eherechtes werde mit Zuversicht erwartet. Durch persönliche Begegnung mit den Monarchen hätten sich die Beziehungen zu den Großstaaten immer erfreulicher gestaltet. Die Bestrebungen, eine Veränderung der deutschen Kriegsverfassung herbeizuführen, welche dem Bedürfnisse Deutschlands entspreche, den verfassungsmäßigen Zustand in Kurhessen wiederherzustellen u. die unter der Herrschaft des Königs von Dänemark vereinigten deutschen Herzogthümer in den Genuß eines den bestehenden Vereinbarungen entsprechenden Verfassungszustandes eintreten zu sehen, seien bisher fruchtlos gewesen. Am Schlusse wies der König auf den früher von ihm geleisteten Schwur hin u. forderte beide Häuser auf nunmehr auch ihm Treue zu schwören, was auch geschah. In der Antwort auf die Thronrede sprach das Abgeordnetenhaus das Vertrauen aus, daß die nothwendige Verwaltungseinheit immer mehr werde befestigt u. Anordnungen durch solche Organe ausgeführt werden, welche dem Regierungssystem volle, aufrichtige Unterstützung darbieten; durch den angebahnten Handelsvertrag mit Frankreich werde die erfreuliche Aussicht eröffnet, daß zwei große Nationen erhöhte Gelegenheit fänden, in den Arbeiten des Friedens um den Preis zu ringen. In Bezug auf die preußische Politik dem Bundestage u. Österreich gegenüber erklärte die Regierung während der Kammerverhandlungen wiederholt, sie beruhe auf der Erkenntniß des Bedürfnisses der Verbesserung desjenigen Organs der Gemeinsamkeit, welches jetzt bestehe, auf der Wahrung des eigenen Rechtes, auf der nothwendigen Achtung jedes fremden Rechtes, auf dem Bewußtsein, daß in so gefahrdrohender Zeit die Einigkeit höher stehe als eine erzwungene Einheit, daß diese Einigkeit ihr hauptsächliches Fundament habe in einem steten, treuen u. friedfertigen Zusammengehn der beiden deutschen Großstaaten, welche dem Auslande gegenüber die Vertreter Deutschlands sein müßten, deshalb sei ihr eifrigstes Bemühen darauf gerichtet, mit Österreich sich im Einvernehmen zu erhalten, deshalb habe sie die neue freiheitliche Entwicklung Österreichs mit Freuden begrüßt; allerdings werde aber P. nur so lange mit Österreich gehn als die Interessen Deutschlands u. P-s es erforderten. Beide Häuser nahmen nach langwierigen heftigen Verhandlungen die von der Regierung vorgelegten Gesetze an wegen anderweiter Regulirung der Grundsteuer, wegen Einführung der allgemeinen Gebäudesteuer u. wegen der für die Aufhebung der Grundsteuerbefreiungen u. andern Bevorzugungen zu gewährenden Entschädigungen, wodurch die Ungleichheiten in der Besteuerung des Bodens, welche die einzelnen Provinzen u. die verschiedenen Klassen des Grundbesitzes trennte, endlich beseitigt wurden. Die Durchführung der Neugestaltung der preußischen Heeres macht wurde ebenfalls genehmigt u. die dazu nöthigen Mittel, wenn auch mit einer kleinen Einschränkung, gewährt. Es wurden auf diesem Landtage außerdem die Erschwerungen, welche dem Gewerbebetriebe den Ausländern entgegenstanden, aufgehoben, indem künftige Landesfremde in Bezug auf Betrieb der Gewerbe Inländern völlig gleichstehn, u. eine Ergänzung des Gewerbesteuergesetzes verbürgte die Umlegung dieser Steuer nach zweckmäßigeren u. gerechten Normen; das Netz der preußischen Eisenbahnen wurde mit Hülfe von Bewilligungen erweitert u. durch Genehmigung einer neuen Bahn die Verbindung der östlichen mit den westlichen Theilen des Reiches abgekürzt u. gesichert; die Bergbauabgaben wurden zur Beförderung des Bergbaus vermindert, die Entwickelung der jungen Seemacht gefördert. Der Landtag genehmigte ferner einen Staatsvertrag mit Frankreich wegen Herstellung einer schiffbaren Verbindung zwischen dem Rheine, dem Marnecanal u. der Saar, die erhebliche Ermäßigung der Rheinzölle, die Aufhebung der Durchgangsabgaben u. die Einführung des deutschen Handelsgesetzbuchs in P. Am 5. Juni wurde der Landtag geschlossen. Inzwischen hatte sich eine Militärcommission von preußischen u. österreichischen Vertretern in Berlin zur Berathung über die Militärverfassung des Bundes versammelt, aber sie waren am 12. April ohne Ergebnisse auseinandergegangen. Der ständigen Deputation des deutschen Juristentages zu Berlin erklärte der Justizminister, dem sich hierin auch die österreichische Regierung anschloß, daß die Herbeiführung einer gemeinsamen deutschen Civil- u. Strafproceßordnung ganz dem Wunsche der preußischen Regierung entspreche. Bis zum April 1861 waren nach einem ungefähren Überschlag von der preußischen Artilleriedirection an die kleinen deutschen Heere bereits gegen 150 gezogene Geschütze abgegeben worden; die Bewaffnung der preußischen Festungen mit diesen Geschützen war in der Hauptsache auch hergestellt, ebenso die Seemacht u. die Küstenbefestigung damit versehn. In Bezug auf die Zulassung des deutschen nicht preußischen Papiergeldes hatte die preußische Regierung ein Rundschreiben ergehen lassen, in welchem die Bedingungen der Zulassung festgestellt waren. Außer einem Vertrag zwischen P. u. Braunschweig wegen einer Eisenbahn zwischen Buke u. Kreiensee war ein solcher auch zwischen P. u. Österreich wegen einer Eisenbahn zwischen Neuberun u. Oswieszim u. zwischen Dziedzitz u. der Nendza-Kattowitzer Bahn zu Stande gekommen. Zwischen P. u. Brasilien schien es zum Abbruch der diplomatischen Verbindungen kommen zu wollen, da der preußische Gesandte von Meusebach[563] des Elendes deutscher Colonisten in Brasilien auf eine Weise sich annahm, welche mit der Ausbeutung deutschen Fleißes durch brasilianische Grundbesitzer in Widerstreit gerieth. Welchen besonderen Werth die sardinische Regierung auf die Pflege eines guten Verhältnisses zu P. legte, bewies die außerordentliche Sendung des Generals Lamarmora mit Gefolge nach Berlin, um den König zur Thronbesteigung zu beglückwünschen, worauf General Bonin nach Turin entsendet wurde, um den Thronwechsel anzuzeigen. Um auch der Vergangenheit gerecht zu werden u. durch ihren Ruhm die Gegenwart zu begeistern, bildeten sich von der Regierung unterstützte Vereine zur Errichtung von Denkmälern des Fürsten Hardenberg u. Steins, u. am 13. Mai fand die feierliche Enthüllung des Denkmals des Industriellen Beuth in Berlin statt. Einen Mißton inmitten dieser Verhältnisse bildeten die fortdauernden Enthüllungen über den Mißbrauch der Amtsgewalt u. Willkür der Polizei unter der früheren Regierung, denn die öffentlichen Verhandlungen zeigten, daß allerdings die Polizeigewalt sich über die Gesetze hinweggesetzt u. willkürlich über die Freiheit der Bürger verfügt hatte. Auf neu auftauchende Beschuldigungen, daß das Polizeipräsidium die von der städtischen Behörde für die örtliche Polizeiverwaltung zu gewährenden Mittel vielfach in einer Weise verwendet habe, welche mit den städtischen Interessen unvereinbar seien, ja daß mehre Polizeibeamte, hauptsächlich der Polizeioberst Patzke, bei dem Bekleidungswesen, der Ausrüstung u. Pferdeaushaltung der Schutzmannschaft sich Unterschleife schuldig gemacht hätten, ging das Ministerium Anfangs nur mit Widerstreben auf die Forderung ein, die gerichtliche Untersuchung der Staatsanwaltschaft zu übergeben; als nach Beginn derselben aber Patzke entflohen u. von Schweden aus wieder gefänglich eingebracht worden war, wurde auch gegen den Polizeipräsidenten von Zedlitz, wie derselbe sogleich von Anfang verlangt hatte, Untersuchung eingeleitet. Die Abtheilung der geheimen Schutzmannschaft wurde aufgelöst. Mit Sachsen-Koburg kam eine Militärconvention zu Stande (s. u. Sachsen, Gesch.). Der Mordversuch auf den König zu Baden-Baden, wo sich derselbe zur Cur mit der Königin aufhielt, am 14. Juli von Seiten eines Studenten, Becker (Enkel eines aus Chemnitz nach Rußland Eingewanderten, Sohn eines Lycealrectors in Odessa u. in Rußland erzogen), welcher in Dresden u. Leipzig einige Jahre studirt hatte, gaben Veranlassung zu außerordentlich vielen Beweisen von Sympathien nicht allein aus dem Lande, sondern auch aus allen Theilen Deutschlands.

Vgl. Mohne, Über den Namen P., Berl. 1852; K. F. Pauli, Allgem. preuß.-brandenburg. Gesch., Halle 1760–69, 8 Bde.; I. C. P. Grimm, Handbuch der Gesch. der preuß.-brandenburg. Staaten, Bresl. 1797, 2 Bde.; L. v. Baczko, Geschichte P-s, Königsb. 1792–1800, 6 Bde.; I. F. Reitemeier, Gesch. der preußischen Staaten vor u. nach ihrer Vereinigung in einen Staat, Frankf. 1801–5, 2 Bde.; A. Hartung, Brandenburg-preuß. Gesch., Berl. 1811, 2 Bde.; K. F. Tzschucke, Brandenburgisch-preuß. Regenten- u. Volksgeschichte von den ältesten bis auf die neuesten Zeiten, Berl. 1817– 1823, 3 Bde.; A. F. Stein, Preuß.-brandenburg. Gesch, ebd. 1818, 2 Bde.; L. A. Baumann, Gesch. des preuß. Staats, fortges. von Ch. G. D. Stein, Potsd. 1819, 2 Bde.; Manso, Gesch. des preuß. Staats vom Frieden zu Hubertsburg bis zum zweiten Pariser Frieden, Frankf. a. M. 1819–21, 3 Bde., 2. A. 1835; F. Förster, Grundzüge zur Gesch. des preuß. Staats, Berl. 1818, 2 Bde.; Ders., Handbuch der Geschichte, Geographie u. Statistik des preuß. Reichs, Berl. 1820–22, 3 Bde.; von Leutsch, Gesch. des preuß Reichs von dessen Entstehung bis auf die neueste Zeit, Berl. 1825, 3 Bde.; Joh. Voigt, Handbuch der Gesch. P-s bis zur Zeit der Reformation, ebd. 1841 ff., 3 Bde.; K. H. L. Pölitz, Gesch. P-s, Dresd. 1827, 4 Bde., 2. Aufl. Lpz. 1841; E. Heinel, Gesch. P-s, Königsb. 1829; E. Helwing, Gesch. des brandenb.-preuß. Staats, Lemgo 1831, 2 Bde.; Stenzel, Geschichte des preußischen Staats, Hamb. 1831–51, 4 Bde.; E. Heinel, Gesch. des preuß. Staats u. Volks, Danz. u. Berl. 1834–44, 4 Bde. (fortges. von Kugler); W. Fischer, Gesch. des brandenburgpreuß. Staats, Manh. 1836–38; Th. Tetzner, P., Gesch. seines Volkes u. seiner Fürsten, Lpz. 1843 ff.; H. von Ohnesorge, Gesch. des Entwickelungsganges der brandenburg-preuß. Monarchie etc., Lpz. 1841; C. Panse, Gesch. des preuß. Staats seit der Entstehung bis zum Tode Friedrichs d. Gr., Berl. 1830– 34, 6 Bde.; Ranke, Neun Bücher Preußischer Geschichte, Berl 1847 f., 3 Bde.; F. Förster, Neuere u. neueste preuß. Geschichte, ebd. 1853 ff.; G. v. Förster, Friedrich Wilhelm IV. u. seine Zeit, Sondersh. 1859, 2 Bde.; Materialien zur Gesch. der Regentschaft in P., Berl. 1859; Stahr, Die Preußische Revolution, ebd. 1851, 2 Bde.; Joh. Voigt, Gesch. P-s von der ältesten Zeit bis zum Untergang der Herrschaft des Deutschen Ordens, Königsb. 1827–39, 9 Bde.; Watterich, die Gründung des Deutschen Ordensstaates in P., Lpz. 1857; Dusburg, Chronicon Pruss., Frankf. 1679; Hartknoch, Preußische Kirchenhistorie, 1687; A. Schott, Prussia Christiana, Danz. 1738; Arnoldt, Kurzgefaßte Kirchengesch. von P., Königsb. 1769; Wangemann, Preußische Kirchengeschichte, ebd. 1859, 3 Bde.; Kletke, Quellenkunde der Gesch. des Preuß. Staats, ebd. 1858 ff.; Voigt, Codex diplomat. Pruss., Königsb. 1836 ff.; Scriptores rerum Prussicarum, herausgeg. von Hirsch, Töppen u. Strehlke, Lpz. 1861; Töppen, Geschichte der preuß. Historiographie, Berl. 1853.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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